# taz.de -- BDSM und Geschlechterrollen: Kinky Spiele auf alten Pfaden
       
       > Mann/Frau = oben/unten? Auch wer auf inszenierte Spiele steht, muss sich
       > mit ganz althergebrachten Zuschreibungen beschäftigen.
       
 (IMG) Bild: Geschlechterrollen: Noch immer kein Gras drübergewachsen
       
       Manche Frauen hören mit dem Enthaaren auf, werfen Schmuck, Schminke und
       Stöckel als Symbole patriarchaler Hübschmachung in die Tonne. Und rocken
       Killer Looks ohne Mascara, dafür mit Körperhaaren. Andere finden, dass sie
       ebenso gut mit Lippenstift, Extensions und Acrylnägeln Feminist*innen sein
       können. Und wieder andere kreieren ihre ganz persönliche Mischung.
       
       Zum Glück haben wir mittlerweile einen Feminismusbegriff, der da liberal
       ist. Und doch: Gleichzeitig ein positives Bild von Weiblichkeit zu haben
       und die patriarchalen Erwartungen an Weiblichkeit zurückzuweisen bleibt
       knifflig. Ähnlich geht es Frauen und auch anderen Menschen beim BDSM-Spiel.
       [1][Kinky Spiele sind, genau wie Kosmetik, eine Welt ausgetretener
       Geschlechterrollenpfade]. Dominas und Femdoms schön und gut, aber was, wenn
       die Feminist*in begehrt, sich unterwerfen zu lassen? Also genau das, was
       das Patriarchat seit Jahrtausenden von ihr will?
       
       Wer (wie ich) weitgehend gleichgeschlechtlich unterwegs ist, hat es da
       leichter, ist aber nicht aus dem Schneider. Auch bei cishomo Paarungen
       meldet sich das Geschlechterverhältnis. [2][Zum Beispiel bei der
       Feminisierung, einer kinky Spielart,] bei der (meist) Männer sich mittels
       Damenwäsche „erniedrigen“. Merke: „Feminin“ gleich „niedrig“, voilà
       Geschlechterverhältnis. Oder durch das Verwenden bestimmter Wörter wie
       „Schlampe“, „Bitch“ und „Fotze“, für die gar keine männliche Entsprechung
       existiert.
       
       Ich werde jetzt nicht „Ist doch nur ein Spiel“ sagen. Ich werde von
       niemandem verlangen, sich doch bitte zusammenzureißen, wenn er*sie sich mit
       der symbolischen Ebene von Machtspielen unwohl fühlt. Ich kenne
       Feminist*innen, die sich mit ihrem kinky Begehren arrangiert haben, ebenso
       wie solche, die damit hadern. Es fällt uns Menschen schwer, außerhalb uns
       bekannter Formen zu agieren. Und auch wenn Gefühle und Lust zunächst
       formlos sind, gießen wir sie doch in ein Bild in dem Moment, in dem wir
       unser Begehren jemandem gegenüber äußern wollen. Und weil wir beim
       erotischen Spiel nicht groß nachdenken möchten, verwenden wir obendrein die
       simpelsten, klischeehaftesten Bilder.
       
       ## Femdom und Domina
       
       Und da landen wir dann bei „Mann/Frau = oben/unten“ als gesellschaftliche
       Gleichung, die wir alle – leider – im Schlaf abrufen können. Und spielen
       sie nach. Übertrieben zwar und damit surreal, aber auch immer Abbild
       desselben Prinzips, das viele von uns loswerden wollen. Wir rufen es wieder
       und wieder auf. Das gilt übrigens auch dann, wenn wir es umkehren. In
       Femdom und Domina guckt sich das Patriarchat letztlich auch bloß im Spiegel
       an. Kinky sein und Feminist*in heißt also trennen müssen zwischen Sein und
       Bewusstsein.
       
       Wenn ich es begehre, Frauen zu demütigen, dann muss ich das ein Stück weit
       akzeptieren. Aber das wiederum ist auch kein Freifahrtschein, die Birne
       abzuschalten. Auch Kinksters leben im Patriarchat und sind
       mitverantwortlich, dass wir da bald rauskommen.
       
       23 Feb 2020
       
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