# taz.de -- Ausbleibende Lohnzahlungen bei Wolt: Lieferdienst gibt sich ahnungslos
       
       > Zwei ehemalige Fahrer, die durch ein dubioses Subunternehmen beschäftigt
       > waren, klagen gegen ausbleibende Löhne. Doch Wolt mauert vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Die Fahrer:innen und ihre Unterstützer:innen protestieren vor dem Arbeitsgericht
       
       An einer schnellen Aufklärung scheint das Lieferunternehmen Wolt nicht
       interessiert zu sein. „Der Kläger ist als Lieferer in diesem Zeitraum nicht
       bekannt“, ließ die Anwältin bei der ersten Anhörung vor dem Arbeitsgericht
       verlauten. Geklagt haben zwei ehemalige Fahrer aus Pakistan, die das
       Unternehmen beschuldigen, ihnen bis heute [1][den Lohn für mehrere Monate
       Arbeit vorenthalten] zu haben.
       
       Für [2][Arbeitsrechtsanwalt Martin Bechert], der die beiden Fahrer
       vertritt, ist die vermeintliche Ahnungslosigkeit des Unternehmens wenig
       glaubwürdig: „Es ist App-basierte Arbeit, bei der jeder Schritt
       minutengenau überwacht wird“. Herauszufinden, wann und wie viel seine
       Mandanten für Wolt gearbeitet hätten, sollte ein Leichtes für das
       Unternehmen sein, sagt Bechert während der Verhandlung.
       
       Hintergrund für die vermeintliche Ahnungslosigkeit ist, dass die beiden
       Fahrer nie offiziell bei Wolt beschäftigt waren, sondern durch ein
       Subunternehmen eingestellt worden sind. Auch andere Beschäftigte, die bei
       dem Gerichtstermin vor Ort waren, berichten der taz, Wolt stelle seit
       vergangenem Herbst fast nur noch über Subunternehmer ein.
       
       Im Falle der betroffenen Fahrer handelte es sich dabei um den Handyladen
       „Mobile World“ auf der Karl-Marx-Straße. Nachdem eine Bewerbung bei Wolt
       abgelehnt worden sei, berichtet Mohammad B., einer der Kläger, habe er sich
       aufgrund einer Facebook-Anzeige noch einmal über Mobile World beworben.
       Dort habe er die üblichen Onboarding-Dokumente bekommen. „Es war alles so
       wie bei Wolt“, sagt B., der zuvor bereits 2021 ein Jahr lang für das
       Unternehmen gearbeitet hatte.
       
       ## Zähe Verhandlung erwartet
       
       Nur einen Arbeitsvertrag hätten sie nie bekommen. Da aber wenig später die
       App freigeschaltet wurde, sie Aufträge bekamen und sogar mit Wolts
       Supportteam in Kontakt waren, arbeiten Mohammad B. und seine
       Kolleg:innen zunächst weiter. Erst als der Lohn ausblieb, wurden sie
       misstrauisch.
       
       Insgesamt seien deutlich mehr Mitarbeiter:innen des Subunternehmens
       vom Lohnraub betroffen, berichtet Bechert. Dass sich am Ende nur die beiden
       Fahrer und eine weitere Fahrerin, deren Fall in einem separaten Verfahren
       verhandelt wird, für den Rechtsweg entschieden haben, läge auch daran, dass
       Wolt gezielt migrantische Beschäftigte anspricht. „Viele haben Angst, ihre
       Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren, oder kennen ihre Rechte nicht“, sagt
       Bechert.
       
       [3][Die Beschäftigung über Subunternehmer findet zunehmend Verbreitung in
       der Lieferbranche,] die unter Druck steht, ihre auf Wachstum getrimmten
       Geschäftsmodelle profitabel zu gestalten. Beim Taxi- und Lieferunternehmen
       Uber ist das Modell schon lange verbreitet. Die Hauptmotivation sei dabei,
       Mindestlohn und Arbeitsrecht zu umgehen, indem man die Verantwortung auf
       teilweise dubiose Subunternehmer auslagert. „Wolt schafft ein kriminogenes
       Umfeld, in dem Lohnraub erst möglich wird“, kritisiert Bechert.
       
       Das Mindeste, was Wolt tun könne, wäre, die ausstehenden Löhne zu zahlen
       und die Probleme um Mobile World aufzuklären, fordert Bechert. Doch statt
       einen Vergleich anzubieten, mauert Wolt – bei der Verhandlung äußerte man
       sich nicht einmal dazu, ob das Unternehmen mit dem Subunternehmer
       zusammenarbeitet. Dementsprechend kurz viel die Verhandlung aus. Der
       Amtsrichter kündigte einen weiteren Termin am 30. November an.
       
       Wolt-Pressesprecher Fabio Adlassnigg dementiert die Vorwürfe. Eine
       Zusammenarbeit mit Mobile World hätte es „zu keinem Zeitpunkt“ gegeben.
       Auch würde Wolt weiterhin selbst Fahrer:innen einstellen. „Wir haben
       seit einiger Zeit keine neuen Personaldienstleister mehr an Bord.“.
       
       Aktuell arbeite man vor allem mit größeren Zeitarbeitsfirmen, nachdem im
       Januar die Zusammenarbeit mit dem Subunternehmer GW Trans beendet, nachdem
       es zu Unregelmäßigkeiten kam und danach rechtliche Schritte eingeleitet, so
       Adlassnig.
       
       Martin Bechert stellt sich schon auf eine zähe Verhandlung ein. Sollte Wolt
       weiterhin bestreiten, dass die Fahrer überhaupt bei dem Unternehmen
       angestellt sein, müssten sie zunächst kleinteilig das Gegenteil beweisen.
       „Das wird nicht einfach“, mutmaßt Bechert.
       
       27 Jul 2023
       
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