# taz.de -- Debatte über Biden-Kandidatur: „Ich gehe nicht“
       
       > Bleibt Joe Biden der demokratische Kandidat fürs Weiße Haus? Nach dem
       > desaströsem Auftritt des Präsidenten im TV-Duell rumort es in der Partei.
       
 (IMG) Bild: War bloß ein Jetlag schuld? Die Zweifel wachsen, ob Joe Biden wirklich im Rennen ums Präsidentenamt bleiben soll
       
       BERLIN taz | Ein Präsident, der sich nur recht langsam bewegen kann – und
       ein Krisenmanagement, das von einem Event der Schadensbegrenzung zum
       nächsten hetzt. Und über allem die Frage, ob der eingeschlagene Weg
       überhaupt weitergehen kann – und sollte. Das ist der Stand des
       demokratischen Wahlkampfs um die US-Präsidentschaft eine Woche nach der
       katastrophalen TV-Debatte zwischen Joe Biden und seinem Herausforderer
       Donald Trump.
       
       Beispiel Mittwoch dieser Woche. Die [1][New York Times] berichtet unter
       Berufung auf Aussagen namentlich nicht genannter Biden-Verbündeter, dem
       Präsidenten sei klar, dass seine Kandidatur auf der Kippe stehe, er erwäge
       einen Rückzug und die kommenden Tage seien entscheidend. Das Dementi des
       Weißen Hauses und des Biden-Wahlkampfteams kommt sofort: Totale Fake News!
       
       Das reicht aber nicht aus, um die Gerüchte in den Griff zu bekommen, und so
       beruft Karine Jean-Pierre, Bidens Pressesprecherin, für den frühen
       Nachmittag noch ein Pressebriefing ein – das zweite innerhalb von 24
       Stunden, nachdem zuvor über drei Wochen ohne Fragemöglichkeit der
       White-House-Korrespondent*innen vergangen waren. Es sei „absolut falsch“,
       was die New York Times – und zu dem Zeitpunkt dann auch CNN – berichtet
       hatten, so Jean-Pierre. Biden sei sich bewusst, dass seine Performance
       nicht gut war, aber er denke überhaupt nicht daran, seine Kandidatur
       aufzugeben.
       
       Am Vorabend hatte Biden selbst vor Journalist*innen in Viginia am Rande
       eines Wahlkampfauftritts eine weitere Erklärung für seine Blackouts bei der
       Debatte veröffentlicht: Jetlag. Schließlich sei er zuvor gleich zweimal um
       die Welt geflogen und [2][einfach müde gewesen].
       
       ## Biden schaltet sich überraschend zu
       
       Dass die Reisen – erst zum Gedenken an den D-Day in der Normandie und
       anschließend zum G7-Gipfel in Bari – zum Zeitpunkt der Debatte bereits 12
       Tage zurücklagen und Biden sich fast ohne weitere Termine eine ganze Woche
       lang auf dem Landsitz Camp David nur auf die Debatte vorbereitet hatte,
       dass insofern wirklich niemand das Jetlag-Argument abkauft, dass es Biden
       sogar schaden würde, wenn Leute tatsächlich glaubten, ein Präsident, der
       einmal eine Reise unternimmt, sei danach zwei Wochen nicht mehr
       zurechnungsfähig – all das kommt bei Biden und seinem rund 15-köpfigen
       internen Beraterkreis offenbar nicht mehr an.
       
       Nächster Schritt am Mittwoch: Videokonferenz von Mitarbeitern des
       Democratic National Committee, einer Art erweitertem Parteivorstand, und
       des Biden-Wahlkampfteams. Biden selbst schaltet sich überraschend dazu und
       hat folgende Message: „Lasst es mich so klar, so einfach und so
       geradeheraus sagen, wie ich kann: Niemand drängt mich raus. Ich gehe nicht.
       Ich bin in diesem Wahlkampf bis zum Ende und wir werden gewinnen.“
       
       Erzeugt das nun Kopfschütteln über den Starrsinn eines alten Mannes, der
       nicht merkt, wann es vorbei ist oder Zuversicht in seine doch vorhandene
       Stärke? Unterschiedliche Medien berichten von unterschiedlichen
       Reaktionen, stets unter Berufung auf anonyme, gut informierte Quellen. Was
       davon stimmt, bleibt Kaffeesatzleserei.
       
       Ein paar Stunden später: Biden trifft sich im Weißen Haus mit 20
       demokratischen Gouverneur*innen. Zwölf von ihnen sind angereist, der Rest
       per Video zugeschaltet. Was wirklich gesprochen wurde? Anonyme Quellen,
       Medienberichte, Gerüchte. Offiziell treten mehrere Gouverneur*innen im
       Anschluss vor die Presse und versichern Joe Biden ihre volle Unterstützung.
       
       Gleichzeitig gibt auf mehreren Fernsehsendern Adam Frisch in Interviews zu
       verstehen, Biden müsse unbedingt Platz machen. Frisch ist ein moderater
       Demokrat, Kandidat fürs Repräsentantenhaus in Colorados 3. Wahlbezirk, der
       zurzeit von der extrem rechten Lauren Boebert gehalten wird. Die gewann
       2022 allerdings nur mit wenigen hundert Stimmen Vorsprung, kandidiert im
       November in einem anderen Wahlbezirk mit mehr Chancen.
       
       ## Biden fällt in Umfragen hinter Trump zurück
       
       Und so ist Frisch einer derjenigen, auf denen die Hoffnung der
       Demokrat*innen beruht, im November die Kontrolle übers
       Repräsentantenhaus zurückzugewinnen. Und die jetzt fürchten, Bidens
       scheiternde Kampagne ziehe auch sie in den Abgrund. Davon muss es viele
       geben, berichten die US-Medien – wieder unter Berufung auf anonyme Quellen.
       
       Am Vortag war der Abgeordnete Lloyd Doggett aus Texas der erste gewählte
       Amtsträger, der Biden offen zum Abtritt aufforderte. Er blieb allein.
       [3][Kolumnist Walter Shapiro schreibt dazu in The New Republic]: „In
       Begriffen des Zweiten Weltkriegs ausgedrückt: Führende Demokraten
       signalisieren, dass sie natürlich gern die Strände der Normandie erstürmen
       wollen, aber sie sind geneigt, die sechste Welle der Landungsboote
       abzuwarten, wenn alles ein bisschen ruhiger ist und nicht mehr so viele
       Kugeln fliegen.“
       
       Auch Shapiros Text, beschämend für die Demokraten, erscheint am Mittwoch.
       Praktisch sämtliche Meinungsbeiträge in der New York Times, im New Yorker,
       im Atlantic, bei Slate, Politico oder Salon.com legen Biden energisch den
       Rücktritt nahe. Das Editorial Board der Washington Post schreibt Biden
       sogar eine [4][Rede zum US-amerikanischen Nationalfeiertag, dem 4. Juli],
       in der er in würdevollen, patriotischen Worten seinen Rückzug erklärt.
       
       Am Mittwochabend erscheint eine neue [5][Sienna/New York Times-Umfrage]:
       Demnach liegt Biden jetzt landesweit unter Wahlwilligen („likely voters“)
       mit 43 zu 49 Prozent hinter Trump, drei Prozentpunkte schlechter als vor
       der TV-Debatte, die Biden einen Aufschwung hatte geben sollen. Unter
       registrierten Wähler*innen beträgt die Lücke sogar 41 zu 49. Schaffen es
       Biden und sein Inner Circle wirklich, all das nicht zur Kenntnis zu nehmen?
       
       Zunächst gilt es, noch einmal zu testen – und den Nato-Jubiläumsgipfel in
       der kommenden Woche in Washington zu überstehen. In den vergangenen Tagen
       ging das öffentlich nur mit Teleprompter. Und nun? TV-Interview mit George
       Stephanopolus von ABC am Freitag. Einige Wahlkampfauftritte übers
       Wochenende, dann Pressekonferenz beim Nato-Gipfel. Was dann passiert, ist
       offen. Oder vielleicht längst entschieden. Von anonymen Quellen.
       
       4 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.nytimes.com/2024/07/03/us/politics/biden-withdraw-election-debate.html
 (DIR) [2] /US-Praesidentschaftswahlen-2024/!6021441
 (DIR) [3] https://newrepublic.com/article/183413/democrats-panicking-arent-leaders-anything
 (DIR) [4] https://www.washingtonpost.com/opinions/2024/07/03/biden-speech-july-fourth-election-withdraw/
 (DIR) [5] https://www.nytimes.com/2024/07/03/us/politics/poll-debate-biden-trump.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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