# taz.de -- Die Wahrheit: Aperitif für Nörgler
       
       > Tagebuch einer Verhörerin: Missverständnisse allüberall, aber vor allem
       > bei diesem Gin von der Alm, aus dem Allgäu, von der
       > Spezial-Biodestillerie.
       
       Beim Wettbewerb der Verhörer und Verleser könnte ich easy einen der ersten
       Plätze belegen, denn mein Kommunikationsleben besteht aus
       Missverständnissen und Wortkonstruktionen, die Verwirrung bei mir auslösen,
       häufig aber auch ein „Ach, davon hab ich ja noch gar nichts gehört, ist ja
       äußerst interessant!“
       
       So war ich sehr versucht, die mir bis dato noch unbekannte
       Freizeitbeschäftigung einer befreundeten Redakteurin zu erproben, die sich
       von einem Treffen mit den Worten verabschiedete: „Ich kann nicht länger
       bleiben, ich muss noch zum Net-Twirking-Frauenabend!“
       
       Gern hätte ich mich angeschlossen, um zu erfahren, wie man in, auf oder an
       Netzen twirkt und ob ich meine unzureichenden Yoga-Aktivitäten zugunsten
       wilder Beats mit Hinterngewackel aufgeben sollte, zog es dann aber vor, den
       weiteren Abend in der Kneipe zu beschließen.
       
       Im Nachhinein eine weise Entscheidung, ich wäre nämlich in einem vollkommen
       exzessfreien Kontakthof gelandet, in dem ich beim Networken mit Menschen
       vernetzt worden wäre, deren Namen und Visitenkarten ich in
       Sekundenbruchteilen wieder vergessen hätte. Nicht etwa aus Desinteresse,
       sondern weil ich mir grundsätzlich keine Namen merken kann.
       
       Telefonnummern haben bei mir bessere Chancen, was wiederum daran liegt,
       dass ich Zahlenfolgen Rhythmus und Farben zuordne. Beginnt beispielsweise
       eine Nummer mit 879 speichere ich sie als Braun-Blau-Silber im Walzertakt
       ab, und wenn ich Glück habe, kann ich ihren Besitzer bei einem Wiedersehen
       damit ansingen.
       
       Auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn befolgte ich jedenfalls die schöne
       Aufforderung „be polite“, die über Kopfhörer in meine Ohren dudelte.
       Höflich sah ich über schwerst betrunkene Mitreisende hinweg, die großzügig
       ihre leeren Flaschen im Wagen verteilten, und erfuhr zu spät, dass
       lediglich der „Beat of Life“ besungen wurde. Passte irgendwie auch.
       
       Nicht selten setze ich aber auch Eigenkreationen in die Welt, wobei mir das
       Korrekturprogramm meiner Software gern behilflich ist. Seit ich im
       sommerlichen Überschwang eine Nachricht rausgehauen habe, auf meinem Balkon
       könne man neben bekannten Aperitivi wie Wein und Negronis auch „Allgäu Gin
       Tonic“ bestellen, ist der Hype in der Welt.
       
       Eine Flut von Fragen brandete in mein Postfach: Ist das dieser superhippe
       Gin von der Alm? Würde ich bitte unbedingt den Namen der
       Spezial-Biodestillerie verraten? Brauen die nach Opas Geheimrezept? Aber
       fände man im Allgäu nicht eigentlich nur Kühe und Wacholder doch eher in
       der Schwäbischen Alb, hätte ich da was verwechselt?
       
       Der Ton wurde rauer, und bevor die Nörgler einen Shitstorm starten konnten,
       weil mein „alkoholfreies“ Getränk vom Korrekturprogramm ins Allgäu verlegt
       worden war, erfand ich den „Allgäu Muhl“ mit einem Schuss Milch vom
       robusten Allgäuer Braunvieh. Demnächst in der Bar Ihres Vertrauens.
       
       11 Jul 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kommunikation
 (DIR) Fehler
 (DIR) Alkohol
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Sanftes Boxen
       
       Tagebuch einer Entschuldigerin: Kein Pardon sollte allen Verursachern des
       dauernden Chaos wie zum Beispiel bei der Bahn gegeben werden.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Gesteigerte Werte
       
       Tagebuch einer Bildbeobachterin: Unterwegs bei einem Termin mit Häppchen
       und Kunst, erscheint einem die Moral von der Geschicht höchst fragwürdig.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Am Waschraumaltar
       
       Tagebuch einer Chaosreisenden: Neuseeland ist voller Gegensätze, so sitzt
       auf der Nordinsel der Blinker im Auto woanders als auf der Südinsel.