# taz.de -- Deutschland im EM-Viertelfinale: Übermächtige Instanzen
       
       > In den Gewalten von Gewitter und VAR-Eingriffen hat Deutschland das
       > Viertelfinale erreicht. Nagelsmanns zartes Pflänzchen zeigt sich
       > unberechenbar.
       
 (IMG) Bild: Nagelsmanns zartes Pflänzchen darf weiter wachsen: das DFB-Team
       
       Unberechenbare Kräfte haben in diese so bedeutungsvolle Partie der
       Deutschen eingegriffen. Nach all den Pleiten der vergangenen Turniere war
       der Druck nicht gerade gering. Die offensichtlichsten waren dabei nicht
       einmal die entscheidenden. Die zackigen Blitze, die dem unmittelbaren
       Donnergrollen nach in bedrohlicher Nähe waren, sorgten für eine über
       zwanzigminütige Spielunterbrechung in der ersten Hälfte. Angehalten wurde
       die Partie obendrein durch den Videobeweis, der zwei Entscheidungen des
       Schiedsrichters zugunsten des DFB-Teams drehte. Ein Treffer des Dänen
       Joachim Andersen wurde im Nachhinein aberkannt, sein Handspiel nur wenige
       Minuten später im eigenen Strafraum dafür nachträglich mit einem
       Elfmeterpfiff geahndet.
       
       „Bizarr“ nannte später Torhüter Manuel Neuer diese Minuten, in denen sich
       Naturgewalt und die [1][übermächtige Videoschiedsrichterinstanz] meldeten.
       Einer der Begünstigten, Kapitän İlkay Gündoğan, räumte gerade bei der
       Bewertung von natürlichen und unnatürlichen Handbewegung per Videoanalyse
       seine grundsätzlichen Bedenken ein. „Das ist sehr subjektiv. Da wird
       versucht, gewisse Regeln zu machen.“
       
       Was den [2][Viertelfinaleinzug gegen Dänemark] aber so kompliziert machte,
       hatte letztlich viel mit der eigenen Unberechenbarkeit zu tun. Dieses Team
       kann viel Wucht erzeugen und hat im nächsten Moment mit Unwuchten der
       eigenen Balance zu kämpfen. „Ein insgesamt wildes Spiel“ hatte
       Bundestrainer Julian Nagelsmann gesehen. Die ersten 15 Minuten hob er
       hervor, als er gefragt wurde, wie weit seine Elf denn von seinen
       Idealvorstellungen entfernt sei. In der Anfangsphase stimmte abgesehen vom
       erfolgreichen Torabschluss fast alles. Dem rasanten Passspiel der Deutschen
       waren die Dänen nicht gewachsen.
       
       Die dann plötzlich schwindende Gefährlichkeit und wachsende Fehlerzahl im
       Spiel gegen den Ball erklärte Nagelsmann mit zu großem Eifer. „Wenn wir
       dann jeden Ball in die Mitte knallen, Risikopässe spielen, sind wir oft
       nicht gestaffelt genug.“
       
       ## Duo namens Schlottiger
       
       Die erstmals bei dieser EM zusammenspielenden Innenverteidiger Antonio
       Rüdiger und Nico Schlotterbeck mussten schon nahe am Optimum spielen, um
       die gefährlichen dänischen Konter zu entschärfen. Und auch Manuel Neuer
       hatte seinen Anteil daran. Nach [3][dem Duo Wusiala] wäre in Dortmund
       womöglich eines namens Schlottiger aus der Taufe gehoben worden, wenn es
       sich nur nicht so doof anhören würde. Nagelsmann wird sich mit dem
       „Luxusproblem“, wie er sagte, herumschlagen müssen, wen er bei der nächsten
       Partie aufstellen wird, wenn der gelb gesperrte Jonathan Tah zurückkehrt.
       Der Dortmunder Schlotterbeck konnte vor heimischer Kulisse sogar mit einer
       Offensivaktion glänzen. Sein wunderbar weiter Pass in den Lauf von Jamal
       Musiala ermöglichte erst den zweiten Treffer. Die Uefa kürte Rüdiger zum
       „most valuable player“ dieser Partie. Manuel Neuer ernannte Schlotterbeck
       zum „heimlichen MVP“. Seinen Patzer kurz vor Halbzeitpfiff, als er Rasmus
       Höjlund durch eine Unaufmerksamkeit in Szene setzte, sah er ihm offenbar
       nach.
       
       Als „zartes Pflänzchen“ hatte Nagelsmann sein Team Mitte Mai bezeichnet, um
       es bei all den großen Erwartungen unter einen gewissen „Naturschutz“ zu
       stellen. Dieses Pflänzchen hätte am Samstagabend trotz aller keimenden
       Triebe jämmerlich auf dem Abräumtisch dastehen können. Es brauchte nicht
       viel Fantasie, um sich das vorzustellen. Mit dem EM-Viertelfinaleinzug kann
       der Wachstumsprozess nun schon unter gesicherteren Rahmenbedingungen
       garantiert werden.
       
       ## Mangelnde Effizienz
       
       Neben der fehlenden Balance bleibt ein weiteres Problem die mangelnde
       Effizienz. Kai Havertz allein hatte aus dem Spiel heraus drei prächtige
       Chancen für einen Treffer. Immerhin erzielte er in der 53. Minute sein
       zweites Elfmtertor in diesem Turnier, was das deutsche Spiel ungemein
       beruhigte. Die Debatte, ob nicht besser Niclas Füllkrug von Anfang an
       spielen würde, hat aber weiter neue Nahrung bekommen. Nicht wenige hatten
       mit ihm in der Startelf gerechnet, stattdessen überraschte Nagelsmann mit
       Leroy Sané, der seine Schnelligkeit auf dem rechten Flügel jedoch weit
       weniger ausspielen konnte als erhofft.
       
       Nagelsmann ist weiter intensiv damit befasst, sein Pflänzchen weiter
       aufzupäppeln. Sané, lobte er, habe es in der zweiten Halbzeit dann viel
       besser gemacht. Mit den Einwechslungen von Benjamin Henrichs und Waldemar
       Anton ist nun Robin Koch im 26-köpfigen EM-Kader der einzige Feldspieler,
       der noch nicht zum Einsatz kam. Und für die Zuschauer hatte der Trainer wie
       bereits in den vergangenen Partien viele lobende Worte übrig.
       
       „Ein super Gespür“ hätten sie gehabt. „Das hat uns gepusht.“ Julian
       Nagelsmann, der als Vereinstrainer häufig auf seine Arbeit als Taktiknerd
       verkürzt wurde, beweist sich in diesen Tagen als Rundumbetreuer. Besonderes
       Augenmerk legt er bei all den Wackeligkeiten auf die psychische Komponente.
       Sein Fazit nach dem Achtelfinale lautete: „Das haben sie sich verdient,
       dass sie langsam die alte Festplatte gelöscht kriegen und sehen, wie gut
       sie eigentlich sind.“
       
       30 Jun 2024
       
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