# taz.de -- Demos gegen rechts: „Ich musste was tun“
       
       > Als Reaktion auf steigende Zustimmungswerte für die AfD haben sich an
       > vielen Orten Initiativen gegen rechts gegründet. Zwei Initiatorinnen
       > erzählen.
       
 (IMG) Bild: An vielen Orten in Deutschland engagieren sich Menschen gegen rechts
       
       ## „Wir lassen die Omas nicht mehr aus dem Griff“
       
       Monika Linden, 62, hat am Samstag eine Menschenkette gegen Rassismus und
       Gewalt auf dem Kaiserplatz in Düren organisiert 
       
       Ich bin eine erfahrene Demo-Oma. Ich habe schon gegen Atomkraftwerke
       demonstriert, ich habe mich auch schon mal wegtragen lassen, aus Protest
       gegen die Stationierung von atomaren Sprengköpfen in Nordrhein-Westfalen.
       
       Die Gründung der [1][Omas und Opas gegen rechts] in Düren ist meine erste
       Aktion gegen Rechtspopulismus. In den letzten Jahren habe ich in der
       Politik, aber auch bei Menschen in meinem Umfeld öfter so Sätze gehört wie
       „Ausländer raus“. Als ich im Januar die [2][Correctiv-Recherche zum
       Potsdamer Geheimtreffen] (von Neonazis und AfD-Politikern; Anm. d. Red.)
       las, war für mich ein Wendepunkt erreicht. Ich musste was tun. Ich wollte
       zu keiner Partei und dachte: Ich bin alt, ich habe nichts zu verlieren, ich
       gründe selbst etwas.
       
       Nach einem Aufruf zum Mitmachen in unserer Lokalzeitung habe ich einen
       Tisch in einem Restaurant reserviert. Für 10 Leute, viel mehr tauchen da eh
       nicht auf, dachte ich. Gekommen sind 56 Omas und Opas. 56! Ich war
       geflasht. Mittlerweile sind wir um die 30, die jeden Samstag zusammen zur
       Demo „Es ist 5 vor 12 – Zeit für Demokratie“ in Düren gehen. Ich kann
       leider nicht immer, als Oma habe ich am Wochenende auch mal
       Enkeltochterdienst. Aber ein paar Omas sind immer dabei. Für viele Dürener
       sieht ein typischer Samstag inzwischen so aus: Morgens auf den Markt,
       danach wird demonstriert und anschließend zusammen eine Tasse Kaffee
       getrunken.
       
       Trotzdem, die Leute sind nicht mehr so aufgebracht wie im Winter, direkt
       nach der Correctiv-Aufdeckung. Die Empörung ebbt ab. Deshalb haben wir
       schon Aktionen nach der Europawahl geplant, um den Kontakt zu den Omas und
       Opas nicht zu verlieren. Wir wollen Stolpersteine putzen und besuchen die
       Kriegsgräber im Hürtgenwald. Damit wir uns unabhängig von Wahlen besser
       vernetzen. Wir lassen die Omas nicht mehr aus dem Griff. Neben dem
       wachsenden Rechtspopulismus in Europa ist das drängendste Thema der Wahl
       für mich die Klimapolitik. Es geht um die Zukunft meiner Kinder und meiner
       Enkelin. Und wer weiß, vielleicht gibt es in Düren auch bald die Omas und
       Opas für Klimaschutz.
       
       ## „Es ist echt schwierig, junge Leute zu mobilisieren“
       
       Lilly Gramann, 18, hat am Samstag das Musikfestival „Bienenbüttel rockt
       bunt“ in der Lüneburger Heide auf die Beine gestellt 
       
       In meiner Gemeinde Bienenbüttel wohnen zwei [3][völkische Großfamilien],
       die an Hitlers Geburtstag Reichsflaggen vor ihren Häusern hissen und an
       rechten Ferienlagern teilnehmen. Ich selbst bin einige Jahre mit einem
       Mädchen aus einer völkischen Familie in die Schule gegangen. Zum Teil
       werden die Familien akzeptiert oder sogar verteidigt, weil sie sich hier in
       Vereinen engagieren.
       
       Viele Menschen in Bienenbüttel wissen gar nicht, was für rechtsextremes
       Gedankengut in diesen Familien gelebt wird. Um das zu ändern, haben wir
       letztes Jahr die Gruppe „Bienenbüttel summt bunt“ gegründet. Unser Ziel ist
       es aber nicht nur, über rechte Ideologien aufzuklären. Wir werben für ein
       anderes Bienenbüttel, das für ein solidarisches und vielfältiges Weltbild
       steht.
       
       Am Anfang haben wir ein Selbstverständnis formuliert. Das haben wir
       ausgedruckt und in der Arztpraxis und in mehreren Läden ausgelegt. So sind
       wir schnell gewachsen. Den Demo-Aufschwung in ganz Deutschland nach der
       Correctiv-Recherche im Januar haben auch wir gespürt. Im März haben hier
       fast 400 Leute gegen rechts demonstriert. So eine große Demo habe ich in
       Bienenbüttel noch nie gesehen.
       
       Als bunte Initiative auf dem Dorf bekommen wir aber nicht nur positive
       Reaktionen. Für das Konzert am Samstag haben wir eine*n
       Tontechniker*in gesucht und bekamen einen Kontakt. Am Telefon hieß es
       dann: Ich bin rechts, bei sowas mach ich nicht mit. Zum Glück ist das die
       Ausnahme.
       
       Ein paar Supermarktmitarbeiter*innen im Ort haben für das Konzert
       sogar extra ihre Schichten getauscht, um dabei sein zu können. So etwas zu
       hören, ist total schön.
       
       Auf der anderen Seite ist es echt schwierig, junge Leute in meinem Alter zu
       mobilisieren. Viele interessieren sich nicht für politische Themen, nicht
       einmal für die völkischen Siedler*innen in ihrer Nachbarschaft. Nicht
       nur wegen der [4][Europawahl], auch deshalb haben wir das Konzert auf den
       Samstag gelegt. Am selben Tag fand im Dorfzentrum vorher nämlich ein
       Familienfest statt. So wollten wir Leute erreichen, die sonst nicht zu
       einem Konzert für ein buntes Europa gekommen wären.
       
       Protokolle: Aaron Wörz
       
       9 Jun 2024
       
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