# taz.de -- Neue Messmethode für Handspiel: Chip im Ball
       
       > Durch den Einsatz technischer Hilfsmittel soll der Fußball gerechter
       > werden. Ob das gelingen kann? Der Preis: Das Spiel wird immer
       > komplizierter.
       
 (IMG) Bild: Abgestreckter Arm: Lois Openda im Duell um den Ball mit Denis Vavro beim EM-Spiel Belgieg-Slowakei
       
       BERLIN taz | Fußball ist eine einfache Sportart. Es braucht nicht viel mehr
       als einen Ball, zwei Tore und ein paar simple Regeln. Fertig. Deshalb sei
       der Fußball so populär. Diese Behauptung wird immer wieder aufgestellt,
       auch wenn sich der moderne Profifußball längst wegbewegt hat von dieser
       romantischen Vorstellung.
       
       Am Montagabend war zu beobachten, wohin sich das Spiel [1][mit der
       Einführung der Videoschiedsrichterei], des Video Assistant Referees (VAR),
       entwickelt hat. Die Intervention der Bildschirmschiris, die bei dieser EM
       in Leipzig sitzen, führte dazu, dass das vermeintliche 1:1 für Belgien
       gegen die Slowakei als irregulär gewertet wurde. Belgiens Lois Openda hatte
       in der 86. Minute den Ball, der kurz darauf von Romelu Lukaku ins Tor
       befördert worden ist, mit der Hand berührt.
       
       Umut Meler, der Referee auf dem Platz, hatte das nicht gesehen. Nachdem er
       von Videoschiri Bastian Dankert angefunkt worden war, lief er zum
       Bildschirm, der für solche Fälle am Spielfeldrand aufgestellt ist, und sah
       sich die Szene in Superzeitlupe an. Dazu bekam er eine Grafik eingeblendet,
       mit der Daten von einem Chip, der sich im Spielball befindet, visualisiert
       wurden.
       
       Der Chip reagiert auf Berührung und so konnte nachgewiesen werden, dass
       Opendas Hand tatsächlich am Ball war. Videoschiedsrichter in einem eigens
       eingerichteten Studioraum, eine Funkverbindung zum Unparteiischen auf dem
       Platz, Superzeitlupe, ein Chip im Ball – Fußball ein einfaches Spiel? Von
       wegen.
       
       ## Faktor Mensch
       
       Und doch soll es am Ende der Mensch sein, der die Entscheidung trifft. Denn
       es ist der Feldschiedsrichter, der beurteilen soll, ob ein absichtliches
       Handspiel vorlag. Nur das ist strafbar. [2][Ein paar Richtlinien sollen bei
       der Beurteilung helfen]. So soll er entscheiden, ob eine unnatürliche
       Handbewegung vorliegt. Die sei wahrscheinlicher, wenn der Arm weit
       abgestreckt vom Körper ist.
       
       Das war gewiss der Fall, als der Ball Opendas Hand berührt hat. Aber war
       das nicht dennoch eine natürliche Handbewegung im Laufduell, bei dem Openda
       seinen Körper zwischen Ball und Gegenspieler schieben wollte? Gar nicht mal
       so einfach. Schiedsrichter Meler jedenfalls annullierte das Tor, über das
       sich die Belgier schon ausgiebig gefreut hatten.
       
       [3][Aber war er wirklich frei in seiner Entscheidung?] Wenn er vom
       Videoraum an den Blildschirm gerufen wird, ist die Entscheidung nicht da
       schon gefallen? Und warum muss man sich so lange mit einer Szene befassen,
       die niemand im Stadion oder auf dem Feld als problematisch angesehen hat?
       Es sind dies die typischen Fragen nach einem Eingriff des VAR. Sie gehören
       jetzt zum Spiel. Einfach sind sie nicht zu beantworten.
       
       18 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /Bloedsinn-des-VAR/!5888589
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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