# taz.de -- Doping bei der Tour de France: Ach, das bisschen Gift!
       
       > Am Rande der Tour de France wird über neue Arten unerlaubter
       > Beschleunigung spekuliert: Kohlenmonoxid-Methode, AICAR und
       > Diabetes-Mittel.
       
 (IMG) Bild: Im Erfolgsrausch: Auch Tadej Pogacar kennt die Kohlenmonoxid-Methode
       
       Gepustet hat er nun doch. Nachdem Tadej Pogacar am Dienstag noch ganz
       verwundert auf [1][eine Nachfrage zum sogenannten Kohlenmonoxidverfahren
       zur Bestimmung des Hämoglobinwerts] reagierte, gab er am Mittwoch dann doch
       zu, auch mal in den Ballon geblasen zu haben. „Ja, wir benutzen das zum
       Ermitteln des Hämoglobinwerts beim Höhentrainingslager“, sagte er am
       Mittwoch. Er habe es aber nur ein einziges Mal durchgeführt.
       
       Die Debatte entzündete sich, weil die US-Plattform Escape Collective
       herausfand, dass einige Tour-de-France-Rennställe diese Tests einsetzen.
       Sie sind nicht verboten. Genauso wenig, wie es verboten ist, im großen
       Blutbild Hämoglobin, Hämatokrit und andere Werte zu ermitteln, die Aussagen
       über die Sauerstofftransportfähigkeit des Bluts zulassen.
       
       Je mehr Sauerstoff im Blut ist, desto mehr Energie kann in den Muskelzellen
       erzeugt werden. Umso größer ist auch die Ausdauerleistung. Deshalb nahmen
       Ausdauersportler früher Epo, ein verbotenes Medikament. Jetzt ist das dank
       besserer Kontrollen bestenfalls als Minidosierung möglich. Das
       Risiko-Nutzen-Verhältnis verschob sich zu Ungunsten der Dopinganwender auf
       dem Rad.
       
       ## „Methoden sind umfangreicher geworden“
       
       Pustet man allerdings nicht nur in die Messapparatur, sondern atmet das
       Kohlenmonoxid tiefer ein, kann das zu Effekten führen, die dem Aufenthalt
       in großer Höhe vergleichbar sind: Der Organismus hat weniger Sauerstoff zur
       Verfügung. Hämoglobin bindet Kohlenmonoxid etwa 300-mal stärker als
       Sauerstoff, warnt die Bundesärztekammer in einer Patienteninformation
       über Kohlenmonoxidvergiftung.
       
       Und bevor man tot ist, weil zu viel des Gifts ins Blut gelangt ist,
       reagiert der Organismus mit verstärkter Bildung roter Blutkörperchen – und
       damit höherer Sauerstofftransportkapazität im Blut. Die spannende Frage ist
       nun, ob bei den Teams, die den Kohlenmonoxidtest bislang zugaben – neben
       Pogacars UAE Emirates noch Jonas Vingegaards Visma Lease a Bike und Chris
       Froomes Israel Premier Tech – ihre Athleten nicht nur kurz reinblasen
       lassen, sondern sie zwecks Verbesserung der Blutparameter am Gift auch mal
       länger schnüffeln lassen. Natürlich nicht, teilten die Teams mit.
       Überprüfbar ist das aber nicht.
       
       Ein anderes Problem, das den Radsport neben allen anderen, gerade auch
       olympischen Ausdauersportarten betrifft, ist, dass immer mehr
       pharmazeutische Präparate im Umlauf sind, die die Leistungen beträchtlich
       steigern können. Davor warnt jedenfalls der [2][Leiter des Kölner
       Dopingkontrolllabors, Mario Thevis]. „Die Möglichkeiten der
       Leistungsbeeinflussung durch nicht erlaubte Mittel und Methoden sind
       umfangreicher geworden. Wir müssen uns noch mehr anstrengen, diese Wege der
       Manipulation aufzuzeigen und abzudecken. Und wenn das an der einen oder
       anderen Stelle noch nicht gelungen ist, dann könnte das auch eine Erklärung
       für eine außergewöhnliche sportliche Leistung sein, die nicht nur auf
       optimierte Rahmenbedingungen und größtes sportliches Talent zurückzuführen
       ist“, sagte Thevis der taz.
       
       Er bezieht sich auf Mittel, die im klinischen Alltag unter anderem gegen
       Diabetes eingesetzt werden, die seit einiger Zeit aber auch ohne Rezept
       über Internetshops erhältlich sind. Sie regen die Mitochondrien, also
       die Kraftwerke der Zellen, zu höherer Leistung an, was zu höherer Ausdauer
       führen kann. Einen Test dafür hat Thevis bereits entwickelt. Eingesetzt
       wurde er von den diversen Antidopingagenturen seines Wissens bislang aber
       nicht, sagte er der taz. Um Missbrauch zu vermeiden, möchte er den Namen
       des Präparats nicht veröffentlicht sehen.
       
       [3][Eine andere kritische Substanz ist AICAR]. Auch sie trägt zu einer
       Erhöhung der Anzahl an Mitochondrien bei. „Das bedeutet, dass ein höherer
       Energieumsatz möglich ist und mehr der für die Ausdauerleistungsfähigkeit
       erforderlichen Energie bereitgestellt werden kann“, beschreibt Thevis die
       Effekte. Nachweisverfahren für AICAR gibt es. Der Nachweis selbst ist aber
       herausfordernd. „AICAR kommt als körpereigene Substanz vor. Eine
       Unterscheidung zwischen diesem natürlich produzierten AICAR und dem
       synthetisch hergestellten und verabreichten AICAR in Dopingkontrollproben
       ist anspruchsvoll.
       
       Es bedarf eines Hinweises, wie beispielsweise erhöhte AICAR-Konzentration
       im Urin oder auffällige Markerwerte, um mit einer
       Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie-Analyse die Herkunft des
       vorliegenden AICARs zu bestimmen“, erklärt der Kölner Biochemiker. Das
       heißt, erst wird die Konzentration von AICAR im Organismus ermittelt.
       Übersteigt die einen gewissen Grenzwert, wird mit einem weiteren Test
       nachgelegt. Der kam bislang aber etwa nur zehnmal zum Einsatz.
       Engmaschigere Kontrollen auf AICAR würden zu einer höheren Glaubwürdigkeit
       von Spitzenleistungen sehr gut beitragen. Jetzt bei der Tour und gleich
       danach bei Olympia.
       
       18 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.radsport-news.com/sport/sportnews_138915.htm
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Thevis
 (DIR) [3] https://www.deutschlandfunk.de/doping-nachweisverfahren-fuer-aicar-gefunden-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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