# taz.de -- Die tazzigsten EU-Richtlinien: Wenn die EU am Frühstückstisch sitzt
       
       > Von Plastikdeckeln, über Mindestlohn bis zum Bootslack und Maßnahmen
       > gegen Burnout: Die EU hat Regeln für alle Lebenslagen. Eine Auswahl aus
       > taz-Sicht.
       
 (IMG) Bild: Europa im Alltag: EU-Graffiti in Frankfurt/Main
       
       ## Lasst die Plastikdeckel dran!
       
       „Lass mich dran“, rufen zahlreiche Plastikdeckel und warnen: Bitte nicht
       abreißen, das gehört so! Was bereits viele Hersteller an Milchkartons und
       Wasserflaschen freiwillig verändert haben, ist ab dem 3. Juli diesen Jahres
       in Deutschland verpflichtend: die „Tethered Caps“.
       
       Die festen Plastikdeckel sollen an Tetrapacks und Plastikflaschen befestigt
       sein, die ganz oder zu Teilen aus Kunststoff bestehen und ein Volumen von
       bis zu drei Litern besitzen. Die Deckel sind Teil [1][der EU-Richtlinie
       2019/904] vom 5. Juni 2019 zur „Verringerung der Auswirkungen bestimmter
       Kunststoffprodukte auf die Umwelt“. Dank ihr gibt es seit 2020 keine
       Plastiktüten an Supermarktkassen, Plastikbesteck und -strohhalme sind seit
       Juli 2021 verboten. Damit soll weniger Plastikmüll unter anderem in den
       Meeren landen.
       
       Laut Untersuchungen an europäischen Stränden am Mittelmeer, der Nord- und
       Ostsee sowie dem Atlantik sind 80 bis 85 Prozent des Meeresmülls in der EU
       Kunststoffe – bei der Hälfte handelt es sich um Einwegkunststoffartikel.
       Einen Teil davon machen Plastikdeckel aus: An der Nordsee im Durchschnitt
       auf 100 Meter Strand sind das 43 Deckel.
       
       Neben der Umweltbilanz hofft die EU auch den Recyclingprozess durch die
       festen Deckel zu verbessern. Denn die Flasche und ihre Kappe bestehen aus
       verschiedenen Kunststoffen, mit unterschiedlichem Gewicht. Die Kappen sind
       leichter und werden daher teilweise falsch aussortiert und nicht wieder
       verwertet. Spielen die Plastikdeckel überhaupt eine relevante Rolle für die
       Plastikverschmutzung?
       
       Für Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der
       Verbraucherzentrale, geht die Richtlinie nicht weit genug: „Die Kappen sind
       nur ein Detail. Insgesamt verbrauchen wir noch viel zu viele
       Einwegprodukte, die unsere Umwelt zumüllen.“ Man müsse den Fokus stärker
       auf Mehrwegangebote und sparsame Produktverpackungen legen. Anastasia
       Zejneli
       
       ## Wider das Ausbrennen
       
       Wann wohl die ersten Prognosen aus Italien kommen würden, war eine der
       Fragen, die die diensthabenden Redakteur:innen am Tag der Wahl zum
       EU-Parlament umgetrieben hat. Spät, sehr spät, lautete die Antwort. Und
       natürlich ist die zuständige Redakteurin dann noch im Dienst. So wie sie am
       Vormittag schon im Dienst war und so wie sie am Vormittag des Folgetags im
       Dienst sein würde. Klar, wirklich gesund kann das nicht sein.
       
       Das Bewusstsein dafür, wie gefährlich andauernder Stress am Arbeitsplatz
       sein kann, ist über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Die
       „Rahmenrichtlinie [2][89/391/EWG] über die Durchführung von Maßnahmen zur
       Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer
       bei der Arbeit“ jedenfalls konnte das nicht verhindern. Die gilt schon seit
       1989. Da nannte sich das, was sich später als Europäische Union verfasst
       hat, noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
       
       Gemäß der Richtlinie sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Risiken zu
       bewerten, diese den Mitarbeitenden mitzuteilen und sich über
       Präventionsmaßnahmen Gedanken zu machen. So mancher Qigong-Kurs, der in
       einem Unternehmen zur Entspannung der Angestellten angeboten wird, mag auf
       diese gute, alte Richtlinie zurückgehen. Die gilt in Zeiten, in denen
       Arbeitnehmer:innen über ihre mobilen Endgeräte eigentlich immer zu
       erreichen sind, als überholt.
       
       Schon 2021 hat das EU-Parlament die Kommission deshalb aufgefordert, eine
       neue Richtlinie auf den Weg zu bringen. Darin soll das Recht darauf
       verankert werden, nicht rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen. „Wir
       können Millionen von Arbeitnehmern in Europa nicht im Stich lassen, die
       durch den Druck ständiger Erreichbarkeit und durch übermäßig lange
       Arbeitszeiten erschöpft sind. Jetzt ist es an der Zeit, ihnen zur Seite zu
       stehen und ihnen zu geben, was sie verdienen: das Recht, nicht erreichbar
       zu sein“, [3][wird dazu Alex Agius Salbida von der maltesischen Partit
       Laburista zitiert], der Berichterstatter des EU-Parlaments für dieses
       Thema.
       
       Am Ende soll es darum gehen, die in der EU festgesetzte Höchstarbeitszeit
       von 48 Stunden in der Woche durchzusetzen. Die Europäische Stiftung zur
       Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen hat dazu eine Untersuchung
       vorgestellt, nach der Angestellte, die regelmäßig von zu Hause aus
       arbeiten, diesen Grenzwert häufig überschreiten.
       
       Wie meinte doch eine Kollegin neulich am Ende eines langen Arbeitstages
       beim Verlassen des Büros? „Ich mach den Rest dann von zu Hause aus fertig.“
       Andreas Rüttenauer
       
       ## Auf der Suche nach Alternativen zum beliebten Bootslack
       
       Viele Freizeitkapitäne erlebten im Frühjahr bei der Saisonvorbereitung eine
       böse Überraschung: Im Handel gab es kaum noch Dosen der beliebten Farbe
       VC17 M. Das ist ein sogenanntes Antifouling und war der an Binnengewässern
       effizienteste und leicht zu verarbeitende Unterwasseranstrich für Boote.
       Kommen diese nach der Winterpause wieder ins Wasser, setzen sich ohne einen
       solchen Anstrich Mikroorganismen an den Rümpfen fest und bilden eine
       Schleimschicht. Bald folgt der Bewuchs von Algen und Muscheln. Das
       verlangsamt die Fahrt der Boote und kann Rümpfe beschädigen.
       
       Deshalb wird VC17 M aufgetragen. Sein für Mikroorganismen und Pflanzen
       giftiges Kupfer verhindert Bewuchs. Durch Oxidation verwandelt sich der
       kupferfarbene Anstrich schon nach kurzer Zeit im Wasser zu dunkelgrau. VC17
       M enthält auch Teflonverbindungen, sogenannte PTFE. Die werden bei der
       Fahrt durchs Wasser abgetragen, dort aber nicht abgebaut, und können so in
       die Nahrungskette gelangen.
       
       Ein Fall für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr.
       528/2012. Diese sogenannte Biozid-Verordnung regelt Verkauf und Verwendung
       von Biozidprodukten in ganz Europa, Details in Deutschland regelt die
       Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) von 2021.
       
       Die finnische Agentur für Sicherheit und Chemikalien (TUKES) hatte im
       Rahmen eines BPR-Verfahrens (Biozidal Product Regulation) der EU auf
       Risiken des beliebten VC17 M hingewiesen. Die 2007 gegründete Europäische
       Chemikalienagentur (ECHA), eine von der EU-Kommission unabhängige Behörde
       mit Sitz in Helsinki, leitete daraufhin 2023 ein Verbotsverfahren von VC17
       M ein, das viele Segler und Motorbootfahrer aber zunächst nicht mitbekamen.
       Bereits zum Jahreswechsel stellte der niederländische Farbenkonzern
       AkzoNobel, Markführer bei VC17 M, dessen Produktion ein.
       
       Im März, wenn die meisten Boote für die neue Saison gestrichen werden, war
       VC17 M fast überall ausverkauft. Es setzte ein Run auf Restbestände an. Gab
       es noch irgendwo die blau-weißen Dosen mit dem roten Streifen, hatte sich
       ihr Preis oft verdoppelt. Bis zum 30. April 2024 durften Händler noch
       Lagerbestände verkaufen, bis zum 2. November 2024 darf die Farbe von
       Privatpersonen noch verstrichen werden. Danach nur noch von professionellen
       Werften und nur noch für Fahrten auf dem Atlantik. Mittelmeer, Ostsee und
       Binnengewässer sind tabu.
       
       Jetzt suchen Freizeitkapitäne nach Alternativen. Zwar versprechen
       Hersteller Ersatzprodukte, aber die haben sich bislang noch nicht
       durchgesetzt. Auch kann nicht jedes Antifouling einfach auf VC17 M
       aufgetragen werden. Vertragen sich unterschiedliche Farbchemikalien nicht,
       muss die alte Schicht zuvor restlos abgeschliffen werden. Eine mühsame
       giftige Drecksarbeit.Sven Hansen
       
       ## Wie niedrig darf der Stundenlohn sein?
       
       Wie viel ist eine Arbeitsstunde wert: 14 oder 15 Euro? Oder doch nur 12,82
       Euro? In Deutschland wird über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
       gestritten. Gewerkschaften, Grüne und Linke, ja selbst Olaf Scholz, wollen
       eine Untergrenze von 15 Euro. CDU und FDP sind gegen eine solche politische
       Festlegung. Denn es gibt ja noch die Mindestlohnkommission, und die hat
       festgelegt, dass der Mindestlohn von derzeit 12,41 im nächsten Jahr um –
       Haltet euch fest! – 41 Cent auf 12,82 steigt. Na gut, die ArbeitgeberInnen
       haben das ArbeitnehmerInnenlager einfach überstimmt.
       
       Doch warum streiten? Eigentlich gilt schon seit 2022 die [4][EU-Richtlinie
       über „angemessene Mindestlöhne“ (2022/2041)]. Die besagt, dass der
       Mindestlohn rund 50 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns oder 60
       Prozent des Medianlohns in dem jeweiligen Land entsprechen sollte. In
       Deutschland wären das rund 14 Euro. Die Mitgliedsländer sollen die
       Richtlinie bis Mitte November umsetzen. Es könnte so einfach sein:
       Deutschland macht mit, und von der SpargelstecherIn bis zur
       ErdbeerverkäuferIn sind alle zufrieden.
       
       Aber so einfach ist es nicht. Denn die Richtlinie gibt leider nur
       Richtwerte vor; ob und in welcher Höhe ein gesetzlicher Mindestlohn gilt,
       liegt weiterhin in der Hand des jeweiligen Landes. Für die
       SPD-Europaabgeordnete Gabi Bischoff steht dennoch fest: „Deutschland muss
       die Mindestlohn-Richtlinie umsetzen.“ In den Niederlanden und Irland sei
       der Mindestlohn zuletzt um über 12 Prozent erhöht worden – in Deutschland
       waren es 3,4 Prozent, so Bischoff zur taz. Kroatien, Zypern und Estland
       nähmen die Richtwerte der Mindestlohn-Richtlinie als Maßstab für die
       Bestimmung der Höhe des Mindestlohns. Bulgarien habe den Wert von 50
       Prozent des Durchschnittslohns gesetzlich festgeschrieben. Bischoff findet:
       „Aus europäischer Sicht hinkt die Debatte in Deutschland ziemlich
       hinterher.“ Anna Lehmann
       
       ## Ende einer Brückentechnologie
       
       Am Samstag, dem 1. September 2012, ist die vierte Stufe des europäischen
       Glühlampenausstiegs in Kraft getreten. Seitdem sind fast alle Glühlampen
       zwar nicht ganz verboten, aber sie können, brennt ein Glühfaden durch, nur
       noch durch energiesparende Kompaktleuchtstofflampen, Halogen- oder
       LED-Lampen ersetzt werden. Mit der wohlklingenden [5][Änderungsverordnung
       2023/2049/EU] wird die Energiesparlampe nun zur Brückentechnologie. Auch
       sie darf seit dem vergangenen Jahr in den Ländern der Europäischen Union
       nicht mehr in Umlauf gebracht werden.
       
       Das Ende kommt nach zahlreichen Einzelschritten. Die Ökodesign-Richtlinie
       [6][2005/32/EG] setzte den Startschuss für das deutsche „Gesetz über die
       umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte“.
       Unterschiedliche Generaldirektionen der Europäischen Kommission
       überarbeiteten die verschiedenen Richtlinien und Verordnungen des
       Glühlampenausstiegs seitdem immer wieder.
       
       Das habe zu Verwirrung geführt, sagt Christoph Mordziol vom Umweltbundesamt
       der taz. „Die Regelungen waren nicht aufeinander abgestimmt.“ Auch deshalb
       ließe sich nicht genau sagen, wie viel Energie durch die eine oder andere
       Verordnung wirklich eingespart wurde. Der wichtigste Schritt steht aber
       noch bevor: In Büros, Parkhäusern, U-Bahnhöfen und Gewerberäumen müssen
       Leuchtstofflampen seit 2023 durch noch einmal deutlich sparsamere
       LED-Lampen ersetzt werden. Das Energiesparpotenzial dabei übertreffe selbst
       das des Glühlampenausstiegs von Privathaushalten bei Weitem.
       
       Allerdings bringe es auch einige Schwierigkeiten mit sich: Leuchtenkästen
       seien darauf ausgelegt, Licht auf eine bestimmte Art und Weise zu
       verteilen, die mit flächig strahlenden LEDs nicht kompatibel sei. Auch
       seien diese nur eingeschränkt sockeltauglich – „rausdrehen, reindrehen,
       damit ist es nicht getan“. Gewerbetreibende sollten sich deswegen früh
       Hilfe beim Umrüsten suchen. Raoul Spada
       
       ## Smart ausgesperrt
       
       In der Software des vernetzten Türschlosses muss ein Fehler sein. Anders
       ist es nicht zu erklären, dass ein Unbefugter die Tür öffnete, die Wohnung
       in aller Ruhe durchwühlte und mitnahm, was sich zu Geld machen ließ. Klingt
       nach Science-Fiction? Vielleicht. Aber vernetzte Türschlösser gibt es
       längst und je weiter sie sich verbreiten, desto häufiger kann es zu Problem
       kommen. Dann können Unbefugte rein, oder Befugte müssen draußen bleiben.
       
       In immer mehr Gegenständen steckt Software: In den aktuellen Generationen
       von Autos, Waschmaschinen und Stromzählern, und ohnehin in Geräten wie
       Staubsaugerrobotern und Smartphones oder in der Ausstattung für die
       vernetzte Haussteuerung von Thermostat bis Rollladen. Weil unsere
       Alltagsgeräte zunehmend mit Software ausgestattet werden, erneuert die EU
       auch die [7][Produkthaftungsrichtlinie 2022/0302] – die alte würde im
       kommenden Jahr 40 werden.
       
       Die wichtigste Neuerung: Auch Software gilt als Produkt. Der Hersteller
       soll haftbar sein, wenn durch sie eine Sache oder eine Person zu Schaden
       kommt. Verbraucherschützer:innen begrüßen, dass auch anerkannte
       Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit als Schaden gelten sollen.
       Auch eine bisher geltende Schadensmindestgrenze von 500 Euro für eine
       Rückerstattung soll wegfallen.
       
       Doch leicht wird es Verbraucher:innen trotzdem nicht gemacht. Zwar muss
       unter bestimmten Bedingungen der Hersteller beweisen, dass es kein Fehler
       in seinem Softwareprodukt war, der zu dem Schaden geführt hat – und nicht
       die:der Betroffene, also dass ein Fehler die Ursache war.
       
       Doch diese Erleichterung gilt erst im Gerichtsverfahren. Um dorthin zu
       kommen, brauchen Verbraucher:innen also weiterhin umfangreichen
       technischen Sachverstand oder eine entsprechende Beratung und die dafür
       benötigten finanziellen Mittel. Wirksam werden sollen die Regeln nach einer
       Übergangsfrist im Jahr 2026 – genügend Zeit, um sich gründlich mit dem
       smarten Türschloss zu beschäftigen. Svenja Bergt
       
       ## Jede Menge Kabel
       
       Eine Schublade voller Kabel, das eine für die Digitalkamera, das andere für
       die Kopfhörer, das dritte für den Laptop und dann noch eins fürs Handy –
       damit soll bald Schluss sein. Ab Herbst 2024 dürfen in der EU nur noch
       mobile Elektrogeräte verkauft werden, die über ein USB-C-Kabel aufgeladen
       werden können.
       
       Auf das einheitliche Ladekabel drängt das EU-Parlament schon seit mehr als
       10 Jahren, doch erst 2021 legte die Europäische Kommission einen
       entsprechenden Vorschlag vor. 2022 verabschiedete das EU-Parlament die
       Richtlinie 2022/2380, der Bundestag setzte sie im Frühjahr 2024 um. Ab
       diesem Herbst ist der USB-C Anschluss Pflicht für Mobilgeräte. Im Jahr 2026
       sollen außerdem Laptops folgen.
       
       Die Maßnahme soll Elektroschrott reduzieren, jährlich 11.000 Tonnen davon
       fallen laut Bundeswirtschaftsministerium alleine durch die verschiedenen
       Ladegeräte an. Verbraucher*innen sollen außerdem Geld sparen, laut
       Schätzungen der EU geht es um jährlich 250 Millionen Euro. Die Richtlinie
       enthält zudem Regeln für die Etikettierung von Elektrogeräten. Hersteller
       müssen künftig deutlicher kennzeichnen, wie Geräte aufgeladen werden
       können. Verbraucher*innen sollen somit leichter erkennen, ob sie für
       ein neues Gerät ein neues Ladekabel benötigen.
       
       Besonders ein Hersteller hatte lange gegen die Vereinheitlichung der
       Ladebuchse lobbyiert, nicht ohne Grund wird die Richtlinie von manchen auch
       „Anti-Apple-Gesetz“ genannt. Während andere Hersteller schon längst auf
       USB-C-Anschlüsse umgerüstet haben, verkaufte der iPhone-Hersteller seine
       Handys bislang mit seinem eigenen „Lightning-Kabel“. Auf die Einnahmen aus
       dem Verkauf dieser Kabel muss Apple künftig verzichten, ebenso auf Geld aus
       „Lightning-Lizenzen“, die jeder, der ein Lightning-Kabel oder anderes
       Zubehör herstellt, an Apple bezahlen muss. Die neue europäische
       Ladekabeleinheit hat auch Auswirkungen auf den Weltmarkt: Das neuste
       iPhone, das Apple im September 2023 auf den Markt brachte, wird weltweit
       mit einer USB-C-Ladebuchse verkauft. Luisa Faust
       
       ## Kicken ohne Gummikugeln
       
       Die Reaktionen fielen so aus, wie so oft, wenn eine neue Regel aus Brüssel
       diskutiert wird. Es wurde Panik gemacht. Wer Schlagzeilen las wie
       [8][„Geplantes Kunstrasenverbot bedroht Amateur-Fußball“] musste es mit der
       Angst zu tun bekommen. Ist Europa gerade dabei, das Ende von Deutschland
       als Fußballnation zu besiegeln? Bevor das später als REACH-Verordnung
       bekannt gewordene Regelwerk „zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und
       Beschränkung chemischer Stoffe hinsichtlich synthetischer
       Polymermikropartikel“ ([9][Nr. 1907/2006]) Ende des vergangenen Jahres in
       Kraft getreten ist, waren die Befürchtungen in den deutschen Amateurklubs,
       deren Teams meist auf Kunstrasen spielen, jedenfalls groß.
       
       Jene Kunststoffkügelchen, die meist aus alten Autoreifen hergestellt
       werden, sollen dafür sorgen, dass Spielerinnen und Spieler beim Tackling
       mit der Arschbacke auch mal ein paar Meter über den Rasen rutschen können,
       ohne sich allzu schwere Abschürfungen zuzuziehen. Die meisten Gemeinden und
       Klubs können mit der Verordnung jetzt, wo sie gilt, ganz gut leben.
       
       Zum einen war schon seit 2019 klar, dass die EU gegen die Verbreitung von
       Mikroplastikpartikeln in der Umwelt etwas unternehmen möchte. Zum anderen
       muss das Gummigranulat erst in acht Jahren von den Sportanlagen
       verschwunden sein. Bis dahin müssen die meisten Plätze eh einer Sanierung
       unterzogen werden. Und für die Gummikügelchen gibt es längst auch schon
       Ersatzprodukte. Die einen probieren es mit Kork. Andere setzen auf Sand.
       Wieder andere warten noch ab, bis es eine umweltverträgliche Lösung gibt,
       die den Eigenschaften der Gummikügelchen irgendwie ähnlich sind.
       
       Die grünen Kunstrasenhalme selbst sind von der Verordnung nicht betroffen.
       Und so sind die rund 24.000 Quadratmeter Plastikrasen, die in Berlin vor
       dem Brandenburger Tor verlegt worden sind, um der Fanmeile in der
       Hauptstadt ein grasgrünes EM-Outfit zu verpassen, vollkommen EU-konform.
       Andreas Rüttenauer
       
       ## Wenn die EU am Frühstückstisch sitzt
       
       Wer heute einen üblichen Supermarkt-Honig kauft, kann sich beim Lesen des
       Etiketts schnell veralbert fühlen. Denn ein typischer Satz darauf lautet:
       „Mischung von Honig aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern.“ Damit ist nicht
       gemeint, dass eine Imkerin ihre Bienen genau an der Grenze von
       beispielsweise Österreich und der Schweiz fliegen lässt und man daher nicht
       so genau sagen kann, ob die Honigquelle in- oder außerhalb der EU liegt.
       Sondern: Was genau im Glas ist, will der Hersteller nicht verraten. Das
       schöne ist: Spätestens zum Sommer 2026 wird der Satz verschwinden.
       
       Bei Honigmischungen müssen dann die Herkunftsländer und ihr jeweiliger
       Anteil angegeben werden. Verbraucher:innen können also sehen, was hier
       gegebenenfalls zusammengerührt wurde – und auf dieser Basis ihre
       Kaufentscheidung treffen. Wobei der Deutsche Imkerbund kritisiert, dass es
       noch ein kleines Schlupfloch gibt: So können die EU-Mitgliedsstaaten
       entscheiden, ob bei ihnen nur die vier größten Anteile angegeben werden
       müssen. Das ist möglich, wenn diese zusammen mehr als die Hälfte der
       Mischung ausmachen.
       
       Die Honig-Regelung ist Teil der im April verabschiedeten Novelle
       [10][2023/0105]. Diese enthält vier Richtlinien, die gerne bei ihrem
       Kosenamen genannt werden: Frühstücksrichtlinien. Neben Honig geht es
       nämlich auch um Konfitüre, Saft und Trockenmilch. So gibt es für Konfitüren
       künftig Mindestmengen für den Obstanteil.
       
       Und bei Saft werden neue Kennzeichnungskategorien eingeführt, die der
       steigenden Nachfrage nach zuckerreduzierten Getränken gerecht werden
       sollen. Anders als beim Honig könnten die Saftbeschriftungen aber auch für
       mehr Verwirrung sorgen. Denn der Unterschied zwischen „zuckerreduziertem
       Fruchtsaft aus Konzentrat“ und „konzentriertem zuckerreduziertem
       Fruchtsaft“ wird wohl den wenigsten auf den ersten Blick klar sein. Dann
       zum Trinken vielleicht doch lieber Wasser. Oder einen Bee’s Knees Mocktail
       – mit regionalem Honig. Svenja Bergt
       
       9 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32019L0904
 (DIR) [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A31989L0391
 (DIR) [3] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210114IPR95618/parlament-recht-auf-nichterreichbarkeit-soll-in-der-eu-grundrecht-werden
 (DIR) [4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32022L2041
 (DIR) [5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32023R2049
 (DIR) [6] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ%3AL%3A2005%3A191%3A0029%3A0058%3Ade%3APDF
 (DIR) [7] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM%3A2022%3A495%3AFIN%3ADE%3AHTML
 (DIR) [8] https://www.welt.de/politik/article197156495/Breitensport-Geplantes-Kunstrasenverbot-der-EU-bedroht-Amateur-Fussball.html
 (DIR) [9] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32023R2055&qid=1695982167507
 (DIR) [10] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A52023PC0201
       
       ## AUTOREN
       
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       Im deutschen Europawahlkampf häufen sich Angriffe auf Politiker:innen –
       oft auf Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Blick nach NRW.
       
 (DIR) Europawahlen ab 16: Jung, europäisch, planlos
       
       Am Sonntag dürfen erstmals auch 16- und 17-Jährige wählen. Ist das ein
       Chance für die Demokratie? Und was sagen junge Menschen dazu?
       
 (DIR) Appell von Shoah-Überlebenden vor Wahl: „Gebt eure Stimme für die Zukunft“
       
       Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus und die AfD: Holocaust-Überlebende
       appellieren an EU-Bürger, zur Wahl zu gehen. Ihre Botschaft ist deutlich.
       
 (DIR) EU-Paket zur Asylpolitik: Reform für mehr Abschreckung
       
       Jahrelang rang die EU um eine neue Asylpolitik. Menschenrechtler rechnen
       mit mehr illegalen Pushbacks und einem kruden Geflecht an Sonderregeln.