# taz.de -- Aktivist über LGBTI-Politik der Union: „Blockieren und verzögern“
       
       > Bei der EM wird um Regenbogenflaggen gestritten. Dass die Union sich
       > LGBTI-freundlich inszeniere, sei widersprüchlich, sagt Axel Hochrein.
       
 (IMG) Bild: Wenn ein Herr Söder sich mit Regenbogenmaske zeigt, ist das zwiespältig
       
       taz: Herr Hochrein, auch Politiker von CDU und CSU haben in der vergangenen
       Woche die Entscheidung der UEFA kritisiert, [1][dass die Allianzarena beim
       Spiel gegen Ungarn nicht in Regenbogenfarben leuchten darf.] Ist das nur
       Symbolik oder folgen dem auch Taten? 
       
       Axel Hochrein: Die Union wollte sich da politisch nicht auf das
       Abstellgleis begeben. Es ist zwar gut, dass sich so viele Politiker_innen
       geäußert haben, aber gerade, wenn ein Herr Söder sich mit Regenbogenmaske
       zeigt, ist das zwiespältig. Das steht im Widerspruch dazu, dass die Union
       eine ganze Reihe von Projekten queere Politik in Deutschland in der
       Vergangenheit blockiert und unter den Tisch gekehrt hat.
       
       Welche zum Beispiel? 
       
       Im Koalitionsvertrag stand, dass man sexuelle Vielfalt fördern und
       Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität verhindern wolle. Beides
       ist weitgehend an der Union gescheitert. Bekommt ein lesbisches Paar ein
       Kind, dann werden nicht beide Mütter als Eltern anerkannt, sondern ein
       Elternteil muss den aufwendigen Weg einer Adoption gehen.
       
       Auch das Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer wurde aufgrund
       der Union nicht abgeschafft. Und transgeschlechtliche Menschen müssen vor
       geschlechtsangleichenden Maßnahmen weiterhin psychologische Gutachten
       einholen.
       
       Am Widerstand der Union ist es auch gescheitert, den Gleichheitsartikel 3
       Abs. 3 im Grundgesetz um den Begriff „sexuelle Identität“ zu ergänzen. Das
       wäre aber nötig, damit der Staat verfassungsmäßig verpflichtet wäre,
       jegliche Diskriminierung von LSBTI zu beenden. Die SPD hat dies zwar alles
       begrüßt, aber konnte sich gegen die Union nicht durchsetzen.
       
       Die Ehe für alle seit 2017, das dritte Geschlecht im Personenstandsrecht
       seit 2019, das Verbot von Konversionstherapien im vergangenen Jahr. Das ist
       doch alles unter Mitwirkung der Union zustande gekommen… 
       
       In der letzten Legislatur gab es zwei Fälle, in denen die Union
       vorangegangen ist. Jens Spahn hat die Konversionstherapien verboten, die
       Homosexualität „heilen“ sollen. Das stimmt. Und dann hat sich Annegret
       Kramp-Karrenbauer für die Rehabilitierung von homosexuellen Soldatinnen und
       Soldaten in der Bundeswehr eingesetzt.
       
       Bei der Ehe für alle und dem dritten Geschlecht musste die Union aber
       einfach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts folgen. Dass sie einen
       aktiven Anteil am Zustandekommen dieser Gesetze hatte, kann man wirklich
       nicht sagen.
       
       Letztes Jahr wurde der Bundesverband für Lesben und Schwule in der Union
       (LSU) als offizieller Teil der Partei anerkannt. Gibt es denn einen Wandel
       innerhalb der Union? 
       
       Ja, in den letzten 20 Jahren hat sich ein einiges in der Union verändert.
       Das zeigen nicht nur die Initiativen von Spahn und Kramp-Karrenbauer,
       sondern auch CDU-Abgeordnete wie Jan-Marco Luczak und Heribert Hirte, die
       sich beide für die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes einsetzen. Es
       gibt Teile in der Union, die eine Modernisierung der Partei wollen.
       
       Auch dass die LSU als Sonderorganisation der Union anerkannt wurde, steht
       dafür. Für uns ist die LSU sogar die wichtigste parteipolitische, queere
       Organisation, weil sie die Aufgabe hat, die Union in die Gegenwart zu
       holen.
       
       Im [2][Wahlprogramm von CDU und CSU] steht trotzdem nichts, was für die
       LSBTI-Gemeinschaft relevant ist. Wie enttäuscht sind Sie? 
       
       Wenn das ein Wahlprogramm von vor 20 Jahren gewesen wäre, dann hätte ich
       nichts anderes erwartet. Gerade weil sich die Union aber etwas verändert
       hat, hätte ich mir mehr erhofft. Dass LSBTI-Themen vollkommen
       totgeschwiegen werden, ist eigentlich skandalös. In den 149 Seiten des
       Wahlprogramms findet sich kein Mal das Wort „schwul“, „lesbisch“, „queer“
       oder „Regenbogen“. Es gibt keine Aussage der Union, wie sie das Leben von
       LSBTI in Deutschland verbessern will.
       
       Warum hängt die Union trotz aller Fortschritte der gesellschaftlichen
       Realität noch immer so hinterher? 
       
       Das hat mit einem falschen Verständnis von Konservatismus zu tun.
       Konservativ sein heißt nicht, stur an dem festzuhalten, was einmal war,
       sondern dem Neuen kritisch prüfend gegenüberzustehen. Das bedeutet aber
       auch, dass man manchmal etwas Neues umsetzen muss, was positive
       Auswirkungen für viele Menschen hat.
       
       Außerdem fühlt sich die Union sehr stark der katholischen Kirche verbunden.
       Die betrachtet Homosexualität bekanntermaßen als Sünde und als wider die
       Natur. Und die Union hat sich immer als Wahrer der Familie gesehen, aber
       nie realisiert, dass sich das Familienbild in Deutschland geändert hat. Es
       gibt nicht nur Regenbogenfamilien, sondern auch alleinerziehende Familien
       oder Patchworkfamilien. Die Union verfolgt immer noch das Ideal: Vater,
       Mutter, Kinder.
       
       Nach September wird es wohl keine Koalition ohne die Union geben. Haben sie
       trotzdem Hoffnung? 
       
       Entscheidend wird sein, wer die Koalitionspartner der Union werden.
       Eigentlich sind die Parteiprogramme von Grünen, Linken und FDP recht
       LSBTI-freundlich. Bei der SPD ist das sogar in außergewöhnlicher Weise der
       Fall.
       
       Aber es kommt auch darauf an, wie gut mögliche Koalitionspartner einen
       Koalitionsvertrag aushandeln. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es bei
       Absprachen mit der Union besonderer Klarheit bedarf. Es müssen konkrete
       gesetzliche Maßnahmen und Ziele formuliert werden, die dann zu einer
       Bedingung für eine Koalition erhoben werden. Nur so lassen sich CDU und CSU
       bewegen. Nebulöse Formulierungen wird die Union dagegen nutzen, um weiter
       zu blockieren und zu verzögern.
       
       29 Jun 2021
       
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