# taz.de -- Ausstellung von David Hockney: Flucht in die Landschaft
       
       > Zwischen den Alten Meistern in der Gemäldegalerie sind jetzt David
       > Hockneys Landschaften zu sehen. Es ist eine feine, aufschlussreiche
       > Konfrontation.
       
 (IMG) Bild: „David Hockney – Landschaften im Dialog“, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie 2022
       
       Ist es nicht Eskapismus, in diesen krisengeschüttelten, sich tagesaktuell
       überschlagenden Zeiten einen Nachmittag vor Landschaftsmalerei zu
       verbringen? Und ist es nicht unzeitgemäß, ein rein männliches
       Allstar-Personal der Kunstgeschichte miteinander „in einen Dialog treten“
       zu lassen – der eine bald stolze 85 Jahre alt, die anderen längst
       verschieden? Wie man sich diese Fragen auch beantwortet, man sollte sie an
       der Erfahrung messen statt am Vorurteil.
       
       In der Sonderausstellung „David Hockney – Landschaften im Dialog“, die nun
       in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen ist, wird man zwar genau damit
       konfrontiert, erfährt aber auf niedrigeren Frequenzen auch viel über
       unseren Blick auf die Welt, insbesondere auf die Natur.
       
       Hockney, der sich in steter markt- und produktionsmäßiger Hochkonjunktur
       befindet – zwischenzeitlich war er gemessen an „Portrait of an Artist (Pool
       with Two Figures)“ der teuerste lebende Künstler, geschaffen hat er mehr
       als 2.000 Gemälde –, beschäftigt sich nun schon lange mit den klassischsten
       der profanen Sujets in der Malerei. Der in seinem früheren Werk deutlich
       wilder experimentierende Brite fühlt sich etwa seit der Jahrtausendwende
       vor allem zu Stillleben, häuslichen Szenen und eben Landschaftsmalerei
       hingezogen.
       
       In der Gemäldegalerie stehen vier kolossale Jahreszeitenporträts anhand von
       drei Yorkshirer Bäumen im Mittelpunkt. „Three Trees near Thrixendale“ sind
       nicht nur eine nette Alliteration, sondern auch malerisches Objekt des 2007
       und 2008 in seiner Heimat arbeitenden Hockney. Vier mal drei
       Baumdarstellungen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die wiederum
       bestehen je aus acht Leinwänden. So entspinnt Hockney hinter den
       gestenreichen, ineinander verwobenen Vegetationen eine eigene Arithmetik,
       die vor allem aus der Ferne wirkt.
       
       Die Ausstellungskooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin und
       der Sammlung Würth will zeigen, dass er mit seinen Landschaften auf den
       Schultern kunsthistorischer Ahnen steht. Mit einem Bein ist er dabei in den
       nördlichen Niederlanden bei Rembrandt, Jacob van Ruisdael, Philips Koninck,
       mit dem anderen im etwas späteren Barbizon, aber auch und vor allem bei
       Vincent van Gogh. Die bedeutende Kunstsammlung des Schraubenimperiums von
       Reinhold Würth ist Leihgeber der vier zentralen Hockney-Bilder, die
       Staatlichen Museen zu Berlin mengen die Alten Meister bei.
       
       Zwischen der Landschaftsmalerei der vorangegangenen Jahrhunderte und den
       „Three Trees near Thrixendale“ liegt aber mehr als ein beliebiges Säkulum:
       Dazwischen fand die Moderne statt, inklusive Erfindung der Fotografie, dem
       Tod der Gegenstände im Kubismus und der Abstraktion, dem Tod des Exponats
       im Urinal. Bei Hockney darf die Malerei längst als solche sichtbar sein,
       darf sich selbst als Leinwand und Farbauftrag verraten. Naturalistische und
       stimmungsvolle Malermeisterlichkeit ist längst Ausdruck, Geste und
       Serialität gewichen.
       
       Vielleicht ist das der Grund, warum auch Hockney schon zur Zeit der Gemälde
       befindet, Landschaftsmalerei gelte als „something you couldn’t do today“.
       Sind es aber die Landschaften, die langweilig geworden sind? Nein, gibt er
       sich selbst zur Antwort: Ihre künstlerischen Darstellungen seien langweilig
       geworden. Man könne von der Natur nicht gelangweilt sein, wo es endlos
       viele Motive gäbe. Und das hätte auch van Gogh gewusst, von dem er sehr
       inspiriert sei.
       
       Mit diesen Vorsätzen migrierte der Maler in den Nullerjahren wieder zurück
       in seine Heimat Bridlington in Yorkshire, nachdem er in Los Angeles mit
       Swimmingpool-Bildern berühmt geworden war. Zunächst auch viel en plein air
       unterwegs, begab er sich bewusst mit zeitgenössischen Mitteln auf die
       Spuren der vorangegangenen Kunstepochen.
       
       2009 besuchte ihn dabei auch der Sammler Rudolph Würth, der von den im
       Atelier entstandenen „Trees“ begeistert ist, von ihrer „Lebendigkeit,
       Unmittelbarkeit und Leuchtkraft“, wie Würth-Sammlungsdirektorin C. Sylvia
       Weber bezeugt. Schon damals berät er mit ihm eine monografische
       Landschaftsausstellung in Deutschland, die schließlich „David Hockney. Nur
       Natur“ heißen und in der unternehmenseigenen Kunsthalle in Schwäbisch Hall
       gezeigt werden sollte.
       
       In der Gemäldegalerie ist neu, dass Besucherinnen und Besucher der
       Landschaft chronologisch bei ihrer Emanzipation zusehen können. Während sie
       etwa bei Geertgen tot Sint Jans’ Darstellung von Johannes dem Täufer noch
       Rahmenwerk für theologische Szenen ist, wird sie nach und nach eine eigene
       Disziplin. Bis sie bei Hockney schließlich über die Leinwand wuchern darf
       und die Farben wild blühen. Was hier sichtbar wird, ist eine Nachschärfung
       des malerischen Blicks.
       
       10 May 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christopher Suss
       
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