# taz.de -- Pekings Außenpolitik: Xis pragmatisches Doppelspiel
       
       > China hält sich in Richtung Moskau und Brüssel alle Optionen offen. Die
       > Zeiten, in denen sich Peking harte Positionen erlauben durfte, sind
       > vorbei.
       
 (IMG) Bild: Hält sich alle Optionen in Richtung Moskau und Brüssel offen: Xi Jinping
       
       Peking fährt seit geraumer Zeit eine ambivalente Doppelstrategie. Zu
       Russland hin sagt China ein lautes, entschlossenes „Ja“, um im Verdeckten
       die „Abers“ einzuschleusen. Zum Westen, insbesondere zu Europa, verlautet
       aus dem Machtzentrum um Xi Jinping ein klares, manchmal aggressives „Nein“.
       Dann aber, ganz in der Stille, feilscht man mit Schläue hartnäckig so weit,
       bis eine gewisse Schmerzgrenze erreicht ist.
       
       So ist es auch mit Blick auf die [1][Friedenskonferenz in der Schweiz].
       Schon Wochen vorher bemühte sich Chinas Ministerteam energisch darum,
       möglichst viele Länder von der Konferenz fernzuhalten, so ausdauernd, dass
       der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, China offen beschuldigte,
       die Konferenz zu torpedieren. Da war sie – die Schmerzgrenze. Peking
       dementierte erwartungsgemäß – ohne Selenskyj namentlich zu brüskieren – und
       hielt sich an die üblichen Floskeln: „China ist freilich am Frieden
       interessiert.“ Ja, woran denn sonst?
       
       Dass aber Peking entschlossen der Konferenz fernbleibt, trotz
       diplomatischer Bemühungen etlicher europäischer Staatsmänner und -frauen,
       zeigt über jeden Zweifel erhaben, wie fest die Treue Chinas zu Russland ist
       oder zumindest präsentiert werden soll. Denn, genauso in aller Stille,
       zogen sich die ersten Großbanken wie China Industrial and Commercial Bank,
       die Nummer eins in der Welt, aus dem Russlandgeschäft zurück und mit ihr
       eine Tochter von Zahlungsdienstleistern der Alibaba-Gruppe.
       
       All das ohne jede Vorwarnung. Und damit nicht genug: Auch eine chinesische
       Großfirma, spezialisiert auf Überwachungstechnologie, verabschiedete sich
       aus Russland. Gleichzeitig sickerte aus unterschiedlichen Kanälen, dass das
       Projekt „[2][Power of Sibiria 2]“, das russisches Gas via die Mongolei nach
       China liefern soll, ins Stocken geriet, da sich die Beteiligten nicht auf
       den Preis hätten einigen können.
       
       ## Besänftigende Signale von Xi
       
       Die Summe dieser Ungereimtheiten zwischen Peking und Moskau nährt den
       Verdacht, dass der [3][Druck aus dem Westen auf China], Russland infolge
       des Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht weiter unterstützen, doch
       gewisse Wirkung zeigt. Vielleicht nicht vehement genug, aber doch so, dass
       ein gewisser Wille Pekings durchschimmert, die Europäer nicht allzu sehr zu
       reizen.
       
       Dazu passt, dass die chinesische Führung auf die angekündigten Strafzölle,
       die die EU ab Juli für importierte chinesische Elektroautos kassieren will,
       zunächst zurückhaltend reagierte. So ist von eventuellen
       Vergeltungsmaßnahmen vorläufig nicht die Rede.
       
       Ja, man bleibe der Friedenskonferenz in der Schweiz fern, aber nur deshalb,
       so rechtfertigte Außenamtssprecherin Mao Ning, weil Peking der Konferenz
       keinerlei Erfolgschancen einräume. Dass Russland, Chinas Partner und von
       Peking totgeschwiegener Aggressor, nicht eingeladen war, ließ Mao Ning
       unerwähnt. Ob das nun bedeutet, dass – sollte es wider Erwarten doch
       Fortschritte geben und etwas wie eine „Roadmap zum Frieden“ zustande kommen
       – China Europas Friedensstifter umarmen würde? Wohl kaum.
       
       Xi Jinpings Strategie ist allzu durchsichtig und schlicht: Russland
       unterstützt man so lange, wie der Krieg dauert und Moskau wie den Westen
       bindet. Europa, das auch diesmal nicht mit einer Stimme sprechen wird, hält
       man so lange hin, wie die [4][Wirtschaftssanktionen, die die EU]
       angekündigt hat, nicht in die Tat umgesetzt werden. Denn, wie US-Präsident
       Joe Biden dieser Tage ganz richtig feststellte, China befindet sich am
       Rande eines wirtschaftlichen Kollapses.
       
       Will heißen: China droht Europa nicht mit scharfen Zähnen, wie dies einige
       Jahre zuvor gang und gäbe war, und das nicht, weil man nicht will, sondern
       weil man nicht kann.
       
       14 Jun 2024
       
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