# taz.de -- Künast kündigt Rückzug an: Kämpferin mit Kodderschnauze
       
       > Als Landwirtschaftsministerin hat Renate Künast viele Konflikte
       > ausgefochten. Nun hat die Grüne ihren Rückzug aus dem Bundestag für 2025
       > angekündigt.
       
 (IMG) Bild: Keine Revolution im Stall, eher in den Köpfen: Grünen-Politikerin Künast will Platz für Jüngere machen
       
       BERLIN taz | Eigentlich wollte Grünen-Politikerin Renate Künast am
       wichtigsten Tag ihrer politischen Karriere in die Sauna gehen. Dann
       klingelte im Januar 2001 abends das Telefon, [1][Kanzler Gerhard Schröder]
       und sein grüner Vize Joschka Fischer wollten sie zur
       Landwirtschaftsministerin küren. Es war der Höhepunkt der BSE-Krise, das
       Land war wegen des Rinderwahnsinns in Panik. SPD-Minister Karl-Heinz Funke
       hatte bräsig alle Risiken durch die Seuche verharmlost und musste
       zurücktreten. Die vom Kanzler ausgerufene Neuausrichtung der Agrarpolitik
       brauchte ein neues Gesicht. Künast übernahm den Job.
       
       Im parteiinternen Gerangel mit der in Landwirtschaftsfragen viel
       kompetenteren Bärbel Höhn behielt sie die Nase vorn. Und dies, obwohl die
       Juristin Künast, wie die taz lästerte, nur schwerlich „ein holsteinisches
       Rindvieh vom vietnamesischen Wasserbüffel unterscheiden“ konnte. Aber
       die taffe kleine Berlinerin mit der Kodderschnauze war beliebt, sie war für
       kurze Zeit auch Bundesvorsitzende der Grünen.
       
       Im Bundestag hielt sie nach der Amtsübernahme eine berühmte Rede: „In
       unsere Kühe kommt nur Gras, Heu und Wasser rein.“ Das war zwar Unsinn, weil
       Hochleistungskühe schon damals Kraftfutter, Silage und Aminosäuren bekamen,
       sie gab aber eine neue Richtung vor. Vor allem: Schluss mit verseuchtem
       Tiermehl im Futter. Künast änderte die Koordinaten der Agrarpolitik, setzte
       Pflöcke ein.
       
       Sie rief erste ehrgeizige Ziele für die Biolandwirtschaft aus, die sie
       großzügig förderte. Die Vokabel „[2][Agrarwende]“ legte eine steile
       Karriere hin, die Massentierhaltung wurde jetzt überall angeprangert.
       Bäuerliche Landwirtschaft erschien als Alternative zur Agrarindustrie in
       einem neuen Licht. Ernährung und Verbraucherschutz gehörten jetzt zum
       Portfolio der Ministerin mit entsprechender Namensänderung für das Ressort.
       
       Der Bauernverband schäumte natürlich. Er befand sich wegen BSE zwar noch in
       der Defensive. Doch das änderte sich schnell. Unvergessen sind Künasts
       Auftritte auf den Deutschen Bauerntagen. Bauernboss Gerd Sonnleitner und
       seine Gefolgsleute organisierten generalstabsmäßig das Niederbrüllen der
       Ministerin. Trillerpfeifen und Protesttafeln wurden im Saal verteilt.
       Sobald Künast vors Mikrofon trat, gab ein rotgesichtiger Funktionär das
       Zeichen und das Fußvolk pfiff und buhte, dass die Wände wackelten.
       Protestschilder wurden hochgehalten, die abends in der „Tagesschau“ wieder
       auftauchten.
       
       ## Erfolgreicher Kampf gegen Hatespeech im Netz
       
       Künast blieb, anders als die heutige Ampelkoalition, standhaft und zog ihre
       Linie durch. Bessere Tierhaltung, weniger Gift, strenges BSE-Management
       und: Bio, Bio, Bio. Erstmals wurde ein verbindliches Bio-Zeichen
       eingeführt, um Greenwashing und Trittbrettfahrer zu entlarven.
       
       Intern kämpfte sie gegen die alte Clique der Agrarindustrie im eigenen
       Haus. Das Bauernsterben und den Krieg der Landwirtschaft gegen die Natur
       konnte auch Künast nicht aufhalten. Ihr großes Verdienst war das
       Aufbruchssignal. Keine Revolution im Stall, eher in den Köpfen. Künast
       beförderte das im Zuge der BSE-Krise entstandene neue Narrativ für eine
       andere, naturverträglichere Landwirtschaft, für einen anderen Umgang mit
       den Nutztieren.
       
       Nach dem Ende von Rot-Grün im Bund agierte Künast als Fraktionsvorsitzende
       der Grünen im Bundestag, 2010 kandidierte sie erfolglos für das Amt der
       Regierenden Bürgermeisterin von Berlin. Dann wurde es ruhiger um die in
       Recklinghausen geborene Politikerin.
       
       Aber noch einmal verbuchte sie einen politischen und juristischen Erfolg,
       als sie sich [3][gegen Hatespeech im Netz zur Wehr setzte]. Künast war in
       Facebookposts unter anderem als „geisteskrank“ und „Drecksschwein“
       beschimpft worden. Nachdem ihre Klage zunächst abgewiesen worden war,
       korrigierte das Berliner Kammergericht diese Entscheidung und gab Künast
       nach langem juristischem Streit endlich recht.
       
       Nun will Renate Künast Platz für Jüngere machen. Ihrem Berliner
       Kreisverband hat die 68-Jährige in einem Brief mitgeteilt, 2025 nicht mehr
       für den Bundestag zu kandidieren.
       
       9 Jul 2024
       
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