# taz.de -- Mehrwertsteuer auf Tierprodukte: Fleisch soll teurer werden
       
       > Die Zukunftskommission Landwirtschaft rät, die Mehrwertsteuer auf
       > tierische Lebensmittel zu erhöhen. Das soll eine bessere Viehhaltung
       > finanzieren.
       
 (IMG) Bild: Bald mehr wert durch Steuererhöhung?
       
       BERLIN taz | Das wichtigste Beratergremium der Bundesregierung zur
       [1][Landwirtschaft] empfiehlt, mehr Tierschutz mit Hilfe einer höheren
       Mehrwertsteuer auf Fleisch zu finanzieren. Wenn die Verbraucher
       Tierwohlprämien für Bauern mitbezahlen müssten, sollte dies über „die
       Anhebung des bisher reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische
       Produkte“ geschehen, heißt es in einem Papier der Zukunftskommission
       Landwirtschaft. Das Gremium, dem zum Beispiel der Deutsche Bauernverband,
       der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Tierschutzbund
       angehören, will seine Vorschläge am Donnerstag bei einem Treffen mit
       Kanzler Olaf Scholz (SPD) vortragen.
       
       Die zusätzlichen Einnahmen sollen den Experten zufolge Bauern erhalten,
       wenn sie in tierfreundlichere Ställe investieren. Auch die laufenden
       Mehrkosten etwa für Personal sollen subventioniert werden. Ziel ist eine
       Tierhaltung, die von der Gesellschaft akzeptiert wird. Die aktuellen
       Haltungsbedingungen werden kritisiert – etwa weil den meisten Schweinen die
       Ringelschwänze abgeschnitten werden, damit die Tiere sie sich in der
       Monotonie und Enge ihrer Ställe nicht gegenseitig abbeißen.
       
       Ein Großteil des Viehs kommt nie an die frische Luft. Zudem ist vor allem
       die Tierhaltung dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft laut
       Umweltbundesamt 14 Prozent der deutschen Treibhausgase verursacht. Der
       Ausstoß könnte sinken, wenn Fleisch und Milchprodukte teurer wären und
       deshalb weniger gekauft würden. Doch bisher werden diese Nahrungsmittel
       sogar verbilligt, weil für sie nur 7 Prozent statt der regulären 19 Prozent
       [2][Mehrwertsteuer] fällig werden.
       
       ## Vergleichsweise einfach
       
       Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes sei einfacher als eine neue
       Verbrauchssteuer einzuführen, schreiben die Experten: „Die Umsetzung wäre
       vergleichsweise einfach, weil kein neues Politikinstrument geschaffen,
       sondern lediglich ein Steuersatz einer bestehenden Steuer angepasst werden
       muss.“
       
       Dem hat sich nun auch der ebenfalls in der Kommission vertretene Bund
       Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) angeschlossen. Der Bioverband
       hatte eine Mehrwertsteuererhöhung abgelehnt, weil sie die schon jetzt hohen
       Preise von Fleisch aus besserer Haltung mit Siegeln wie „Bio“ oder „Für
       mehr Tierschutz“ absolut gesehen stärker verteuert als die billigeren
       Produkte.
       
       Deshalb hatte die Biobranche eine feste Tierwohlabgabe – zum Beispiel 40
       Cent pro Kilogramm Fleisch – bevorzugt. Doch so eine Abgabe wäre schwer mit
       dem EU-Recht zu vereinbaren gewesen. Deshalb stimmte der BÖLW einem
       Kompromiss zu: Um den Preisabstand zur konventionellen Ware trotz höherer
       Mehrwertsteuer zu begrenzen, muss es der Kommission zufolge einen Ausgleich
       geben. Ökohalter könnten beispielsweise eine höhere Tierwohlprämie
       erhalten.
       
       Für Haushalte mit geringen Einkommen sieht der Vorschlag eine Kompensation
       vor, „weil sie durch ihre relativ hohen Ausgabenanteile für Nahrungsmittel
       überproportional belastet sind“. In Frage komme zum Beispiel, die
       Grundsicherung und die Einkommensteuer anzupassen. Der Bund könne auch die
       Mehrwertsteuer „auf bestimmte Produkte“ senken. Ebenfalls denkbar wäre, die
       Steuer auf tierische Lebensmittel nur „schrittweise“ anzuheben, also nicht
       sofort auf die vollen 19 Prozent. „Dies entspräche auch der Tatsache, dass
       der Finanzierungsbedarf für Tierwohlprämien in den ersten Jahren deutlich
       unterhalb von 1 Milliarde €/Jahr liegen und erst langsam ansteigen wird“,
       so die Kommission.
       
       ## Bauernverband stimmt zu – und bremst
       
       Auch der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken, war an der
       Empfehlung beteiligt. Aber Verbandspräsident Joachim Rukwied erklärte kurz
       nach Bekanntwerden des Papiers: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den
       Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den
       Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen.“
       
       Wird die Ampelkoalition die Vorschläge der Kommission in dieser
       Legislaturperiode umsetzen? Der ehemalige CDU-Bundesagrarminister Jochen
       Borchert hat an ihnen als Vorsitzender des inzwischen aufgelösten
       Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung ebenfalls mitgewirkt. Er antwortete der
       taz am Mittwoch: „Ich bin sehr skeptisch, weil die FDP bei ihren roten
       Linien ‚Keine neuen Steuern, keine Steuererhöhungen‘ geblieben ist, und ich
       habe große Zweifel, ob sie jetzt bei der Finanzierung der Transformation
       der Nutztierhaltung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zustimmt“.
       
       [3][Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne)] begrüßte die Vorschläge der
       Kommission zwar. Aber die FDP könnte ihn stoppen – es sei denn, der
       Kanzler weist sie in die Schranken.
       
       10 Apr 2024
       
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