# taz.de -- Fußball-EM der sprachlichen Minderheiten: Reich durch Vielfalt
       
       > Norddeutschland und Süd-Dänemark sind Gastgeber der Fußball-EM für
       > sprachliche Minderheiten. 33 Mannschaften aus zwölf Ländern treten
       > gegeneinander an.
       
 (IMG) Bild: Eröffnung der Europeada: Bei der Europameisterschaft der Minderheiten stehen Freundschaft und Frieden im Vordergrund
       
       BREMEN taz | Den größten Lacher heimste bei der Eröffnung der
       Fußball-Europameisterschaft der sprachlichen Minderheiten (Europeada) am
       Samstag im dänischen Gymnasium A. P. Möller-Skolen in Schleswig
       Ministerpräsident Daniel Günther ein. Er habe gelesen, „dass der Sieger
       Schleswig-Holstein bekommt“, sagte Günther in Anspielung auf das abendliche
       Duell Deutschland gegen Dänemark bei der „großen“ EM.
       
       Bei der „kleinen“ EM, der Europeada, treffen bis kommenden Sonntag 33 Teams
       aus 12 europäischen Ländern in 14 Stadien zwischen Apenrade in Süddänemark
       und Eckernförde im Norden Schleswig-Holsteins aufeinander. Zu den
       Gastgebern gehören die vier im Grenzland anerkannten Minderheiten: die
       Dänen in Deutschland, die Deutschen in Dänemark, die Nordfriesen sowie die
       Sinti und Roma. Veranstalter ist die [1][Föderalistische Union Europäischer
       Nationalitäten] (FUEN), die ihren Hauptsitz in Flensburg hat.
       
       Den ernsten Hintergrund des Günther-Witzes machte Vizekanzler und
       Flensburger Robert Habeck in einer Videobotschaft deutlich. „Vor 160 Jahren
       war die Region zwischen Kolding und Schleswig so was wie der Donbass
       Europas“, sagte Habeck, der als Schirmherr der Europeada fungiert. „Unsere
       Urgroßväter haben sich totgeschossen und die Köpfe eingeschlagen, wegen
       Sprachkonflikten wurden Kriege geführt, wegen kultureller Zugehörigkeit
       haben sich Nachbarn und Freunde zu Feinden verwandelt. Aber diese Orte, wo
       die Schlachtfelder der Vergangenheit waren, sie sind heute Zentren der
       Begegnung.“
       
       Es war naheliegend, dass die [2][Europeada] nach Stationen bei den
       Rätoromanen, Sorben, Südtirolern und Kärntner Slowenen auch in diese Region
       kommt. Die Grenzregion Deutschland-Dänemark gilt heute als Vorbild für
       friedliche Koexistenz der Minderheiten untereinander, aber vor allem auch
       zwischen Minderheit und Mehrheitsbevölkerung. Dass dies in Europa keine
       Selbstverständlichkeit ist, zeigt auch die Absage des ursprünglich
       gemeldeten Teams der Krimtataren, das wegen des Krieges in der Ukraine
       nicht kommen konnte.
       
       Der Zufall wollte es, dass am Tag der Eröffnung der Europeada auch das
       [3][Achtelfinalspiel zwischen Deutschland und Dänemark] bei der UEFA-EM
       stattfand. Natürlich wurde das gemeinsam zelebriert, im Flensborghus, dem
       Zentrum der dänischen Minderheit in Flensburg. „Das letzte Mal haben wir
       ein Public Viewing veranstaltet, als wir einen [4][neuen König bekommen
       haben]“, sagte dazu Rasmus Meyer, Kommunikationschef des Südschleswigschen
       Vereins (SSF) kurz vor dem Anpfiff.
       
       Naturgemäß dominierten im Flensborghus am Samstagabend rote Trikots und der
       Dannebrog, die dänische Flagge. Vereinzelt mischten sich aber auch
       Deutschland-Shirts und schwarz-rot-goldene Kopfbedeckungen unter die gut
       200 Zuschauer im dicht gefüllten Saal. „Wir erwarten einen deutschen Sieg
       mit 2:1“, sagte Stefan Brückner vor Spielbeginn. Er kommt aus Cottbus und
       ist mit seiner Familie nach Flensburg angereist, um seinen Neffen zu
       unterstützen; der tritt in der Auswahl der Sorben bei der Europeada an.
       
       Kurz vor Anpfiff betrat dann auch noch ein Team in grünen Trikots den Raum.
       Der FC Pobeda, der die bulgarische Minderheit in Rumänien vertritt, hat in
       der Nähe sein Quartier aufgeschlagen und guckte sich das deutsch-dänische
       Spektakel nun als neutraler Beobachter an. Nicht dabei war das Heimteam der
       dänischen Minderheit. Die Südschleswiger guckten das Spiel in ihrem
       Teamhotel am Hafen, um vor dem ersten Spiel am Sonntagmorgen um 11 Uhr
       nicht mehr abgelenkt zu werden.
       
       Die ersten Jubelrufe der deutschen Anhänger gingen schnell in den lauteren
       Jubel auf der dänischen Seite über, als der Kopfballtreffer von Nico
       Schlotterbeck annulliert wurde. Insgesamt war die Stimmung konzentriert,
       aber entspannt. Die [5][Regenunterbrechung in Dortmund] störte niemanden;
       eine Gelegenheit zum Bierholen oder Smalltalk. „Unser Mann in Berlin“,
       sagte eine Frau, als [6][Stefan Seidler] gerade vorbeilief. Seidler sitzt
       für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) im Deutschen Bundestag. Der
       SSW hat ebenfalls im Flensborghus sein Hauptquartier.
       
       „Unser Mann in Dortmund“, das dachte am Samstag im Flensborghus so mancher
       immer dann, wenn der deutsche Co-Trainer Mads Buttgereit ins Bild kam.
       Buttgereit ist in Dänemark geboren, in Flensburg aufgewachsen und ebenfalls
       Teil der dänischen Minderheit. Bevor er als Standardtrainer die Ecken und
       Freistöße des DFB-Teams einstudierte, war er in gleicher Funktion für die
       Dänen zuständig.
       
       Der kurze Gefühlsausbruch nach dem vermeintlichen dänischen Führungstreffer
       ließ erahnen, welche Party hier noch abgegangen wäre, wenn der Treffer von
       Joachim Andersen gezählt und Dänemark vielleicht sogar gewonnen hätte. Es
       sollte nicht sein, das Viertelfinale der EM wird ohne Dänemark stattfinden.
       
       Wer es bei der [7][Europeada ins Viertelfinale schafft,] das stellt sich
       bis zum 2. Juli heraus. Mitgefiebert und gejubelt jedenfalls wird auch
       dort. Frenetisch sogar, als am Sonntagmorgen das Team der Slowenen aus
       Italien gegen das favorisierte Team der Furlaner aus dem ebenfalls
       italienischem Friaul mit 2:0 in Führung ging. Von Dauer allerdings war auch
       dieser Jubel nicht: Am Ende stand es im Flensburger Idraetsparken 4:2 für
       die furlanische Auswahl, die neben den Südtirolern zu den Turnierfavoriten
       zählt.
       
       „Wir leben in Italien nebeneinander und fahren hierher, um gegeneinander zu
       spielen“, sagte Eugen Ban, Generalsekretär des Sportverbandes der Slowenen
       in Italien. Die Europeada sei wichtig, damit ihre Minderheiten für die
       Mehrheitsgesellschaft in Italien sichtbarer werden. „Wir sind reich“, sagte
       er. „Nicht an Geld. Aber das Zusammenleben von vier Kulturen, der
       slowenischen, italienischen, furlanischen und deutschen, macht uns
       reicher.“
       
       Das Wichtigste aber sei, mit dem Fußball für Zusammenarbeit, Freundschaft
       und Frieden zu werben. Und so verspeisten die beiden Teams aus Norditalien
       nach hartem Kampf auf dem Platz die Spaghetti Bolognese gemeinsam an der
       deutsch-dänischen Grenze.
       
       1 Jul 2024
       
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