# taz.de -- Splash!-Urgestein über HipHop: „Rap ist oft immer noch sexistisch“
       
       > Ron Schindler ist seit 26 Jahren Teil vom splash! und weiß: Vieles hat
       > sich verändert. Es gibt weniger Sexismus, ein Awareness- Team, und mehr
       > Geld.
       
 (IMG) Bild: Die Hauptbühne des größten deutschen HipHop-Festivals splash! auf der Halbinsel Ferropolis in Sachsen-Anhalt
       
       taz: Ron, das erste splash! fand 1998 [1][in Chemnitz] statt. In einer
       Zeit, in der Neonazis dort ein riesiges Problem waren und es auch auf
       Kulturschaffende abgesehen hatten. Wie konnte das [2][Festival mit vielen
       nichtweißen Künstlern] damals bestehen? 
       
       Ron Schindler: Wir waren in Chemnitz zu der Zeit eine kleine
       [3][HipHop-Szene] und in ganz Deutschland vernetzt. Die Idee, ein Festival
       zu machen, ist ganz natürlich entstanden und wir waren dabei ziemlich naiv.
       Es hat sich niemand einen Kopf darüber gemacht, dass es Gegenwind von
       Rechten geben könnte. Obwohl Neonazis präsent im Stadtbild waren, immer
       wieder Jugendclubs überfallen haben. Und wenn man sich so angezogen hat wie
       wir, also mit weiten Hosen und Cap, war man automatisch deren Feind. Ich
       musste damals auch vor Neonazis wegrennen – nur wegen meiner Kleidung. Beim
       splash! gab es aber, soweit ich mich erinnern kann, keine Probleme damit.
       
       Wie warst du damals involviert? 
       
       Ich war nie wirklich Teil der Organisation. Aber wir waren eine kleine Crew
       in Chemnitz. Jeder kannte jeden und war automatisch dabei. Ich hatte also
       auch ein Funkgerät in der Hand und musste mich um Probleme beim Festival
       kümmern. In den ersten Jahren habe ich auch als Pressesprecher gearbeitet.
       Im Laufe der Zeit hat sich das splash! professionalisiert, ich habe mich
       mehr um mein Plattenlabel gekümmert, wir saßen aber weiter im selben Büro
       wie das splash!. Natürlich habe ich alles mitbekommen.
       
       Und wie ist es heute? 
       
       Heute bin ich wieder näher dran, lade Menschen aus unserem Netzwerk ein, um
       das splash! weiterhin als Hiphop-Knotenpunkt zu etablieren, bei dem sich
       Menschen aus der Szene austauschen können.
       
       Die Doku über die 25-jährige Geschichte des Festivals, für die du viele
       Interviews geführt hast, ist sehr nah dran. Es gibt zwar kritische Stimmen,
       aber letztlich können sich alle auf das splash! einigen. Inwiefern war ein
       neutraler Blick überhaupt möglich, obwohl du immer irgendwie involviert
       warst? 
       
       Klar haben wir eine gewisse Nähe zum Festival. Auch der Produzent der Doku,
       Rene Kästner, der viele Jahre den Write4Gold-Graffiti-Contest beim splash!
       gestaltet hat. Wir sind aber objektiv genug, um zu verstehen, dass nicht
       alles geil war, was dort passiert ist. Deswegen gibt es auch kritische
       Töne. Wir wollten eine Diskussion anleiern. Um unsere Nähe zu kompensieren,
       lag die redaktionelle Hoheit außerdem bei MDR, ARD Kultur & rbb Fritz.
       
       Der Rapper Gzuz wurde 2018 auf dem splash! übergriffig und später dafür mit
       einem Strafbefehl belangt. 2019 gab es Probleme mit rechten
       Security-Mitarbeitenden. Auch das gehört zur Geschichte des splash!, findet
       in der Doku aber nicht statt. Warum? 
       
       Bewusst ausgespart haben wir das nicht. Wir haben viel mit vorhandenem
       Videomaterial gearbeitet. Es war wichtig, alles bebildern zu können. Ich
       weiß, dass es einen Vorfall mit Gzuz gab. Er wurde daraufhin vom Festival
       geschmissen und in den nächsten Jahren auch nicht mehr gebucht. Auch wegen
       der rechten Security gab es berechtigterweise viel Kritik. Es wurde seitdem
       ein großes Awareness-Team beim Festival etabliert, auch um Übergriffe oder
       negativ auffallende Security-Mitarbeiter*innen zu melden.
       
       Lange traten, auch das thematisiert die Doku, so gut wie keine Frauen beim
       splash! auf. Seit wenigen Jahren ist das anders. Warum erst jetzt? 
       
       Rap war und ist teilweise immer noch sehr sexistisch. Es gab dadurch lange
       wenige Role-Models für Frauen in der Szene. Das hat sich im Laufe der
       letzten Jahre stark geändert. Rapperinnen haben denkwürdige Konzerte beim
       splash! gespielt. Shirin David hat da zum Beispiel eine Vorreiterrolle.
       
       Inwiefern? 
       
       Sie hat jungen Frauen gezeigt, dass es möglich ist, sich in dieser von
       Männern dominierten Gesellschaft und insbesondere in der Rapszene
       durchzusetzen.
       
       Eine Szene in der Doku zeigt, wie 2005 wütende Menschen im Publikum
       Gegenstände auf Sido werfen. Der Vorwurf damals: Kommerz. Heute verkaufen
       Rapper*innen Vapes und Tiefkühlpizza. Wie hat sich HipHop und damit auch
       das splash! verändert? 
       
       Am Anfang war HipHop in Deutschland nur eine kleine popkulturelle Nische.
       Anfang der 2000er gab es dann aber einen ersten Deutschrapboom und davon
       hat das splash! natürlich profitiert. Mittlerweile ist Rap eines der
       erfolgreichen Musikgenres der Welt, das hat für eine enorme
       Kommerzialisierung gesorgt. Dass es Rapper:innen gibt, die Pizzen
       verkaufen, spiegelt ja auch, was mittlerweile alles möglich ist. Das
       splash! hat sich in all der Zeit als Gradmesser dafür verstanden, was in
       der Szene passiert, was gehypt ist.
       
       Viele Künstler*innen sprechen über ihre wichtigsten Momente beim splash!
       Was waren für dich in all den Jahren die denkwürdigsten Auftritte? 
       
       Zum einen der Jay-Z-Auftritt 2008. Dass ein Künstler in der Größenordnung
       kommt, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Er ist finanziell
       unerreichbar. Damals sind Rapper aus den USA, die gebucht waren, oft auch
       einfach nicht aufgetaucht. Ihn dann wirklich spielen zu sehen, war ein
       großer Moment. Der zweite Moment war 1999. Als das Festival eigentlich
       schon vorbei war, haben sich die Leute, die noch da waren, zusammengefunden
       und gefreestylt. Wir haben dazu aufgelegt, es war superdunkel. Das hatte
       etwas Anarchisches. Da gehen einfach irgendwelche Leute auf die Bühne und
       machen ihr Ding, nichts war durchgeplant. Das wäre auf einem großen
       Rockfestival unvorstellbar gewesen.
       
       Mittlerweile ist auch das Splash! ein kommerzielles Großevent. Gibt es noch
       diese anarchischen Momente? 
       
       Auf kleineren Bühnen passiert mal was Unvorhersehbares. Und auf dem
       Zeltplatz passieren natürlich viele anarchische Momente, die man gar nicht
       beeinflussen kann.
       
       Oder der Wiener Rapper Money Boy, der völlig zugedröhnt bei der Gruppe Die
       Orsons auf die Hauptbühne geht und Saft verschüttet, um die Monitorboxen
       zu zerstören. 
       
       Stimmt, das ist ein Moment, über den viel gesprochen wurde. Ich weiß nicht,
       ob so was auf anderen Festivals möglich wäre. Money Boy wurde dann aber
       trotzdem vom Gelände verwiesen.
       
       Das Partnerfestival Melt findet in diesem Sommer zum letzten Mal statt.
       Sicher auch, weil Indiebands, die einst prägend fürs Melt waren, keine
       große Rolle mehr spielen. Könnte auch das splash! an der musikalischen
       Entwicklung zugrunde gehen? 
       
       Die Frage stellen wir uns auch in der Doku. Was kann Rap heutzutage sein?
       Die Trendwende hin zu elektronischer Musik, die gab es vor 15 Jahren auch
       schon mal. Es wird deswegen aber in den nächsten Jahren nicht alles nach
       Techno klingen, sondern es werden wieder andere Strömungen in das Genre
       einfließen. Die Stärke von Rap ist ja, dass er sich an jeder Musikrichtung
       bedienen kann. Das splash! ist wiederum ein Ort für jüngere Generationen,
       darum bleibt es am Puls der Zeit und so auch überlebensfähig.
       
       30 Jun 2024
       
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