# taz.de -- Abschiebung nach Afghanistan: „Es drohen Verfolgung, Hunger, Tod“
       
       > Erstmals organisiert Brandenburg einen Abschiebeflug nach Afghanistan.
       > Linken-Abgeordnete Andrea Johlige kritisiert dies als willkürlich und
       > inhuman.
       
 (IMG) Bild: Abschiebung vom Flughafen Leipzig-Halle 2019 nach Afghanistan
       
       taz: Frau Johlige, am Mittwochabend soll ein Abschiebeflug vom Flughafen
       BER nach Afghanistan gehen. Berlin und Brandenburg schieben ja eigentlich
       nur Straftäter ab. Was stört Sie daran? 
       
       Andrea Johlige: Erstmal ist Afghanistan nicht sicher, die Sicherheitslage
       dort hat sich weiter verschärft. Dann hat sich angesichts der Pandemie auch
       die wirtschaftliche Lage dort verschärft. Inzwischen gibt es daher ein
       [1][Urteil vom Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg], in dem
       festgestellt wird, dass selbst alleinstehende junge Männer nicht in der
       Lage sind, vor Ort ihre notwendigsten Bedürfnisse zu befriedigen, also
       Nahrung, Kleidung und dergleichen. Aus Baden-Württemberg darf darum niemand
       mehr nach Afghanistan abgeschoben werden. Dieses Urteil sollte auch für
       Berlin und Brandenburg wegweisend sein. Gerade angesichts der Pandemie
       finde ich es zudem höchst inhuman, Menschen abzuschieben in ein Land, in
       dem ihnen Verfolgung, Hunger und Tod drohen.
       
       Auch wenn sie Straftäter sind? 
       
       Das stimmt ja noch nicht einmal, dass nur Straftäter abgeschoben werden. In
       Brandenburg gibt es drei Kategorien von Menschen, die nach Afghanistan
       abgeschoben werden: zum einen Straftäter, dann Intensivtäter, das sind
       Menschen, die noch nicht verurteilt wurden für eine Straftat, und
       „Intensivstörer“. Diese Kategorie hat Brandenburg neu erfunden.
       
       Was soll das sein? 
       
       Das sind Leute, die irgendwie mal auffällig geworden sind – genauer
       definiert ist das nicht, was natürlich sehr problematisch ist. Und wir
       wissen, dass im Februar sogar ein Mann aus Brandenburg abgeschoben wurde,
       der ausgebildeter Sanitäter war, keine Straftaten begangen hatte und gerne
       in der Pandemie gearbeitet hätte. Aber er hat keine Arbeitserlaubnis von
       der zentralen Ausländerbehörde bekommen. Warum schiebt man so jemanden ab,
       bitte? Da spielt offensichtlich eine gewisse Willkür mit.
       
       Warum sind beide Landesregierungen so daran interessiert, solche
       Abschiebungen durchzusetzen, was meinen Sie? In Berlin verstößt das ja
       sogar gegen den Koalitionsvertrag, der Abschiebungen in Krisenregionen
       ausschließt. 
       
       Zu Berlin kann ich nichts sagen. In Brandenburg wurden, als es noch eine
       rot-rote Landesregierung gab, drei Personen nach Afghanistan abgeschoben,
       wogegen wir uns als Linke immer gegen gestemmt haben. Jetzt in der
       Kenia-Koalition ist das deutlich mehr geworden: wenn ich richtig gezählt
       habe, wurden seither sieben Menschen dorthin abgeschoben. Außerdem haben
       wir Wahljahr und die CDU-Innenminister wollen sich natürlich als die
       starken Männer darstellen, da scheint gerade eine Art Wettbewerb zu laufen,
       wer der „tollste Abschiebeminister“ ist. Insofern glaube ich, dass es auch
       politisch motivierter Wahlkampf ist, was der Brandenburger Innenminister
       gerade macht.
       
       Geht das Kalkül denn auf? Was hören Sie von WählerInnen – kommt das gut bei
       denen an: Straftäter abzuschieben? 
       
       Naja, es kommt drauf an, wen man fragt. Derzeit ist es ja so, dass das
       Thema durch die Pandemie sehr in den Hintergrund getreten ist. Ich würde
       mir wünschen, dass wir viel mehr darüber reden, wie wir Geflüchtete
       integrieren, gerade in der Pandemie. Wir können doch ausgebildete Sanitäter
       gut gebrauchen! Wir haben auch einen riesigen Pflegenotstand – und in
       Brandenburg gibt es Projekte, mit denen Asylbewerber, auch solche, die
       bereits abgelehnt wurden, in Pflegeberufen ausgebildet werden können. Über
       all dies würde ich gerne mehr reden als über Abschiebewettbewerbe. Zumal
       wir diesmal eine neue Qualität erreicht haben.
       
       Wieso? 
       
       Bislang hat Brandenburg sich immer nur beteiligt an Sammel-Abschiebungen,
       die andere organisiert haben. Dieses Mal scheint es so zu sein, dass
       Brandenburg zusammen mit dem Bund diese Abschiebung sogar organisiert hat.
       Das ist schon eine neue Qualität. Ich denke, die anderen beiden
       Koalitionspartner, SPD und Grüne, sollten mal drüber nachdenken, wie sie
       damit umgehen. Denn eigentlich lehnen meines Wissens zumindest die Grünen
       solche Abschiebungen doch ab.
       
       7 Apr 2021
       
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 (DIR) [1] https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/8969988/?LISTPAGE=1213200
       
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