# taz.de -- Argentinien droht WM-Aus: Messi fehlt der Rahmen
       
       > Dass die Argentinier in Russland schwimmen, hat auch mit einem
       > Autoritätsproblem zu tun. Superstar Messi ist ein Teil davon. Ist er auch
       > die Lösung?
       
 (IMG) Bild: Lionel Messi (l.) und (Noch-)Coach Joge Sampaoli: Nur einer kann die Richtung vorgeben
       
       MOSKAU taz | Am Sonntag hatte Lionel Messi das erste Mal bei dieser
       Weltmeisterschaft etwas zu feiern. Er hatte Geburtstag. Eine Sahnetorte von
       der argentinischen Küchenchefin Antonia gab es für den nun 31-Jährigen mit
       zwei blauweißen Zahlenkerzen drauf. Dazu eine Fotocollage: der kleine Bub
       und der große Weltstar auf einem Bild. Es wurde der ganz große Bogen
       gespannt.
       
       Man könnte das Präsent für ein Abschiedsgeschenk halten, denn das
       entscheidende letzte Gruppenspiel in St. Petersburg gegen Nigeria könnte
       der letzte Auftritt von Messi im Nationaltrikot sein. Nach zwei hilflosen
       Vorstellungen [1][gegen Island (1:1)] und [2][Kroatien (0:3)] droht den
       Südamerikanern die vorzeitige Heimreise. Für den Fall eines frühen
       Scheiterns hatte Messi bereits der spanischen Zeitung Sport seinen
       Rücktritt angedeutet.
       
       Es wäre ein unrühmlicher Abgang für einen Mann, der sich beim FC Barcelona
       den Status des Unfehlbaren erworben hat. Aber im argentinischen
       Nationaltrikot ist aus dem Unfehlbaren wieder einmal der Unscheinbare
       geworden. Gegen Island versemmelte er einen Elfmeter und gegen Kroatien
       fiel er eben mit seiner Unauffälligkeit auf. In der ersten Hälfte hatte nur
       Torhüter Willy Caballero weniger Ballkontakte als der gut abgeschirmte
       Messi.
       
       ## Feindbild Ronaldo
       
       Heftige Kritik musst er sich auch deshalb von seinen Landsleuten gefallen
       lassen. Am meisten Aufsehen sorgte eine angeblich geleakte Sprachnachricht
       von Diego Simeone, dem Trainer von Atlético Madrid, die er seinem
       Assistenten Germán Burgos schickte. Ihr Inhalt wurde in Argentiniens Medien
       rasant weiterverbreitet und von seinem Urheber bislang nicht dementiert:
       „Messi ist sehr gut, aber er ist sehr gut, weil er in einem Team mit
       außergewöhnlichen Spielern spielt. Wenn du zwischen Messi und Ronaldo für
       ein normales Team wählen müsstest, wen würdest du wählen?“ Der so
       leidenschaftliche Simeone mag aus bitterer Enttäuschung gesprochen haben,
       aber ein Argentinier, der Ronaldo Messi vorzieht, das grenzt in diesem Land
       an Gotteslästerung.
       
       Da hilft es wenig, dass Nationaltrainer Jorge Sampaoli nach der Pleite
       gegen Kroatien in Nischni Nowgorod vor den aufgebrachten argentinischen
       Journalisten alle Schuld auf sich genommen hat. Mit einer pathetischen
       Kreuzigt-mich-Attitüde erklärte der kleine muskelbepackte Mann mit dem
       Glatzkopf: „Ich treffe die letzten Entscheidungen. Die Niederlage ist meine
       Verantwortung.“
       
       Sampaoli wird im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens gewiss geschasst
       werden, jedoch eher als Witzfigur denn als Verantwortlicher in Erinnerung
       bleiben. In Argentinien wurde schon bei der WM 2014, als der Coach noch
       Alejandro Sabella hieß, gemunkelt, Messi würde die letzten Entscheidungen
       treffen. Das sei ein Grund, heißt es heute, weshalb sein betagter und nicht
       mehr wirklich schneller Freund Javier Mascherano mit seinen 34 Jahren einen
       Stammplatz sicher habe.
       
       Nach der Partie gegen Kroatien, so berichten argentinische Zeitungen, soll
       es zu einer endgültigen Entmachtung von Sampaoli durch Messi und Co.
       gekommen sein. Angesichts dieses uralten Autoritätsproblems in Argentiniens
       Nationalmannschaft ist es umso erstaunlicher, dass der Verband in den
       letzten Jahren keine Lehren daraus gezogen hat. Muss Messi etwa noch
       unbedingt beweisen, dass er auch ein guter Trainer ist? Und muss er selbst
       wissen, was für ihn gut ist?
       
       Der Ausnahmespieler, das zeigen seine Jahre in Barcelona, ist viel mehr als
       andere Stars dieser Welt auf einen starken Trainer angewiesen. Die Debatte,
       weshalb Messi bei Barca so auffallen und im Nationaltrikot so abtauchen
       kann, ist uralt. Schon 2011, als die Albiceleste bei der Copa América
       enttäuschten, diskutierte ganz Argentinien darüber. Sein damaliger
       Klubtrainer Pep Guardiola, unter dem der Argentinier seine absolute
       Blütezeit erlebte, erklärte seinerzeit: „Du musst Messi den richtigen
       Rahmen schaffen, dann enttäuscht er nie die Erwartungen. Wenn er nicht gut
       spielt, dann liegt es daran, dass um ihn herum etwas nicht stimmt.“
       
       26 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gruppe-D-Argentinien--Island/!5513564
 (DIR) [2] /Gruppe-D-Argentinien--Kroatien/!5515164
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Frauen-WM 2019 
 (DIR) WM-taz 2018: Auf dem Platz
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Lionel Messi
 (DIR) Fußball
 (DIR) Lionel Messi
 (DIR) Frauen-WM 2019 
 (DIR) Frauen-WM 2019 
 (DIR) WM-taz 2018: Neben dem Platz
 (DIR) Frauen-WM 2019 
 (DIR) Frauen-WM 2019 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) FC Barcelona verliert Weltfußballer: Messi hinterlässt Chaos
       
       Die Klubikone kündigt ihren Abschied vom FC Barcelona an. Die
       Vereinsführung wird ihn wohl ziehen lassen müssen. Eine Spaltung droht.
       
 (DIR) Gruppe D: letzter Spieltag: Ein Wunder. Messi kann WM
       
       Im letzten Gruppenspiel macht Messi sein erstes WM-Tor – geht doch.
       Kroatien gewinnt alle drei Partien. Island und Nigeria sind raus.
       
 (DIR) Island überzeugt neben dem Platz: Das beste Land der Welt
       
       Mehr Vulkane als Fußballer, Penis-Museum, besondere Datingapp. Isländischer
       Fußball ist dann schön, wenn man das Drumherum mitdenkt.
       
 (DIR) Das Nationale an der WM: „Sie haben es für ihr Land getan“
       
       Patriotismus und internationaler Wettbewerb schließen sich nicht aus, im
       Gegenteil. Die Partie Nigeria gegen Island zeigt das auf ihre Weise.
       
 (DIR) Kroatiens Triumph gegen Argentinien: „Wir waren exzellent“
       
       Kroatien schlägt Argentinien 3:0 und ist plötzlich Titelkandidat. Ein
       Ergebnis, das auch Trainer Zlatko Dalić zu verdanken ist.
       
 (DIR) Gruppe D: Argentinien – Kroatien: So liegen die Gauchos
       
       Blau-weiße Streifen gegen blau-schwarze Karos: Geschirrtuchzeit in Gruppe
       D. Ein ruppiges Spiel, in dem Kroatien mehr als nur besser ist.