# taz.de -- Ausbildung in Schwangerschaftsabbrüchen: Ärzt*innen gesucht
       
       > Auch in Bremen gibt es zu wenig Mediziner*innen, die Abtreibungen
       > durchführen. Die Koalition will dies mit verbesserter Aus- und
       > Weiterbildung lösen.
       
 (IMG) Bild: Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, müssen sich vorwerfen lassen, Leben zu töten
       
       BREMEN taz | Im Land Bremen gebe es [1][zu wenig Ärzt*innen, die
       Schwangerschaftsabbrüche durchführen], finden Linke, Grüne und SPD – und
       das soll der Senat jetzt ändern. Er solle alle Möglichkeiten nutzen, den
       „Schwangerschaftsabbruch in Bremen und Bremerhaven – also wohnortnah – zu
       ermöglichen“, heißt es [2][in einem aktuellen Antrag] an die Bürgerschaft.
       
       Die Koalitionsfraktionen vermuten, dass die [3][mangelnde Aus- und
       Weiterbildung zu Methoden] des operativen und medikamentösen
       Schwangerschaftsabbruchs ursächlich ist für den Ärzt*innenmangel.
       
       Der ist in Bremen noch nicht so gravierend wie etwa [4][in manchen Regionen
       in Niedersachsen]. Aber die Situation ist angespannt: Im Antrag steht, dass
       in Bremerhaven derzeit niemand Abbrüche durchführt. Das stimmt so nicht.
       Nach Angaben der Beratungsstelle Pro Familia in Bremerhaven gibt es zwei
       Ärzte, die an wenigen Tagen im Klinikum Reinkenheide operieren. Allerdings
       komme es immer wieder vor, dass einer oder sogar beide ausfielen, sagt die
       Leiterin der Beratungsstelle der taz.
       
       In der Stadt Bremen ist die Lage etwas besser. Die meisten Abbrüche werden
       im [5][medizinischen Zentrum von Pro Familia] durchgeführt. Es gib aber
       immer wieder Probleme, Ärzt*innen zu finden, was zu eingeschränkten
       Kapazitäten und verlängerten Wartezeiten führt. Daneben gibt es etwa eine
       Handvoll niedergelassener Gynäkolog*innen, von denen die offizielle
       [6][Liste der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung] aber nur zwei
       aufführt.
       
       Die anderen halten ihre Tätigkeit geheim, vermutlich um nicht ins Visier
       christlicher Fundamentalist*innen zu geraten. Zudem seien diese
       Kolleg*innen nahe am Rentenalter oder gar darüber hinaus, sagt die
       Vorsitzende des Bremer Berufsverbands der Frauenärzt*innen, Kerstin
       Schwarzer.
       
       Tatsächlich sind Methoden des Schwangerschaftsabbruchs nur an einigen
       Universitäten Thema im Medizinstudium – und dann auch nur theoretisch. Zur
       praktischen Ausbildung von Gynäkolog*innen gehören sie nicht, darüber
       entscheiden die Ärztekammern. Gelehrt wird in Deutschland bisher nur das
       Ausschaben der Gebärmutter nach Fehlgeburten. Schonendere Methoden, das
       haben internationale Studien gezeigt, sind aber das Absaugen und der
       medikamentöse Schwangerschaftsabbruch.
       
       Nun stellen sich die Antragsteller*innen von Rot-Grün-Rot vor, dass „das
       Land Bremen ein eigenes Fortbildungsprogramm für Ärzt*innen anbieten kann“
       – ohne dies näher zu erklären. Vorstellbar wäre, dass das Land Bremen
       Ärzt*innen unterstützt, die für sich entscheiden, das lernen zu wollen.
       
       Zudem solle sich der Senat dafür einsetzen, „dass im Rahmen der Ausbildung
       an Kliniken die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen gelehrt wird“, steht
       in dem Antrag. Das ist gerade in Bremen schwierig, da an den Kliniken
       verhältnismäßig wenige Abbrüche gemacht werden – und von denen ein Drittel
       nach der 14. Schwangerschaftswoche, bei denen ausgeschabt oder der Fötus
       tot geboren wird.
       
       Im Jahr 2019 wurden laut statistischem Bundesamt 236 ambulante und
       stationäre Abbrüche in Kliniken im Land Bremen vorgenommen – und 1.889 in
       ambulanten Praxen, 85 Prozent davon im medizinischen Zentrum von Pro
       Familia. Dort liegt die Expertise – aber wer sich dort ausbilden lässt,
       kann sich dies nicht für die Fachärztin anerkennen lassen.
       
       ## „Es geht nur über öffentlichen Druck“
       
       Dass die Politik versuche, Einfluss auf die ärztliche Ausbildung zu nehmen,
       sei richtig, sagt Alicia Baier, Gründerin und Vorsitzende von [7][Doctors
       for Choice]. „Es geht nur über öffentlichen Druck.“ Der Verein setzt sich
       unter anderem dafür ein, dass Schwangerschaftsabbrüche als Bestandteil der
       gynäkologischen Tätigkeit anerkannt werden. „Es muss einfach klar sein,
       dass das dazugehört“, sagt Baier.
       
       Auch Kerstin Schwarzer vom Bremer Berufsverband begrüßt den Antrag. „Es
       müssen beide Methoden gelehrt werden, das operative und das medikamentöse
       Vorgehen“, sowohl im Studium als auch in der Facharztweiterbildung. „Wenn
       ich als Ärztin keine Kompetenz in einer Tätigkeit habe, kann ich sie
       schwerlich anbieten.“
       
       Nicht umsetzbar ist der vierte und letzte Punkt auf der Wunschliste an den
       Senat. Weil es Frauen in manchen europäischen Ländern wie Polen noch
       schwerer haben, einen sicheren Schwangerschaftsabbruch zu bekommen, soll
       der Senat „prüfen, inwieweit EU-Ausländer*innen mit der europäischen
       Krankenversicherungskarte (EHIC) ein erleichterter Zugang zu medizinischen
       Einrichtungen gewährt werden kann“.
       
       Aber Abtreibungen sind in Deutschland keine Kassenleistung, auf Antrag
       übernehmen die Bundesländer die Kosten in Höhe von 350 bis 600 Euro für
       Frauen mit geringem Einkommen.
       
       14 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2020-07-01_Drs-20-522_ec1f7.pdf
 (DIR) [3] /Thema-Abtreibung-im-Medizinstudium/!5502618
 (DIR) [4] /Schwangerschaftsabbruch-in-Deutschland/!5571091
 (DIR) [5] /Pro-Familia-Zentrum-in-Bremen/!5642194
 (DIR) [6] /Aerztinnen-die-Abtreibungen-vornehmen/!5610018
 (DIR) [7] /Schwangerschaftsabbrueche/!5640807
       
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