# taz.de -- Ausstellung in der Alten Nationalgalerie: Im Schatten der Stars
       
       > „Secessionen: Klimt, Stuck, Liebermann“ schimmert, wispert – und hat auch
       > jenseits der prominenten Protagonisten viel zu erzählen.
       
 (IMG) Bild: Maximilian Lenz, Sirk-Ecke (Ringstraße), 1900, Öl auf Leinwand, 73,8 x 163,8 cm
       
       Er schimmert und lockt, der Goldgrund in Gustav Klimts Gemälde „Judith“ in
       der Alten Nationalgalerie. Dicht ist davor das Gedränge der Köpfe;
       Smartphones werden hier wie vor weiteren Bildern des Wieners hochgehalten
       in der Hoffnung vielleicht, die Abbildung später in Ruhe studieren zu
       können. Dabei zeigt sich in den Originalen das Delikate einer Malerei, in
       deren Dunkelheiten vom Goldglanz geblendet das Auge erst nach und nach
       Chimären und Fratzen zu entdecken vermag.
       
       Die Ausstellung „Secessionen. Klimt. Stuck. Liebermann“ [1][in der Alten
       Nationalgalerie] ist ein Publikumsmagnet, die Online-Tickets nur mehrere
       Tage im Voraus erhältlich, [2][die Schlange vor der Kasse lang]. In den
       Sälen wispert es in vielen Sprachen. Allein die Touristen zu beobachten,
       nicht wenige für den Ausstellungsbesuch besser gekleidet, als man es in
       Berlin gewohnt ist, kann zum Zeitvertrieb werden, während man auf eine
       Lücke vor den Bildern wartet.
       
       Die Schau gilt einer Emanzipationsbewegung in den Künsten in der Moderne
       Ende des 19. Jahrhunderts, den Secessionen in München, Berlin und Wien,
       einem neuen Zusammenschluss von Künstlern und einigen wenigen
       Künstlerinnen, die sich unabhängig von bestehenden Institutionen um
       Ausstellung, internationale Vernetzung und Verkauf kümmerten. Gustav Klimt,
       Franz Stuck und Max Liebermann waren ihre bekanntesten Protagonisten, ihnen
       gilt der erste Saal.
       
       Doch zeigt die Ausstellung im Verlauf, wie breit ihr ästhetisches Spektrum
       war, wie international die Vernetzung mit Gastkünstlern. Je tiefer man in
       die kleineren Räume vordringt, desto mehr sind weniger bekannte
       Künstlerinnen und Künstler zu entdecken. Und desto schneller läuft das
       Publikum weiter.
       
       ## In Gegenrichtung laufen, um Unbekanntes zu entdecken
       
       Weil es so voll ist, ist es empfehlenswert, sich an die Rundgangrichtung zu
       halten. Doch den Parcours in Gegenrichtung zu laufen, würde Sinn machen, um
       mehr vom Unbekannten zu entdecken. Dann käme man bald durch die Galerie der
       vielen Porträts von Künstlerinnen und Künstlern, die sich stolz auf dieser
       neuen Bühne der Kunst präsentierten: wie in den Selbstbildnissen von Anna
       Hillermann und Emilie von Hallavanya, die an Selbstbewusstsein und
       malerischem Vermögen ihren Kollegen nicht nachstehen.
       
       Man könnte dann bald das Licht auf den Wiesen, die Dämmerung am See, die
       stillen Dorfstraßen im Kapitel „Begegnungen mit der Natur“ genießen, das
       auch die Verwandtschaften zwischen den Secessionsbewegungen der drei Städte
       zeigt, eine unaufgeregte, spätimpressionistische Muße. Ein paar Räume
       weiter bestimmt sie auch den Blick in Interieurs. Von Carl Moll gibt es da
       einen „Salon“ zu sehen, von dem kleine Stufen in eine Küche führen, mit
       zarten Jugendstilelementen blau bemalt: das ist kein Manifest, sondern eine
       ganz beiläufige Erzählung über die Gestaltung des Alltags als
       Gesamtkunstwerk.
       
       Zu den beteiligten Künstlerinnen gehörte die aus Russland stammende Elena
       Luksch-Makowsky, die 1901 in Wien als erstes weibliches Mitglied in die
       Secession aufgenommen wurde. Ihr dunkles Porträt „Der Katzenfresser“ ist
       schon durch das Sujet ein ganz ungewöhnliches Bild, das schockierend von
       Armut erzählt. Gerne hätte man von ihr mehr gesehen, mehr erfahren und
       merkt, dass jenseits der bekannten Größen die Geschichte der Secessionen
       spannend weitergeht.
       
       Nicht zuletzt erzählt die Ausstellung darüber, wie die Künstler:innen an
       dieser Schwelle der Moderne lernten, sich zu erfolgreichen Unternehmern,
       Lobbyisten und Selbstvermarktern weiterzubilden. Die Secessionen waren ein
       Netzwerk, kuratiert von den Künstlern selbst, elitär, was auch immer wieder
       zu Konflikten, Austritten und Neugründungen führte. Eine lange Galerie mit
       Plakaten in erlesener Typografie zu den Secessionsausstellungen, die immer
       auch ein Marktplatz waren, erhellt diesen Zusammenhang.
       
       Alte Nationalgalerie, bis 22. Oktober
       
       4 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gauguin-Ausstellung-in-Berlin/!5841593
 (DIR) [2] /Warteschlangen-sind-menschlich/!5944208
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Museumsinsel
 (DIR) Bildende Kunst
 (DIR) Wien
 (DIR) München
 (DIR) Kunst Berlin
 (DIR) Museumsinsel
 (DIR) Hamburg
 (DIR) NS-Raubkunst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sanierung des Pergamonmuseums: Babylon mit Baugerüst
       
       Obwohl die erste Phase noch nicht abgeschlossen ist, beginnt im Oktober die
       Sanierung des Südflügels. Bis zur Fertigstellung dauert es wohl bis 2037.
       
 (DIR) Kunst ganz ohne Hintergrund: Hauptsache, mit Kreide grundiert
       
       Bucerius-Forum und Kunsthalle Hamburg widmen sich Emil Noldes Maltechniken
       ganz unpolitisch. Sehenswert sind sie trotzdem.
       
 (DIR) Filmstart „Die Frau in Gold“: Eine steht noch
       
       Simon Curtis‘ Film erzählt von einem Gemälde Klimts. Die rechtmäßige
       Besitzerin erhielt es erst nach langem Rechtsstreit von Österreich zurück.