# taz.de -- Cristiano Ronaldo vor EM-Auftakt: Der Gesetzte
       
       > In Portugal schauen alle auf einen älteren Kicker aus der saudischen
       > Profiliga: Das Team gruppiert sich um Cristiano Ronaldo.
       
 (IMG) Bild: Grüßt huldvoll von hinten: Portugals Führungsspieler Cristiano Ronaldo
       
       Die Heldenverehrung in Harsewinkel begann schon am Freitag. Rund 6.000 Fans
       hießen das portugiesische Team und allen voran [1][Ronaldo] frenetisch bei
       der Ankunft willkommen. Und der 39-jährige Weltstar erklärte gerührt, es
       fühle sich an, als sei er in [2][Portugal] angekommen. Das hat vermutlich
       im westfälischen Harsewinkel zuvor auch noch niemand behauptet. Die Welle
       der südeuropäischen Begeisterung schwappte dann nach Gütersloh über, wo vor
       dem Heidewaldstadion die Schwarzmarktpreise in die Höhe schnellten. Die
       begehrten eigentlich kostenlosen Tickets für das erste EM-Training von
       Ronaldo & Co wurden zu Geld gemacht. Das größte Spektakel dabei dürfte der
       Wettstreit zwischen den Ordnern und diversen Flitzern gewesen sein, die
       versuchten, mit ihrem heiligen Idol in Berührung zu kommen.
       
       In all dem Trubel um den einen Einzigartigen hat Mitspieler Vitinha zwei
       schöne vielsagende Sätze gesagt: „Wir hoffen, dass er eine große Hilfe für
       unser Team sein wird. Wir sind aber auch hier, um ihm zu helfen, damit wir
       gemeinsam so weit wie möglich kommen.“ Wir und Ronaldo – das ist erst
       einmal der portugiesische Arbeitstitel dieser EM.
       
       Kurios daran ist, dass diese Unterscheidung eigentlich durch nichts zu
       rechtfertigen ist. Der portugiesische Kader zählt zu den besten dieser EM.
       [3][Ruben Dias] und Bernardo Silva (Manchester City) oder Bruno Fernandes
       (Manchester United) gehören beispielsweise in der Premier League zu den
       Topstars, während niemand genau weiß, wie viel eigentlich genau die 44 Tore
       Ronaldos in 45 Spielen der saudischen Liga für al-Nassr FC wert sind.
       
       Die Diskussionen darum, ob Ronaldo mehr Hypothek als Hilfe für das Team
       ist, dauern nun schon einige Jahre an. Bereits bei der [4][WM in Katar]
       fiel dessen mangelnde Laufbereitschaft auf. Der ausrechenbare Ansatz, Team
       für Ronaldo, erschien dem damaligen Trainer Fernando Santos zudem für die
       K.-o.-Phase ungeeignet, weshalb er Ronaldo auf die Bank versetzte. Beim
       besten WM-Spiel der Portugiesen, beim 6:1 gegen die Schweiz, war Ronaldo
       die wenigsten Minuten auf dem Rasen. Gut bekommen ist diese Idee Santos
       dennoch nicht. Das Scheitern im Viertelfinale war dann der Anlass, sich von
       ihm zu trennen. Nachfolger [5][Roberto Martínez] machte schnell klar, dass
       Ronaldo bei ihm wieder gesetzt ist. Nach der ersten Begegnung der beiden
       erzählte Martinez, er sei von seiner Bescheidenheit überrascht gewesen.
       
       ## Ronaldo kann Lothar Matthäus überholen
       
       Befürworter von Ronaldo fühlen sich durch dessen Verlässlichkeit in der
       EM-Qualifikation (10 Tore) und die zwei Treffer im jüngsten Testspiel beim
       3:0-Erfolg gegen Irland bestätigt. Kritiker verweisen darauf, wie befreit
       das portugiesische Team aufspielt, wenn Ronaldo mal passen muss. Sollte
       Portugal bei seinem Auftaktspiel gegen Tschechien am Dienstag in Leipzig
       nicht überzeugen können, dürfte die Debatte in die nächste Runde gehen.
       
       Es wird Ronaldos sechste Europameisterschaft sein. So viele hat keiner
       bislang bestritten. Auf der Jagd nach Altersrekorden gibt es aber sogar
       einen im portugiesischen Team, der Ronaldo ausstechen kann. Verteidiger
       Pepe wäre bei einem Einsatz mit 41 Jahren der älteste Spieler, der jemals
       bei einer EM den Rasen betreten hat. Sollte er draußen bleiben, könnte
       Ronaldo zumindest Lothar Matthäus überholen, der bislang die Rangliste der
       ältesten Feldspieler bei einer EM mit 39 Jahren anführt. Sein letztes
       Turnierspiel verlor er im Jahr 2000 gegen Portugal (0:3). Das Vorrunden-Aus
       der Deutschen wurde damals auch auf den fehlenden Mut zurückgeführt, sich
       von Spielern zu lösen, die ihren Zenit weit überschritten hatten.
       
       Im Zweifelsfall dürften Ronaldo die Altersrekorde aber sowieso egal sein.
       Der Europameistertitel sei für ihn das Ziel, erklärte stellvertretend für
       Ronaldo der Abwehrspieler Diogo Dalot vor der Partie gegen Tschechien. „Er
       denkt immer in großen Dimensionen, und wir wollen ihn unterstützen, denn er
       ist unser Kapitän.“ Da kam es wieder zum Vorschein, das portugiesische
       Prinzip: das Team für Ronaldo.
       
       Heldenverehrung im Fußball ist eben nicht nur etwas für Groupies und
       Flitzer. Im Fall von Ronaldo fühlen sich offenbar sogar die Mitspieler
       verpflichtet, unentwegt dessen Ausnahmestatus hervorzukehren.
       
       18 Jun 2024
       
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