# taz.de -- Affäre um Nazi-Flugblatt: Aiwanger muss gehen
       
       > Die heutigen Hetztiraden Aiwangers wiegen schwerer als seine
       > Jugendsünden. Er sollte wegen seiner demokratiefeindlichen Gesinnung
       > abtreten müssen.
       
 (IMG) Bild: Wahlplakate mit Aiwanger vor der Bayerischen Staatskanzlei
       
       [1][Hubert Aiwanger muss nachsitzen], doch lässt Markus Söder den
       Volkstribun fallen, mit dem er „exzellent zusammengearbeitet“ hat? Söders
       Vorbild [2][Franz Josef Strauß], von 1961 bis 1988 Vorsitzender der
       Christlich-Sozialen Union, gilt als Ideal jener „Vollblutpolitik“, die
       heute vermisst wird: der deutsche Prototyp des Populisten, dem die Symbiose
       von Führung und Volk gelang. So hielt seine Partei jahrzehntelang die
       absolute Mehrheit im Bayerischen Landtag.
       
       Zum einen marginalisierte die Mischung von Lederhose und Laptop die
       „Sozis“, zum anderen machte Strauß seine erklärte Absicht wahr, rechts von
       ihm sei nur die Wand. Die NPD blieb 1966 eine Eintagsfliege, die REPs von
       Franz Schönhuber schafften die fünf Prozent in Berlin, Brüssel und
       Stuttgart, aber nicht in München. Dann kam doch der Absturz: Rechts von der
       unverdrossen selbstherrlichen CSU hat sich die [3][AfD] etabliert und die
       Freien Wähler (FW), die manche erst nach [4][Aiwangers Ausfällen] als
       Rechte erkannt haben.
       
       Seinen Anhängern gilt er als der neue Strauß, noch volksnäher und
       diffamatorischer. Will sagen: Bayerns Wählerschaft ist rechts stabil
       geblieben, hat sich aber auf drei Parteien verteilt. Würde die
       [5][Flugblatt-Affäre Söders Koalitionsoption] durchkreuzen, wäre das für
       ihn fatal. Er müsste – wie die CDU in Hessen und in NRW – auf seinen (und
       Friedrich Merz’) erklärten Hauptgegner, die Grünen, umschwenken und mehr
       als Bäume streicheln.
       
       Die Reaktion auf Aiwangers heutige Hetztiraden, die eher im Fokus stehen
       sollten als seine Jugendsünden, ist ein Crashtest der [6][„Brandmauer“] und
       demonstriert das Dilemma der gesamten Union. Koaliert sie mit den
       Ultrarechten, verliert der Konservatismus seine Seele; hält das Tabu,
       verliert sie ihre Machtoption und muss auf der gemäßigten Linie bleiben,
       die von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis zu [7][Angela Merkel] führte.
       Söder braucht Aiwanger nur noch als Blitzableiter des AfD-Gewitters.
       
       Um zu ermessen, wie Machtpolitiker wie Söder oder Michael Kretzschmer
       reagieren, wenn ihnen Figuren wie Aiwanger und Björn Höcke Konkurrenz
       machen, muss man sich nur Strauß im Originalton von 1987 anhören, als ihm
       die REPs die absolute Macht streitig machten: Es solle keine demokratisch
       legitimierte Partei rechts von der Union geben. FW und AfD können durchaus
       von sich behaupten, demokratisch legitimiert zu sein.
       
       Das heißt: Über Aiwangers Schicksal entscheidet am Ende nicht die
       Staatskanzlei, sondern die bayerischen Wählerinnen und Wähler. Aiwanger
       muss gehen, und zwar vor allem wegen der demokratiefeindlichen Gesinnung,
       die er heute in Talkshows und Bierzelten an den Tag legt.
       
       29 Aug 2023
       
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