# taz.de -- EU-Wahl in Schweden: Der Herr Sozialdemokrat
       
       > Der Nachbar macht sich schick für den Gang zur Urne. Es sollte dann auch
       > ein guter Tag werden für den erklärten Gegner der Schwedendemokraten.
       
 (IMG) Bild: Auch Schweden hat am Sonntag gewählt
       
       Herr Andersson trägt entweder Arbeits- oder Sportklamotten. Natürlich, denn
       sein Leben besteht primär aus Arbeit und Joggen. Umso überraschter war ich,
       ihn in Jeans, Hemd und Cowboystiefeln zu sehen. Er hatte sich schick
       gemacht fürs Wahllokal. „Ich habe ewig keine Jeans angehabt“, sagte er auf
       dem Weg dorthin, selbst verwundert.
       
       Ich saß neben ihm in seinem Volvo, durfte mitkommen und mir alles angucken.
       [1][Wem dieser Nachbar seine Stimme geben würde], wusste ich längst. „Man
       ist ja trotz allem einfacher Arbeiter“, hatte er mir schon vor Monaten
       erzählt. Daraus folgt für ihn nur eins, und das darf auch jeder wissen. Als
       wir beim Gemeindehaus auf den Parkplatz fuhren, bekräftigte er es nochmal:
       „Von mir aus könnte man mir ein Megafon geben und ich rufe es über das
       ganze Dorf: Hallo, hallo, Herr Andersson wählt [2][die Sozialdemokraten]!“
       
       Das erfuhren die Wahlhelferinnen dann auch ohne Megafon, denn er fand den
       Wahlzettel seiner Partei nicht direkt, sie mussten ihm suchen helfen. So
       läuft es hier: Jede Partei hat ihren eigenen kleinen Zettel, man greift ihn
       sich aus einem Kasten und steckt ihn in einen Umschlag. Und jetzt dies:
       Jemand hatte einen Zettel der Zentrumspartei vor den
       Sozialdemokraten-Stapel gestellt. „Betrugsversuch!“, rief Herr Andersson,
       der natürlich eigentlich anders heißt. Irgendjemand muss das Wahlgeheimnis
       ja ernst nehmen.
       
       Draußen vor dem Wahllokal kam ihm der Gedanke, dass er es genauso hätte
       machen müssen: einfach einen Sozen-Wahlzettel vor den Stapel der
       Schwedendemokraten legen. Wie ernst er das wohl meinte? Aber dass er am
       nächsten Tag herzlich über den schlechten Wahlausgang für die rechtsextreme
       Partei lachte, kam jedenfalls von Herzen: „Super gelaufen für die
       Schwedendemokraten, ne?“. Er freute sich sehr.
       
       Nicht, dass er das den anderen Nachbarn unter die Nase reiben würde.
       Inzwischen sind hier alle über einander informiert, wo sie politisch
       stehen. Eventuell liegt es daran, dass ich einen von ihnen korrigiert habe,
       als er mir erzählte, dass „wir hier ja alle Schwedendemokraten sind“ – und
       dabei auch auf Herrn Anderssons Haus zeigte. Das konnte ich ja nicht so
       stehen lassen. Jedenfalls ist das jetzt hier quasi ein Trainingscamp für
       Ambiguitätstoleranz. Eigentlich mag man sich. Deshalb konzentriert man sich
       bei Begegnungen auf die wirklich wichtigen Dinge: das Wetter, den Zustand
       des Schotterwegs, die Ferienpläne. [3][Eine hämische Bemerkung zum
       Wahlausgang?] Niemals.
       
       13 Jun 2024
       
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