# taz.de -- Kamala Harris als Präsidentin: Ein progressiver Move
       
       > Eine Präsidentschaftskandidatin Harris hat eine Chance insbesondere bei
       > Frauen und Migrant:innen – wenn sie sich ihrer Versprechen von 2020
       > erinnert.
       
 (IMG) Bild: Kamala Harris bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan. Das Abtreibungsrecht ist eines der Kernthemen der Ex-Staatsanwältin
       
       Kamala Harris könnte die erste Frau an der Spitze der Vereinigten Staaten
       werden. Momentan sieht jedenfalls alles danach aus, dass sie gegen Donald
       Trump antreten wird: Es dauerte nur etwa eine halbe Stunde, bis [1][Joe
       Biden nach seinem Rückzug als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur]
       der Demokraten verkündete, fortan seine Vize Harris zu unterstützen. Sollte
       sie Trump, der in den Umfragen vorn liegt, am Ende an der Wahlurne
       tatsächlich überholen, wäre sie nicht nur die erste Frau an der Spitze der
       ältesten Demokratie der Welt. Sie wäre auch die erste schwarz-asiatische
       Person in dieser Position. Und das ist – trotz aller Kritik, die es an ihr
       in den vergangenen vier Jahren gab – ein progressiver Move.
       
       Harris steht für ein diverses Amerika, sie könnte, wenn sie in vier Wochen
       auf dem Parteitag der Demokraten tatsächlich als Präsidentschaftskandidatin
       nominiert wird, migrantische Wähler:innen und vor allem Frauen für sich
       gewinnen. Das könnte sie erreichen, indem sie ihre Versprechen bei ihrem
       Amtsantritt 2020 einlöst: für eine bessere Bezahlung von Women of Color zu
       sorgen. Indem sie sich noch stärker als bisher für das Recht auf
       Abtreibung, eines ihrer Kernthemen, und gegen sexuelle Gewalt an Kindern
       und Jugendlichen einsetzt.
       
       Und auch das hatte sie als Bidens Vize angekündigt, indem sie sich stärker
       um die Karrierechancen von Mädchen kümmert: nicht als marktkapitalistischer
       Akt der Selbstoptimierung, sondern als feministischen Ansatz. Wie sonst
       sollen junge Frauen verstehen, dass sie nicht hinter Männern zurückstehen
       müssen, wenn sie es nicht deutlich gesagt und vorgelebt bekommen? Schon als
       Kind wollte sie Staatsanwältin werden und sich in dieser Rolle für
       finanziell und sozial Schwächere einsetzen.
       
       Harris würde, sollte sie also tatsächlich die erste US-Präsidentin werden,
       nicht nur ein progressives Signal ins eigene Land senden, sondern auch ein
       internationales: Frauen können Staatsführung. Sie würde sich einreihen in
       die Riege von Politikerinnen, die viele Jahre erfolgreich und
       fortschrittlich ihr Land regierten, wenngleich auch nicht immer bis zum
       Ende konsistent – [2][Jacinda Ardern] in Neuseeland, [3][Sana Marin in
       Finnland], Nicola Sturgeon in Schottland, Vaira Vīķe-Freiberga in Lettland,
       Michelle Bachelet in Chile. Und nicht zu vergessen, Angela Merkel in
       Deutschland. Sie alle stehen und standen mehr oder weniger für eine
       Politik, die die Rolle von Frauen in der Gesellschaft verändert hat, oder
       die diese Rolle zumindest im Blick hatte.
       
       Frauen in hohen und höchsten Ämtern sind, nur weil sie sich mit Biss in
       männlichen Gefilden hochgearbeitet haben, natürlich keine Garantie für eine
       fortschrittliche, schon gar nicht für eine linke Politik. Das beweisen
       rechtsextreme Politikerinnen wie Giorgia Meloni in Italien, Marine Le Pen
       in Frankreich und die AfD-Co-Chefin Alice Weidel in Deutschland. Diese
       Frauen zeigen die Grenzen des Feminismus auf: Die Gleichstellung schreitet
       in weiten Teilen der Welt voran und bietet Frauen die Möglichkeit zum
       Aufstieg. Aber natürlich wollen nicht alle Frauen die Welt automatisch ein
       bisschen besser machen, nur weil sie Frauen sind. [4][Cristina Kirchner,
       die einstige Präsidentin Argentiniens], wurde wegen veruntreuter
       öffentlicher Gelder zu sechs Jahren Haft verurteilt.
       
       Zurück zu Harris: Will sie ihre Chance nutzen, darf sie Fehler nicht
       wiederholen. Sie darf migrantische Communitys nicht instrumentalisieren,
       sondern muss sich wahrhaft für sie einsetzen. Sie muss präsent in der
       Öffentlichkeit und dabei authentisch sein. Sie muss die freiheitliche
       Demokratie im Auge behalten und gleichzeitig für Sicherheit im Land der
       Waffen sorgen. Sie muss Sozialpolitik können, die Wirtschaft ankurbeln, für
       Stabilität in der Welt sorgen. Das ist viel, das ist hart – und ist
       unabhängig vom Geschlecht.
       
       22 Jul 2024
       
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