# taz.de -- Aus für Hamburger Clubs: Adieu, du alte Stube
       
       > Vier Clubs an der Hamburger Sternbrücke schließen. Während die Astra
       > Stube nicht weiß, ob es anderswo weitergeht, droht der nächsten
       > Institution das Aus.
       
 (IMG) Bild: Die letzten Tage an der Hamburger Sternbrücke sind gezählt: Die Subkultur muss diesen Ort verlassen
       
       HAMBURG taz | Es ist schon ein Wunder, dass das nicht trostlos wirkt:
       Vormittags bei grauer Wolkendecke plätschert Wasser von den rostenden
       Stahlträgern runter auf den Fußweg und bildet große Pfützen, die Automassen
       schieben sich auf sechs Spuren aus vier Richtungen kommend an den schmalen
       Fußwegen vorbei, wo alle paar Meter noch Scherben von Bierflaschen liegen
       und Radfahrer:innen versuchen, ihnen auszuweichen.
       
       Doch ein paar ganz kleine, bunte Lichter leuchten durch die zwei großen
       Glasscheiben [1][aus dem engen Raum unter der Bahnbrücke heraus und
       veranschaulichen: Noch sind hier mehrere unterschiedlich ausgerichtete
       (Sub-)Kulturstätten Zuhause.]
       
       Drinnen füllt Daniel Höötmann gerade ein paar Bierflaschen in den
       verglasten Kühlschrank, auf dem Tresen steht sein Laptop, mit dem er
       zwischendurch die Rückerstattung der Ticketpreise für ein ausgefallenes
       Konzert abwickelt. Weihnachten ist vorbei und die letzten Tage der Astra
       Stube in Hamburg-Altona sind angebrochen.
       
       „Es sind gerade ganz viele letzte Male“, sagt Höötmann, der Teil des
       Vereins Astra Stube Musikkultur e.V. ist und damit den Club mitbetreibt.
       Ein letzter Dienstplan für den Tresen, eine letzte Getränkebestellung, die
       letzten Absprachen mit den Bands, die bis Jahresende noch hier spielen
       sollen.
       
       ## Kein Punkrock, kein Hip-Hop, kein Techno mehr
       
       „An diesem Ort geht die Subkultur nun komplett verloren“, sagt Höötmann und
       meint damit nicht allein die Astra Stube. Im kommenden Jahr soll die
       denkmalgeschützte Sternbrücke für einen Neubau abgerissen werden, so
       beschlossen es Deutsche Bahn und die Stadt Hamburg trotz jahrelanger
       massiver Widerstände gegen die Pläne. Nun geht an Silvester ein Mikrokosmos
       verloren.
       
       Vier Clubs unter der Brücke, in den Kasematten, müssen nun raus: In der
       Astra Stube spielen dann keine Indie- und Punkrock-Bands mehr, im Waagenbau
       läuft dann kein Hip-Hop mehr, im Fundbureau kein Techno und in der Beat
       Boutique legt auch dann auch niemand mehr auf. Und auch in der angrenzenden
       Bar 227 gibt es dann weder Bier noch Live-Musik, einer von drei Kiosken an
       der Kreuzung muss dichtmachen.
       
       „Das wird dann der langweiligste Ort der Stadt“, sagt Höötmann, während
       über dem Club alle paar Minuten ein Zug fährt und es unten ein bisschen
       vibriert und rauscht. „Die Läden haben sich ja gegenseitig befruchtet“,
       sagt Höötmann. Wer auf ein Konzert in die Astra Stube ging, landete
       hinterher vielleicht noch im Fundbureau, wem die Schlange vorm Waagenbau zu
       lang war, ging erst mal in die Beat Boutique.
       
       Lange wurde um die Zukunft der Sternbrücke und den Erhalt der Clubs
       gerungen, manche Idee für ein neues gemeinsames Zuhause spukte
       zwischendurch herum. „Wir haben über Jahre hinweg versucht, mit der Stadt
       über Alternativen zu sprechen“, sagt Höötmann. „Doch da kam nie eine
       richtige Antwort.“ Zuletzt aber schien die Stadt mit ihrer Hilfe ernst zu
       machen und zauberte mit mehreren Räumen nahe des Hauptbahnhofs, ebenfalls
       unter Bahngleisen gelegen, Alternativen aus dem Hut.
       
       ## Schwierige Suche nach Alternativen
       
       Die Astra-Stuben- und auch die Waagenbau-Betreiber:innen gingen darauf
       letztlich nicht ein: Zu schlecht erschien ihnen die Lage, die Miete für
       einen dann deutlich größeren Raum wäre für einen kleinen, von einem Verein
       betriebenen Club wie der Astra Stube nicht zu stemmen gewesen, der Umbau
       ohnehin nicht: „Wir haben uns das angeschaut, aber das würden wir nicht
       finanziert bekommen“, sagt Höötmann.
       
       Die Astra Stube ist schließlich ein gemeinnütziger Verein, der von
       Musikbegeisterten am Laufen gehalten wird. „Das ist ein
       Do-it-Yourself-Projekt, das glücklich ist, wenn es am Ende des Monats kein
       Minus gemacht hat“, sagt Höötmann, der hauptberuflich Tour-Booker ist.
       
       Den ganzen Dezember über haben befreundete Bands der Astra Stube ein
       letztes Mal zum Abschied gespielt, zwei Konzerte stehen nun am Freitag und
       Samstag noch an. Bei den bereits gespielten Abschiedskonzerten war es immer
       voll.
       
       Wie am Abend 85 Zuschauer:innen in diesen kleinen Raum gepasst haben
       sollen, ist tagsüber, bei hellem Licht betrachtet, schwer vorstellbar:
       Zwischen der Stufe am Fenster und der niedrigen Bühne sind kaum drei Meter
       Platz, wer rechts am Tresen steht, hat direkt das Schlagzeug vor sich. „Für
       kleine, neue Bands war hier ja das Schöne: Auch vor 20 Leuten wirkte es
       voll“, sagt Höötmann.
       
       ## Molotow erhielt Kündigung
       
       „Wo sollen die Newcomer denn nun hin?“, fragt Höötmann. Natürlich gibt es
       in Hamburg eine ganze Menge Liveclubs, nur haben die alle ihr spezielles
       Programm, sind teilweise deutlich größer. In Frage kommt das Molotow, das
       hat schließlich eine ähnliche musikalische Ausrichtung und im Keller eine
       ähnlich kleine Bühne. Nur: Zwei Tage vor Weihnachten kam auch für diesen
       Club die Hiobsbotschaft: [2][Schon in sechs Monaten soll der Club raus, das
       Gebäude am Ende der Reeperbahn soll abgerissen werden und Platz machen für
       ein „Boutique Hotel“.]
       
       Das in wenigen Tagen anstehende Aus mehrerer Clubs an der Sternbrücke, die
       Kündigung für das Molotow: In der selbsternannten „Musikstadt Hamburg“
       schlägt das hohe Wellen: „Die Vorgänge um das Molotow bringen das Fass zum
       Überlaufen“, heißt es im [3][Aufruf zu einer Demonstration für den Erhalt
       der gefährdeten Hamburger Kulturstätten am Samstag]. Am drohenden Aus des
       Molotow zeige sich ein strukturelles Problem: Kleinere Kulturorte „abseits
       der Elbphilharmonie“ [4][werden von der Stadtentwicklung ignoriert.] „Es
       gilt, Kulturorte künftig besser zu schützen“, fordert das Clubkombinat, das
       die Hamburger Musikclubs vertritt, daher.
       
       Für die Astra Stube kommt diese Forderung nun zu spät, nach 24 Jahren unter
       der Brücke ist Schluss. Und diese Kreuzung, über die dann eine neue Brücke
       führen soll, wird tatsächlich ein trostloser Ort, gerade weil obendrüber
       bald glänzend frische Stahlträger ragen werden, von denen kein Regen mehr
       heruntertropft. Und weil sich keine kleinen bunten Lichter aus dem inneren
       der Astra Stube mehr in den Scherben der zerbrochenen Bierflaschen vom
       Vorabend auf dem Fußweg spiegeln.
       
       29 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Konzertschuppen-in-der-Pandemie/!5743786
 (DIR) [2] /Club-Sterben-in-Hamburg/!5981482
 (DIR) [3] https://clubkombinat.de/demo-aufruf-molotow-muss-bleiben/
 (DIR) [4] /Esso-Haeuser-an-der-Reeperbahn-in-Hamburg/!5952778
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
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