# taz.de -- Neue Bauernpartei DLW: Hauptsache Subventionen für Bauern
       
       > Die „Deutsch|Land|Wirtschaft“ kämpft für billigen Agrardiesel. Sie schürt
       > Angst vor Migranten, ist gegen Ukrainehilfe und unkritisch zur AfD.
       
 (IMG) Bild: Der Brandenburger Landwirt und DLW-Vorsitzende Benjamin Meise in seinem Agrarbetrieb im Juni 2022
       
       Manche Landwirte in Deutschland träumen davon, was Bauern in den
       Niederlanden schon geschafft haben: Dort ist aus Bauernprotesten gegen mehr
       Umweltschutz die Partei BoerBurgerBeweging (BBB) entstanden. Seit Kurzem
       regiert sie das Land zusammen mit der rechtspopulistischen PVV von Geert
       Wilders.
       
       Auch in Deutschland gab es diesen Winter Bauernproteste. Und auch daraus
       ist nun eine Partei entstanden: Schon ihr Name „Deutsch|Land|Wirtschaft“
       (DLW) zeigt, wie wichtig für sie die Interessen der Agrarbranche sind. Die
       führenden Mitglieder sind Landwirte. Die Partei sammelt gerade 2.000
       Unterschriften, damit sie bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22.
       September antreten kann. Später will sie [1][bundesweit kandidieren].
       Mehrere Medien haben über sie berichtet – allerdings ohne eine Analyse
       ihrer Forderungen und ihres Personals.
       
       Doch die DLW schürt Angst vor Migranten, will Waffenlieferungen an die
       Ukraine stoppen und hält sich eine Zusammenarbeit mit der AfD offen. Ein
       Vorstandsmitglied – der Kampfsporttrainer Sören Michele – organisierte
       Demonstrationen gegen „das System“ sowie gegen Maßnahmen zum Schutz vor der
       Corona-Pandemie und bot mindestens einmal einem Reichsbürger-nahen Sänger
       eine Bühne.
       
       Vizevorsitzender Thomas Essig ist durch falsche sowie populistische
       Behauptungen aufgefallen und war an einer [2][Veranstaltung mit dem
       rechtsradikalen Ex-Verfassungsschutzchef] Hans-Georg Maaßen,
       Klimawandelleugnung und Verschwörungsmythen beteiligt. Das Programm der DLW
       fordert, die Subventionen für den Diesel von Traktoren zu erhalten, erwähnt
       aber Klimaschutz mit keinem Wort.
       
       In einem Video im offiziellen Facebook-Kanal der Partei sagt der sehr
       muskulöse, glatzköpfige Michele neben dem Logo mit dem Schriftzug DLW und
       einer Getreideähre zum Beispiel: „Durch unkontrollierte Zuwanderung ist
       auch unser Land nicht mehr sicher. … Das muss endlich aufhören.“
       Tatsächlich gehörte Deutschland der Europäischen [3][Statistikbehörde]
       (Eurostat) zufolge 2021 beziehungsweise 2022 zu den EU-Staaten mit den
       [4][niedrigsten Mord- und Raubraten] pro Einwohner.
       
       ## Kein Herz für die Ukraine
       
       Im Programm der DLW heißt es: „Die irregulären Flüchtlingswellen aus
       Krisengebieten, insbesondere ab 2015, überfordern zu viele Bürger. Das
       öffentliche Leben scheint durch ‚Fremde‘ dominiert“. Laut
       [5][Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung] betrug der Anteil von
       Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit Ende 2022 im Schnitt 15 Prozent.
       In zahlreichen ostdeutschen Landkreisen waren es sogar weniger als 5
       Prozent.
       
       „Wir sind nicht fremdenfeindlich“, sagte der DLW-Vorsitzende Benjamin Meise
       der taz. Deutschland brauche Zuwanderung. „Aber wir glauben, dass der
       Integrationsbogen in Deutschland überspannt worden ist.“
       
       Die von Russland angegriffene Ukraine will die Partei offenbar ihrem
       Schicksal überlassen. Jedenfalls lehnt die DLW „parteiergreifende Maßnahmen
       wie beispielsweise die Waffenlieferung in (potentielle) Kriegsgebiete ab.“
       Dass das auch die Ukraine betrifft, bestätigte Meise der taz. „Ich sehe
       Russland nicht mehr als Aggressor als die Nato“, ergänzte er.
       
       Kritiker dieser Position wenden ein, dass die Ukraine von Russland
       angegriffen wurde und ohne Waffen aus dem Westen von seinen Truppen
       unterdrückt würde. Das könnte auch eine Migrationswelle zum Beispiel nach
       Deutschland verursachen.
       
       ## „Wir sind keine Politologen“
       
       Gleich im zweiten Satz des Parteiprogramms steht, die DLW könne sich „eine
       Zusammenarbeit mit jedem vorstellen, mit dem wir uns in der Sache einig
       sind und der das Grundgesetz anerkennt.“ Zur AfD befragt sagte Meise der
       taz: „Ich bin da nicht bewandert genug, um das ausreichend beurteilen zu
       können, ob die denn das Grundgesetz beachten“. Ist das glaubwürdig, wo die
       AfD doch in [6][Wahlumfragen in Brandenburg] seit Monaten am besten
       abschneidet? „Wir sind keine Politologen“, antwortete Meise darauf.
       
       Die AfD hat sich mehrmals zum Grundgesetz bekannt, aber ihre Programmatik
       und Äußerungen von führenden Politikern der Partei zielen etwa dem
       [7][Deutschen Institut für Menschenrechte] zufolge in Wirklichkeit darauf
       ab, die in Artikel 1 des Grundgesetzes verbriefte Garantie der gleichen
       Menschenwürde für alle abzuschaffen.
       
       Führungspersonen der Partei haben demnach erkennen lassen, dass sie Gewalt
       als Mittel zur Durchsetzung der Ziele der AfD anstreben. Zudem hätten
       Politiker der Partei sich zum Nationalsozialismus bekannt. Mehrere
       Verfassungsschutzämter haben die AfD insgesamt oder einzelne Landesverbände
       als gesichert rechtsextrem – also verfassungsfeindlich – oder zumindest
       als Verdachtsfall eingestuft.
       
       Während drei der vier DLW-Vorstandsmitglieder – übrigens alles Männer – aus
       der Landwirtschaft oder zumindest Agrarverbänden stammen, steht Michele für
       das Bündnis mit anderen Gruppen der Gesellschaft. Auf der DLW-Internetseite
       firmiert er als „Selbstständig, Qualitätsmanager, Kampfsporttrainer“. Schon
       lange vor den Bauernprotesten organisierte Michele in Brandenburg Proteste
       gegen Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie.
       
       Im Dezember 2022 veranstaltete Michele der [8][Märkischen Oderzeitung]
       (MOZ) zufolge in Fürstenwalde eine Kundgebung mit Plakaten wie „Sperrt
       diese Regierung endlich weg!“. Dort habe auch ein Musiker gesungen, der
       laut [9][Tagesspiegel] ein paar Monate früher bei einer Veranstaltung in
       Berlin mit Reichsbürgern aufgetreten war.
       
       Auf einer von Micheles Demos im Januar 2024 beschimpfte ein Politiker der
       Querdenker-Partei „dieBasis“ der MOZ zufolge Teile der Regierung als
       „Parlamentsidioten“. Auf dieser Demonstration war der spätere DLW-Chef
       Meise einer der Hauptredner. Immer wieder propagierte Michele: „Das System
       ist am Ende.“ Dabei blieb offen, welches „System“ – etwa die liberale
       Demokratie – gemeint war.
       
       ## Ex-Minister Trittin als „grünen Sack“ bezeichnet
       
       Vizeparteichef Essig behauptete in einem Video im Juli: „Es sind ja nur
       noch 15 Millionen Menschen, die Steuern bezahlen“. Laut Statistischem
       Bundesamt waren aber 2020 [10][42,7 Millionen Menschen] in Deutschland
       einkommenssteuerpflichtig. Eigentlich jeder zahlt zusätzlich
       Mehrwertsteuer.
       
       Den ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin beleidigte Essig in
       einem anderen Video im Juni als „grünen Sack“. Auf seine „Alimente“ als
       Ex-Minister müsse er keine Steuern zahlen. Aber ein Sprecher des
       zuständigen Bundesinnenministeriums teilte der taz mit: „Die Ruhegehälter
       von ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung sind
       einkommenssteuerpflichtig.“
       
       Prominent im DLW-Programm ist Kritik an der Agrarpolitik. „Öffentliche
       Leistungen werden seit Jahren bei steigenden Anforderungen gekürzt“,
       bemängelt die Partei. Landwirte würden „gegängelt als Sündenbock der
       Nation“.
       
       ## Kein Wort zum Klimaschutz
       
       Kein Wort allerdings findet sich in dem Programm darüber, dass die
       Landwirtschaft einer der Hauptverursacher des Artensterbens ist, und was
       die DLW dagegen unternehmen will. Auch der Klimawandel wird nicht einmal
       erwähnt. Die Agrarbranche verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und
       Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase hierzulande.
       
       Außer dem Festhalten an der Agrardieselsubvention enthält das Programm kaum
       konkrete Forderungen in der Landwirtschaftspolitik. Die DLW spricht sich
       aber gegen „die politische Festsetzung von Mindestwerten für den
       ökologischen Landbau“ aus. Das sei insbesondere wegen des bei Bio „nötigen
       Pflügens und der damit verbundenen negativen Wirkung auf die Bodenbiologie
       kontraproduktiv“.
       
       Der Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) weist jedoch
       darauf hin, dass keinesfalls alle Biobetriebe pflügten und dass für die
       Bodengesundheit nicht allein die Frage „Pflug ja oder nein“ entscheidend
       sei. Der Ökobauernverband Bioland teilte der taz mit: „Dass der Ökolandbau
       dem Bodenleben schadet, ist nicht belegt – im Gegenteil.“
       
       Eine Überblicksstudie des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts
       zeige, „dass die Biomasse von Regenwurmpopulationen unter ökologischer
       Bewirtschaftung 93 Prozent höher ist als unter anderen
       Bewirtschaftungsformen.“ Die Artenvielfalt sei höher.
       
       Essig und Michele reagierten bis Redaktionsschluss nicht auf Bitten der taz
       um Stellungnahme. An ihrer Stelle antwortete Meise unter anderem, alle
       Menschen würden sich ständig entwickeln: „Sollte es während der
       Mitgliedschaft zu unrechtlichem und parteischädigendem Verhalten kommen, so
       werden wir uns hiermit auseinandersetzen.“
       
       18 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=X0589LtBxHk
 (DIR) [2] /Verschwoerungsmythen-bei-Landwirtstreffen/!5964721
 (DIR) [3] https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/crim_off_cat/default/table?lang=de
 (DIR) [4] https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00146__custom_12129539/default/table?lang=de
 (DIR) [5] https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/auslaender-regional.html?nn=676838
 (DIR) [6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/sperrfrist-18-uhr-brandenburg-umfrage-afd-verliert-bsw-gewinnt-linke-fliegen-aus-dem-landtag-12006200.html
 (DIR) [7] /Podien-Einladungen-fuer-die-AfD/!5934151
 (DIR) [8] https://www.moz.de/lokales/fuerstenwalde/protest-in-oder-spree-mit-trommeln-und-lichterketten-_-was-demonstranten-in-fuerstenwalde-fordern-67962155.html
 (DIR) [9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/unser-land-heisst-deutsches-reich-brandenburger-rockmusiker-singt-bei-stadtfesten-fete--und-auf-verschworungsdemo-518238.html
 (DIR) [10] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/06/PD24_239_73111.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
 (DIR) Migration
 (DIR) Parteien
 (DIR) Bauernprotest
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Waffenlieferung
 (DIR) Kriminalität
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Brandenburg
 (DIR) Reichsbürger
 (DIR) Coronaleugner
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahl Brandenburg 2024
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Niederlande
 (DIR) Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Künast kündigt Rückzug an: Kämpferin mit Kodderschnauze
       
       Als Landwirtschaftsministerin hat Renate Künast viele Konflikte
       ausgefochten. Nun hat die Grüne ihren Rückzug aus dem Bundestag für 2025
       angekündigt.
       
 (DIR) Neue Regierung vereidigt: Auch Niederlande rücken nach rechts
       
       In den Niederlanden kommt das rechteste Kabinett aller Zeiten an die Macht.
       Im Fokus: strenge Migrationsregeln sowie EU- und Klimaskepsis.
       
 (DIR) Verschwörungsmythen bei Landwirtstreffen: Bauern flirten mit Rechtsradikalen
       
       Demagogen wie Ex-Verfassungsschützer Maaßen wettern vor Bauern gegen die
       Agrarpolitik. Auch mit Parolen zu Gendern und Migration ernten sie Applaus.