# taz.de -- US-Präsidentschaftswahlen 2024: „Auf der Bühne fast eingeschlafen“
       
       > Joe Biden gibt neue Gründe für TV-Desaster, aber die Unruhe bei
       > US-Demokraten wächst. Trump erreicht Verschiebung der New Yorker
       > Strafmaß-Verkündung.
       
 (IMG) Bild: Jetzt beschreibt er sich schon selbst als „Sleepy Joe“: US-Präsident Joe Biden
       
       WASHINGTON dpa/rtr | Nach [1][Joe Bidens desaströsem Auftritt] beim
       Fernsehduell gegen seinen Konkurrenten Donald Trump wächst der Druck auf
       den US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen. Ein erster demokratischer
       Abgeordneter aus dem US-Repräsentantenhaus forderte Biden öffentlich auf,
       aus dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen und Platz für einen
       anderen Kandidaten zu machen. Es falle ihm nicht leicht, seine Vorbehalte
       öffentlich zu machen, schrieb der texanische Abgeordnete Lloyd Doggett in
       einer Stellungnahme, aus der US-Medien zitierten. Anders als Trump habe
       Biden immer den Interessen des Landes gedient und nicht seinen eigenen. Er
       hoffe, der Präsident werde die schwierige und schmerzhafte Entscheidung
       treffen, seinen Rückzug anzutreten, so Doggett. „Ich fordere ihn
       respektvoll auf, dies zu tun.“
       
       Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi,
       verteidigte Biden und attestierte ihm in einem Interview mit dem US-Sender
       MSNBC „Urteilsvermögen und strategisches Denken“. Auf Nachfrage sagte die
       Demokratin auch, dass es eine „berechtigte Frage“ sei, ob es sich bei
       Bidens Patzer im TV-Duell „nur um eine Episode oder einen Zustand“
       gehandelt habe.
       
       Biden selbst will den Grund für seinen verpatzten Auftritt im TV-Duell
       gegen Herausforderer Donald Trump ausgemacht haben: Müdigkeit. Der
       81-Jährige begründete seinen schwachen Auftritt mit Erschöpfung nach einer
       Reihe anstrengender Auslandsreisen. Bei einem Wahlkampfauftritt im
       US-Bundesstaat Virginia sagte er laut mitreisenden Journalisten, er sei
       kurz vor der TV-Debatte faktisch mehrmals um die Welt gereist, was „nicht
       sehr klug“ gewesen sei. Er habe nicht auf seine Mitarbeiter gehört – „und
       dann bin ich auf der Bühne fast eingeschlafen“. Das sei zwar keine
       Entschuldigung, aber eine Erklärung.
       
       In Bidens Terminkalender standen im vergangenen Monat tatsächlich zwei
       große Auslandsreisen. Zuerst war er Anfang Juni bei einer
       [2][Gedenkveranstaltung zur Landung der Alliierten in der Normandie] in
       Frankreich. Direkt im Anschluss absolvierte Biden einen Staatsbesuch in
       Paris, bei dem ihn Frankreichs Präsident mit großem Programm empfing. Dann
       flog er zurück in die USA – um nur wenige Tage später, Mitte Juni, wieder
       nach Italien zum [3][G7-Gipfel] zu reisen. Von dort aus ging es wiederum
       über neun Zeitzonen zurück an die US-Westküste, wo er in Los Angeles an
       einer exklusiven Spendengala für seinen Wahlkampf teilnahm.
       
       Am 17. Juni empfing Biden in Washington Nato-Generalsekretär Jens
       Stoltenberg. Ab dem 20. Juni weilte er schließlich in Camp David – dem
       Landsitz des US-Präsidenten nahe der Hauptstadt. Dort bereitete sich Biden
       mit seinem Team auf die Debatte vor und absolvierte rund eine Woche lang
       keine öffentlichen Termine.
       
       ## Weißes Haus geht die Offensive
       
       Auch das Weiße Haus bemühte sich, Zweifel an Bidens Eignung für das Amt zu
       zerstreuen und seinen verpatzten Auftritt im Fernsehen so gut es geht
       vergessen zu machen. Der Präsident habe eben einen schlechten Abend gehabt,
       betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, bei einer
       Pressekonferenz. „Wir werden ein neues Kapitel aufschlagen“, sagte sie.
       Biden werde die Menschen in den USA bei Ortsterminen selbst von seinen
       Qualitäten überzeugen.
       
       In den kommenden Tagen wolle sich Biden zudem mit demokratischen
       Kongressmitgliedern und Gouverneuren treffen, kündigte Jean-Pierre an.
       Geplant seien auch ein Fernsehinterview, Wahlkampfauftritte und in der
       kommenden Woche eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in Washington. Biden
       selbst gab sich bei einem Termin in Washington bestens gelaunt und
       selbstbewusst. Seine Ansprache las er wie üblich von einem Teleprompter ab.
       
       ## Alternative zu Biden unklar
       
       Wie am Dienstag aus einer Reuters/Ipsos-Erhebung hervorging, liegt Biden in
       der Wählergunst auch nach seinem als schwach bewerteten Auftritt bei einer
       Debatte gegen Donald Trump mit dem Republikaner faktisch gleichauf. Auch
       Vizepräsidentin Kamala Harris könnte unter Einbezug der Fehlermarge noch
       mit Trump gleichziehen.
       
       Die Gouverneure Gavin Newsom aus Kalifornien, Gretchen Whitmer aus Michigan
       und J.B. Pritzker aus Illinois liegen alle mehr oder weniger deutlich
       hinter dem Republikaner. Vom Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, hatten
       70 Prozent der befragten Demokraten nicht einmal gehört.
       
       Die Ausnahme ist Michelle Obama, die Trump mit 50 Prozent zu 39 Prozent
       schlagen würde. Die Ehefrau des Ex-Präsidenten Barack Obama hat jedoch
       erklärt, dass sie nicht für eine Kandidatur zur Verfügung steht.
       
       ## Trump profitiert von Immunitätsentscheidung
       
       Im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump ist die Verhängung des Strafmaßes
       um mehrere Monate verschoben worden. Der zuständige Richter Juan Merchan
       verlegte den ursprünglich für den 11. Juli angesetzten Termin auf den 18.
       September. Dies ist nach dem Parteitag der Republikaner am 15. Juli.
       Hintergrund ist das [4][Urteil des Obersten Gerichts zur Immunität von
       Präsidenten] am Montag. Trumps Anwälte argumentierten unmittelbar
       anschließend, damit sei die Verurteilung des republikanischen
       Präsidentschafts-Kandidaten hinfällig. Die Staatsanwaltschaft des
       Bundesstaates New York erklärte ihrerseits, sie halte dies zwar für nicht
       stichhaltig. Man werde sich jedoch einer Verschiebung nicht widersetzen.
       
       Trump war am 30. Mai in dem Verfahren von Geschworenen [5][schuldig
       gesprochen] worden. Über das Strafmaß entscheidet in New York in diesem
       Fall der Richter. Zwar droht Trump theoretisch eine Haftstrafe. Experten
       rechnen jedoch eher mit einem Bußgeld. Frühere Entscheidungen von Richtern
       im Zusammenhang mit dem Fall ließen es zunächst unwahrscheinlich
       erscheinen, dass der Schuldspruch aufgehoben werden könnte. Trumps Anwälte
       hatten im vergangenen Jahr ein ähnliches Argument vorgelegt beim Versuch,
       das Verfahren vor ein Bundesgericht verlegen zu lassen. Der zuständige
       Bundesbezirksrichter Alvin Hellerstein schrieb damals:
       „Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar stehen nicht im Zusammenhang mit
       den Amtshandlungen eines Präsidenten.“
       
       3 Jul 2024
       
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