# taz.de -- Gewalt gegen Männer: „Ein Tabuthema“
       
       > Männer werden häufiger Opfer von Gewaltdelikten als Frauen. Drei
       > Bremerhavener Studentinnen wollen dafür Bewusstsein schaffen.
       
 (IMG) Bild: Zeigt, dass Gewalt gegen Männer nicht abgetan werden sollte: Plakat der Kampagne
       
       HAMBURG taz | Männer begehen mehr Straftaten als Frauen – das ist allgemein
       bekannt. Worüber weniger gesprochen wird: Männer werden auch häufiger
       selbst zum Opfer. 2023 waren laut Polizeilicher Kriminalstatistik
       bundesweit fast 60 Prozent der Opfer aller Straftaten männlich. Bei
       schweren Gewaltdelikten liegt der Anteil noch höher: Mehr als zwei Drittel
       der Straftaten gegen das Leben richteten sich im vergangenen Jahr gegen
       Männer, bei Raubdelikten waren sogar 76,2 Prozent der Betroffenen männlich.
       
       Julia Scheunemann, Ellen Technau und Veronika Wisniewski sind Studentinnnen
       an der [1][Hochschule Bremerhaven]. Als sie in ihrem Studiengang Digitale
       Medien eine soziale Kampagne planen sollten, fiel ihnen Gewalt gegen Männer
       als ein [2][„Tabuthema“] auf, wie sie es selbst bezeichnen.
       
       „Wir haben anfangs in verschiedene Richtungen recherchiert und waren
       wirklich erstaunt darüber, wie wenige Angebote es für männliche
       Gewaltbetroffene gibt. Sowohl die Informationslage als auch die
       Hilfsinfrastruktur sind in diesem Bereich sehr schlecht“, sagt Wisnieswski.
       „Gerade weil [3][Gewalt gegen Männer] so ein blinder Fleck ist, trauen sich
       viele Männer nicht, sich Hilfe zu holen“, fügt ihre Kommilitonin
       Scheunemann hinzu.
       
       Diese Einschätzung bestätigt auch Hans-Jürgen Zacharias. Er ist
       Landesvorsitzender des [4][Weißen Rings], des größten unabhängigen
       Opferschutzvereins in Bremen und Bremerhaven. „Männer haben oft ein
       verzerrtes Gewaltempfinden und spielen die Gewalt, die sie selbst erleben,
       herunter“, sagt er. „Eine Schlägerei wird dann verharmlosend als etwas
       abgetan, was man unter Männern eben so macht, und auch bei anderen
       Körperverletzungen denken Männer eher, dass sie das eben aushalten
       müssten.“
       
       Um dagegen anzugehen, entschieden sich Scheunemann, Technau und Wisniewski
       dazu, ihre Kampagne zu diesem Thema zu entwickeln. „Wir haben schon im
       Herbst 2022 mit der Planung angefangen und wollten die Kampagne eigentlich
       schon im letzten Sommer veröffentlichen“, erzählt Wisniewski. Der Start hat
       sich ein wenig verzögert – allerdings nur, weil das Projekt viel größer
       wurde, als eigentlich geplant.
       
       Das liegt vor allem daran, dass es den drei Studentinnen gelang, große
       Kooperationspartner für ihr Vorhaben zu gewinnen: Der Weiße Ring hat die
       Entwicklung der Kampagne begleitet und finanziell unterstützt, außerdem
       beteiligte sich die Polizei Bremerhaven.
       
       Auch mit Betroffenen sprachen die Studentinnen. „Als wir erzählt haben,
       dass wir eine Kampagne zu diesem Thema planen, waren wir sehr überrascht
       davon, dass auch männliche Bekannte aus unserem Umfeld auf uns zugekommen
       sind und uns von ihren Gewalterfahrungen berichtet haben“, erzählt
       Wisniewski.
       
       „Ich glaube, es wurde auch sehr positiv aufgefasst, dass wir als Frauen uns
       dieses Themas annehmen“, ergänzt Scheunemann. Auch der Weiße Ring konnte
       Kontakte zu Betroffenen vermitteln. Auf der [5][Website der Kampagne] sind
       so auch Erfahrungsberichte von Männern zu finden, die selbst Opfer von
       verschiedenen Arten von Gewalt wurden.
       
       Neben der Website produzierten die Studentinnen Flyer, Plakate, Videos und
       bespielen einen eigenen Instagram-Kanal unter dem Hashtag
       [6][#gewaltanmaennern]. In den letzten Wochen konnte man die Plakate in
       ganz Bremerhaven entdecken.
       
       „Ich finde das Ergebnis der Kampagne sehr gelungen“, sagt Zacharias vom
       Weißen Ring, der die Entwicklung begleitete. Er sieht darin auch eine
       präventive Wirkung: Denn Betroffene von Gewalt werden potenziell selbst zu
       Gewalttätern. „Unsere Hoffnung ist, dass wir mit der Kampagne Männer aus
       dieser Spirale rausholen können, indem sie erlebte Gewalt aufarbeiten,
       anstatt sie weiterzugeben.“
       
       Auch die drei Studentinnen Scheunemann, Technau und Wisniewski sind mit
       ihrer Arbeit sehr zufrieden. „Gerade durch die Plakate hatten wir jetzt
       eine große Sichtbarkeit in der Stadtgesellschaft“, stellt Wisniewski fest.
       „In Reaktion darauf haben uns auch einige Männer angeschrieben, die selbst
       Gewalt erlebt haben und darüber für unsere Website mit uns sprechen wollen,
       um auf das Thema aufmerksam zu machen.“
       
       Auch wenn das Seminar in der Hochschule jetzt abgeschlossen ist, wollen die
       drei die Website weiter pflegen. „Das Thema ist uns in den letzten
       anderthalb Jahren echt ans Herz gewachsen“, sagt Wisniewski dazu. „Und uns
       ist ganz wichtig: Es geht uns alle an!“
       
       2 Jul 2024
       
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 (DIR) Marta Ahmedov
       
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