# taz.de -- Abzug aus Afghanistan: BND räumt Fehler ein
       
       > Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes erklärt im
       > Untersuchungsausschuss, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Wie es
       > dazu kam, bleibt offen.
       
 (IMG) Bild: Räumt Fehleinschätzung ein: Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes
       
       BERLIN taz | Vor Tania Freiin von Uslar-Gleichen liegen mehrere Dokumente
       auf dem Tisch ausgebreitet. Und mit fast jeder Frage, die die Mitglieder
       des Afghanistan-Untersuchungsausschusses der 60-Jährigen stellen, kommen
       neue Blätter hinzu. Denn in ihren Fragen beziehen sich die Abgeordneten auf
       Mails, Lageberichte und andere Dokumente. „Das weiß ich nicht“, „daran
       erinnere ich mich nicht“ und „wie gesagt: Ich bin kein
       Afghanistan-Fachmann“ gehören zu den häufigsten Antworten der Befragten,
       die im August 2021, [1][zur Zeit des Abzugs aus Afghanistan],
       stellvertretende Präsidentin des Bundesnachrichtendienstes war.
       
       Wie kam es zur Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan? Das ist eine der
       Fragen, mit denen sich der [2][Untersuchungsausschuss] Afghanistan
       beschäftigt, den der Bundestag vor zwei Jahren eingesetzt hat. Das Gremium
       untersucht den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan 2021 sowie die
       Evakuierung von deutschem Personal, Ortskräften und anderen Personen.
       
       Am Donnerstag befragte der Ausschuss den Präsidenten des
       Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, und die damalige
       Vizepräsidentin, Tania von Uslar-Gleichen. Dabei fällt ein Datum immer
       wieder: der 13. August 2021. An diesem Tag traf sich im Auswärtigen Amt in
       Berlin ein Krisenstab, um zur Lage in Afghanistan zu beraten. Der BND
       stellte seinen Lagebericht vor: Die Übernahme Kabuls durch die Taliban vor
       dem 9. September hielt man für „eher unwahrscheinlich“.
       
       Diese Einschätzung stellte sich innerhalb weniger Tage als falsch heraus:
       Die US-Amerikaner zogen ihre Streitkräfte ab, mehrere westliche Botschaften
       schlossen, die Taliban nahmen Kabul ein. Bilder von [3][Menschen, die sich
       aus Verzweiflung an startende Flugzeuge hängten], gingen um die Welt.
       
       ## Mit Unsicherheiten offener umgehen
       
       „Diese Einschätzung, dass Kabul nicht schon am Wochenende des 14./15.
       August fallen würde, hat sich als falsch herausgestellt“, räumt
       BND-Präsident Kahl im Ausschuss ein. Zugleich betont er, es habe für ihn
       keine Hinweise gegeben, die auf ein anderes Lagebild hätten schließen
       lassen.
       
       Schon am 13. August hatte allerdings der damalige deutsche Botschafter in
       Kabul, Jan Hendrik van Thiel, vor einer Verschärfung der Lage in
       Afghanistan gewarnt. Als der Vorsitzende des Ausschusses Ralf Stegner (SPD)
       Kahl am Donnerstag zu den Warnungen van Thiels fragt, entgegnet der
       BND-Präsident: Ihm sei nicht bekannt, dass der Botschafter Quellen hätte
       nennen können, mit denen er eine Veränderung des Lagebilds hätte begründen
       können.
       
       ## Ab Herbst wird es politischer
       
       Auch von Uslar-Gleichen erklärt während der Befragung, der Botschafter habe
       in der Krisensitzung nur erklärt, eine andere „Intelligence“ zu haben.
       Lagen van Thiel also möglicherweise Informationen vor, die der BND nicht
       hatte? Für BND-Präsidenten Kahl steht fest: Er habe keine Hinweise gehabt,
       die ihm eine andere Einschätzung der Lage ermöglicht hätten.
       
       „Wie konnte es dazu kommen, dass es zwar noch am 13. August eine
       Krisenstabssitzung gab, aber nach der Sitzung nicht die große Dringlichkeit
       erkannt wurde, eine schnelle Evakuierung vorzubereiten?“, fragt sich der
       Grünen-Abgeordnete Helge Limburg. Es sei wünschenswert, dass man in Zukunft
       offener mit Unsicherheiten umgehe: „Niemand hat eine Glaskugel“, sagt er
       der taz. „Das kann auch keine seriöse Erwartung sein, aber dann muss man
       diese Unsicherheit klar benennen und Pläne B, C und D länger diskutieren.“
       
       Bislang hat der Untersuchungsausschuss neben dem BND unter anderem
       Sachverständige und Verantwortliche bei der Bundeswehr zu den Geschehnissen
       im August 2021 in Afghanistan befragt. Nach der parlamentarischen
       Sommerpause setzt die Kommission die Befragung auf politischer Ebene fort:
       Dann befragt der Ausschuss damalige Staatssekretär:innen und
       Bundesminister:innen sowie die damalige Kanzlerin.
       
       Im Frühling 2025 will der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht
       vorstellen. Ziel ist es, durch die Erkenntnisse aus der Untersuchung besser
       auf kommende Krisensituationen vorbereitet zu sein.
       
       5 Jul 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Sophie Hübner
       
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