# taz.de -- Diskussion um die Berliner Mitte: Mitte, Münze, Molkenmarkt
       
       > Nach dem Aus für die Ateliers in der Alten Münze war auf einer
       > Veranstaltung der Linkspartei im Podewil aber auch viel Selbstkritik zu
       > hören.
       
 (IMG) Bild: Die Baustelle des Molkenmarkts mit der Alten Münze im Bild obenrechts
       
       BERLIN taz | Am Ende einer Veranstaltung am Mittwochabend, bei der die
       Linkspartei zu einer Diskussion über die Neugestaltung des Molkenmarkts
       eingeladen hatte, gab es noch ein Stelldichein vor der Klosterruine in der
       Klosterstraße. Von dort aus ließ sich betrachten, welche Planungen es im
       Klosterviertel gibt, um Berlins historische Mitte neu zu erfinden.
       
       Das Haus gegenüber, erklärte ein Architekt, könne abgerissen werden, sicher
       sei das jedoch nicht. Neben der Ruine sei eine Schule geplant, für die sich
       allerdings kein Träger finde, weil diese dann direkt neben einer
       Hauptverkehrsstraße liege. Die Ruine selbst solle nach der Vorstellung des
       Bezirks Mitte weiterhin ein Denkmal bleiben. Es gäbe aber auch die Idee,
       Teile des ehemaligen Franziskanerklosters aus dem 13. Jahrhundert zu
       rekonstruieren.
       
       Haus abreißen oder nicht, Schule bauen oder nicht, darüber lässt sich ja
       diskutieren. Aber ein Kloster, von dem nur noch ein bisschen Gemäuer übrig
       ist, wieder aufbauen, das kann doch niemand wirklich wollen, oder?
       
       Anscheinend schon. Schließlich befindet man sich hier unweit des
       teilrekonstruierten Berliner Stadtschlosses, von dem nach der Zerstörung im
       Zweiten Weltkrieg und der folgenden Sprengung in der DDR sogar noch weniger
       übrig war als vom einstigen Kloster. Es gibt sie schließlich, die Kräfte in
       Berlin mit politischem Einfluss, die aus der historischen Mitte der Stadt
       irgendwo zwischen dem pseudoschmucken Nikolaiviertel und der abgrundtief
       hässlichen Shopping-Mall Alexa, ein wunderliches Stadtbild erzeugen
       möchten. Eines, bei dem möglichst so getan werden soll, als könne man die
       Narben aus dem Zweiten Weltkrieg und aus der Zeit, in der Berlin eine
       zweigeteilte Stadt war, einfach überschminken.
       
       ## Kulturkampf zwischen Retro und Zukunft
       
       Darüber, wie dieses Gebiet in Zukunft gestaltet werden soll, ist längst ein
       Kulturkampf entbrannt. Zwischen den Rückwärtsgewandten, die das Stadtbild
       wieder „heilen“ wollen, wie sie sagen, und denjenigen, die mit einem derart
       geschichtsvergessenen Revisionismus nichts am Hut haben.
       
       Eindeutig gegen Rekonstruktionspläne, die den Wiederaufbau von Schlössern
       und Klöstern vorsehen, ist auch die Linkspartei. Das wurde bei der Begehung
       der Klosterruine und bei der vorangegangenen Podiumsdiskussion [1][im
       Kulturort Podewil] mehr als deutlich. „Raum für Kultur statt Retro!“,
       lautete die Forderung bei dem Fachgespräch über die Neugestaltung von
       Molkenmarkt und Klosterviertel. Für Retro scheint die Linke dabei nicht nur
       die parteilose und von der SPD ernannte [2][Senatsbaudirektorin Petra
       Kahlfeldt] zu halten, sondern gleich die gesamte SPD.
       
       Auf dem Podium, auf dem niemand ohne eine gewisse Nähe zur Linken saß,
       wurde natürlich über Kai Wegner und seine CDU geschimpft. Dass sich aber
       die SPD so bereitwillig dessen konservativer Politik unterwirft, wo man
       doch bis zur Neuwahl Anfang des Jahres ihr Koalitionspartner in einer
       Regierung gemeinsam mit den Grünen war, das macht die Linken offensichtlich
       fassungslos.
       
       Dass sich die Partei dabei in einem Zustand irgendwo zwischen
       Selbstreflexion, Resignation und neuem Kampfeswillen befindet, wurde vor
       allem bei der Diskussion um die Alte Münze deutlich, die Teil des
       Molkenmarkts ist und im Mittelpunkt der Veranstaltung im Podewil stand.
       
       Nach den Plänen des ehemaligen linken Kultursenators Klaus Lederer hätte
       hier ein Ort für die Freie Kunstszene entstehen sollen mit einem Zentrum
       für Jazz und improvisierte Musik als Aushängeschild. Geradezu
       handstreichartig wurden die Pläne von der CDU gekippt. Stattdessen soll ein
       privatwirtschaftliches Unternehmen für mindestens 30 Jahre den Ort in
       Eigenregie bespielen dürfen.
       
       Lennart Siebert, der Atelierbeauftragte der Stadt Berlin, der sich um
       bezahlbare Räume für Künstler und Künstlerinnen zu bemühen hat, wies darauf
       hin, dass aktuell die Ateliers weniger statt mehr werden würden. Die Alte
       Münze mit ihren vielen Raummöglichkeiten hätte bei diesem Problem
       wenigstens ansatzweise Abhilfe schaffen sollen.
       
       Sabine Kroner, Sprecherin des [3][Rats für die Künste], beklagte, dass die
       CDU mit der SPD im Schlepptau mit ihrer überraschenden Planänderung für die
       Alte Münze das noch von Lederer angestoßene Beteiligungsverfahren und
       dessen Ergebnisse missachten würden.
       
       Thorsten Wöhlert von der Linkspartei, ehemaliger Staatssekretär in der
       Berliner Senatsverwaltung für Kultur, der direkt in das Verfahren zur
       Neugestaltung der Alten Münze involviert war, gab sich dagegen ziemlich
       zerknirscht und selbstkritisch. Er meinte, dass der Aushandlungsprozess
       darum, wer nun genau und zu welchen Konditionen in die Alte Münze kommen
       darf, viel zu lang gedauert habe: „Wenn man das Gefühl bekommt, der Prozess
       ist wichtiger als das Ergebnis, dann stimmt etwas nicht.“
       
       Tatsächlich wurde 2018 das Beteiligungsverfahren in Gang gesetzt. Als sechs
       Jahre später immer noch keine belastbaren Ergebnisse vorlagen, setzte die
       CDU ihre eigene Agenda durch. „Wir hätten viel weiter sein können“, führte
       Wöhlert seine erstaunlich offene Selbstgeißelung fort und sprach von einem
       „Suizid mit Ansage“.
       
       Man habe allen gerecht werden wollen, der Freien Szene, den Theaterleuten,
       den Jazzern und den Clubbetreibern und versucht, einen Ausgleich der
       Interessen herzustellen. Doch man habe feststellen müssen, dass allein
       schon das geplante Jazzzentrum im selben Haus mit einem Club wahrscheinlich
       nicht funktionieren werde. „Faule Kompromisse“ habe man deswegen
       geschlossen und zu Ergebnissen gefunden, die „mit der Realität nichts mehr
       zu tun hatten“.
       
       Sogar der Tatsache, dass das Areal gleich für 30 Jahre an ein Unternehmen
       vergeben werden soll, konnte er etwas Positives abgewinnen. Denn immerhin
       werde es dadurch drei Dekaden lang als Kulturort gesichert und müsse nicht
       etwa einem Supermarkt weichen.
       
       Dass Wöhlert hier fast schon wie ein Pressesprecher der CDU klang und
       teilweise deren Kritik am Verfahren um die Alte Münze übernahm, wollte eine
       der Moderatorinnen des Panels lieber überhören. Sie rief zu „zivilem
       Ungehorsam“ auf und warf die Idee in den Raum, die Alte Münze zu besetzen.
       Wahrscheinlich um zu demonstrieren, dass die Linke den Kampf um Berlins
       Mitte von der Alten Münze bis hin zur Klosterruine nicht einfach so
       aufgibt.
       
       Auch wenn sie derzeit kaum noch etwas zu melden hat in der Stadt.
       
       7 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://kulturprojekte.berlin/podewil/
 (DIR) [2] /Stadtumbau-in-Berlin/!5907755
 (DIR) [3] http://www.rat-fuer-die-kuenste.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
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