# taz.de -- Umstrittener Biosprit HVO100: Tanken mit Speisefett
       
       > Ab heute können Tankstellen den Dieselkraftstoff HVO100 verkaufen. Gut
       > fürs Klima, sagt Volker Wissing. Doch Umweltverbände schlagen Alarm.
       
 (IMG) Bild: HVO100 zu tanken ist nicht so grün, wie es aussieht, sagt der Nabu
       
       BERLIN taz/dpa/afp | Seit Mittwoch darf der Dieselkraftstoff HVO100 an den
       Tankstellen in Deutschland verkauft werden. Die dafür notwendige Verordnung
       wurde am Dienstag veröffentlicht. Der ADAC begrüßte die Freigabe als
       wichtigen Beitrag zur CO2-Senkung bei den Fahrzeugen, die aktuell
       zugelassen sind. Umweltverbände hingegen warnen, dass der neue Sprit dem
       Klimaschutz nichts bringt. „HVO100 ist keine nachhaltige Lösung für den
       Verkehr – egal, wie oft die Kraftstoffbranche immer wieder das Gegenteil
       behauptet“, sagt Nikolas von Wysiecki, stellvertretender Leiter im Team
       Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).
       
       HVO100 wird aus pflanzlichen oder tierischen Fetten, zum Teil aus Abfällen,
       hergestellt. Die Öle werden mit Wasserstoff behandelt. Bisher konnte der
       Kraftstoff schon herkömmlichem Diesel zu 26 Prozent beigemischt werden, der
       Verkauf als Reinkraftstoff war jedoch verboten. „Wenn er vollständig aus
       Abfall- und Reststoffen hergestellt wird, sorgt HVO100 für bis zu 90
       Prozent weniger Treibhausgasemissionen als fossiler Diesel“, teilte
       Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am frühen Dienstagabend mit.
       
       Laut Nabu ist allerdings noch nicht gesagt, dass die Kraftstoffhersteller
       für die Produktion der Spritsorte ausschließlich Abfälle nutzen. „Es ist
       nicht ausgeschlossen, dass HVO100 aus Ackerpflanzen wie [1][Soja und Raps
       hergestellt wird, was global zur Entwaldung beiträgt]“, sagt von Wysiecki.
       „Hier werden wichtige Kohlenstoffsenken zerstört, und dies geht nicht in
       die CO2-Bilanz der Kraftstoffe ein.“
       
       Auch Altspeisefette seien ein knappes Gut und würden schon jetzt an anderer
       Stelle wiederverwertet, zum Beispiel als Schmierstoffe oder in der
       Pharmaindustrie. Wenn sie als Kraftstoffe dienen sollen, müssten diese
       Industriezweige auf fossile oder klimaschädliche Grundstoffe wie Palmöl
       zurückgreifen, was sogar mit einem deutlich höheren Treibhausgasausstoß
       einherginge.
       
       ## 14 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland
       
       Außerdem kämen Hersteller und Bundesverkehrsminister nur dann auf eine
       Treibhausgaseinsparung von 90 Prozent, wenn sie von null Emissionen bei der
       Verbrennung des Kraftstoffs ausgehen. Dies sei ein Rechentrick, mit dem die
       [2][Klimabilanz nahezu aller Biospritsorten aufgehübscht] werde, sagt von
       Wysiecki: Richtig sei, dass zum Beispiel Rapspflanzen in ihrem Wachstum CO2
       binden, das bei der Verbrennung des Kraftstoffs wieder freigesetzt wird.
       Hinzu kämen aber Emissionen im Produktionsprozess, die nicht bilanziert
       werden.
       
       Und: „Es gibt immer wieder Betrugsverdachtsfälle bei den vermeintlichen
       Reststoffen, bei denen zum Beispiel Palmöl unter falschem Label importiert
       wird“, meint der Nabu-Experte. „Die angepriesenen Emissionseinsparungen
       sind somit mit großer Vorsicht zu genießen.“
       
       In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute gut 14 Millionen Autos,
       Lastwagen und andere Fahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Der ADAC
       rechnet damit, dass der neue Sprit an den Tankstellen langsam schrittweise
       eingeführt wird. Der Preis je Liter dürfte bis zu 20 Cent über dem
       herkömmlichen B7-Diesel liegen.
       
       Der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) schätzt, dass HVO zu 80 Prozent
       gewerblich genutzt wird, also von der Speditions- und Logistikbranche. Der
       Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), bei dem 40 Prozent der
       Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, dass gewerbliche
       Flottenbetreiber die CO2-Vorgaben für ihre bestehenden Fahrzeugen mit
       HVO100 leichter erreichen.
       
       ## Verkehr verfehlt Klimaziele
       
       Kund:innen können den Kraftstoff tanken, „wenn das Fahrzeug vom
       Hersteller dafür freigegeben ist“, erklärt der Wirtschaftsverband Fuels und
       Energie (en2x). Ein „XTL“-Symbol im Tankdeckel oder die Bedienungsanleitung
       des Fahrzeugs gäben Aufschluss.
       
       Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland die Emissionen im
       Verkehrssektor 2030 im Vergleich zu 1990 um 48 Prozent reduziert haben. 20
       Prozent des bundesweiten Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen
       [3][entstehen im Verkehr], vor allem durch Pkws, Lkws und Busse mit
       Verbrennermotor. In den vergangenen Jahren hat der Sektor seine Klimaziele
       verfehlt.
       
       29 May 2024
       
       ## LINKS
       
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