# taz.de -- Bafög-Erhöhung für Studierende: Unerfüllte Versprechen der Ampel
       
       > Eigentlich wollten SPD, Grüne und FDP die Bedarfssätze für Studierende
       > erhöhen. Doch Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) hat andere
       > Prioritäten.
       
 (IMG) Bild: Student:innen im großen Hörsaal zum Wintersemester 2023/24 an der Uni Köln
       
       BERLIN taz | Die Erhöhung des Bürgergelds zum Jahreswechsel von 502 auf 563
       Euro hat eine Schattenseite. Studierende kennen sie gut. Sie haben in der
       Regel keinen Anspruch auf Sozialleistungen wie das vormalige Hartz IV. Es
       gibt schließlich Bafög. Das aber wurde zum letzten Mal im Sommer 2022
       angepasst. Somit liegt der „Grundbedarf“ beim Bafög weiter bei 452 Euro –
       111 Euro niedriger als das aufgestockte Bürgergeld. Und die Differenz wird
       bald noch größer. Denn das Bürgergeld wird wie Renten oder Diäten
       regelmäßig erhöht. Das Bafög hingegen nicht. Studierendenverbände klagen
       die Ungerechtigkeit seit Jahren an.
       
       Nun befasst sich der Deutsche Bundestag mit der Frage. Am späten
       Donnerstagabend steht die „[1][Überprüfung der Bedarfssätze“] des Bafög auf
       der Tagesordnung. Für die Grünen wird Laura Kraft, Abgeordnete aus Siegen
       und Obfrau ihrer Fraktion im Bildungsausschuss, ans Rednerpult treten. Sie
       werde eine regelmäßige Anpassung der Bafög-Sätze fordern, sagt sie der taz.
       Das habe man im Koalitionsvertrag versprochen. „Die Erhöhung der Beiträge
       und der Wohnpauschale ist mehr als überfällig“, so Kraft.
       
       In vielen Städten könnten sich mittlerweile nur mehr jene Studierenden die
       Miete leisten, die finanziell von den Eltern unterstützt würden. „Das Bafög
       reicht zum Leben schon lange nicht mehr“. Erst recht nicht, seitdem
       Inflation und hohe Heizkosten Studierende hart träfen. Das Absurde aus
       Krafts Sicht: Die Haushälter:innen im Bundestag haben
       Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in diesem Jahr sogar
       150 Millionen Euro extra für das Bafög versprochen – sofern Stark-Watzinger
       die lange versprochene Bafög-Strukturreform so fix umsetzt, dass sie
       bereits zum kommenden Wintersemester 2024/25 greift. Und wenn sie, so die
       zweite Bedingung für die 150 Millionen-Spritze, die Beitragssätze „an die
       steigenden Lebenshaltungskosten“ anpasst.
       
       Damit soll „die Förderung den stark gewachsenen Lebenshaltungskosten der
       Studierenden sowie ihrer veränderten Lebens- und Studienrealität gerecht“
       werden. Bis dahin bleibt das Geld gesperrt. So hat es der
       Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung im November beschlossen.
       Doch nun mehren sich die Zweifel, ob Stark-Watzinger den Studierenden
       überhaupt mehr Bafög zahlen möchte.
       
       ## Keine Erhöhung, dafür Starthilfen
       
       In einem Referentenentwurf zur ausstehenden Bafög-Reform aus dem
       Bundesbildungsministerium (BMBF), der der taz vorliegt, ist jedenfalls von
       höheren Bafög-Sätzen keine Rede. Stattdessen greift der Entwurf andere
       Versprechen aus dem Koalitionsvertrag auf: Darunter eine
       „Studienstarthilfe“ für Menschen aus sozial benachteiligten Familien. Sie
       sollen einmalig 1.000 Euro für Bücher, IT-Bedarf oder Kaution für die Miete
       erhalten. Auch ein „Flexibilitätssemester“ ist geplant, das die
       Förderungshöchstdauer über die Regelstudienzeit hinaus (um ein Semester)
       verlängert. Beim Studienfachwechsel ist mehr Kulanz vorgesehen. Zudem
       sollen erneut die Freibeträge erhöht werden.
       
       Dank dieser Änderungen würde das Bafög „noch stärker an die
       [2][Lebensrealitäten der Empfängerinnen und Empfänger] anpasst“, teilt eine
       BMBF-Sprecherin auf Anfrage mit. Auf die nicht gestiegenen Beitragssätze
       geht sie nicht ein. Für Studierendenverbände ist der Entwurf eine
       Enttäuschung. „Es ist ein Skandal, dass das Bildungsministerium es hier
       erneut verpasst, nachzubessern“, sagt Lisa Heidenreich, Mitglied im
       Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen. Sie fordert „angemessene
       Förderbeiträge, mit denen man heutzutage auch wirklich studieren kann“.
       
       Laut der jüngsten Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes muss mehr
       als ein Drittel aller Studierenden mit weniger als 800 Euro im Monat
       auskommen. Ein WG-Zimmer kostet nach einer Studie des Moses Mendelssohn
       Instituts mittlerweile im Schnitt fast 460 Euro. Auch deshalb fordert
       Heidenreich, dass der Entwurf „zurück in die Montagehalle“ müsse – eine
       Anspielung auf den ebenfalls stark kritisierten BMBF-Entwurf [3][zur Reform
       des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.]
       
       Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks,
       bezeichnete den vorgelegten Entwurf angesichts der explodierenden
       Lebensmittel- und Energiepreise als „blutleere Klein-Novelle“. Vor allem
       zeigte sich Anbuhl irritiert, dass das BMBF in seinem Entwurf nur 62 der in
       Aussicht gestellten 150 Millionen Euro ausgeben möchte. Der
       Studierendenverband fzs fürchtet, dass das BMBF dabei schon an die 200
       Millionen Euro denkt, die das Ressort in diesem Jahr noch einsparen soll.
       
       ## Entscheidung fällt womöglich in Karlsruhe
       
       Auch im Bundestag dürfte Kritik an der geplanten Novelle laut werden. Der
       Unionspolitiker Thomas Jarzombek, der auch im Bildungsausschuss sitzt,
       wirft der Ampel vor, Bafög-Empfänger:innen mit der steigenden Inflation und
       den hohen Mietkosten alleinzulassen. „So wird die Notlage der Studierenden
       nicht gelöst“, schrieb Jarzombek auf Facebook. Und auch die
       Koalitionspartner gehen auf Distanz. Die Grüne Laura Kraft betont, dass der
       BMBF-Referentenentwurf „kein gemeinsamer Entwurf der Koalition“ sei. Sie
       hofft, die Bafög-Strukturreform „im parlamentarischen Verfahren“
       nachzujustieren. Allen voran bei der Anpassung der Bafög-Sätze.
       
       So ähnlich sieht das auch die an der Regierung beteiligte SPD. „Wir müssen
       einerseits dringend die Bafög-Sätze erhöhen, um gut mit [4][den aktuellen
       Preissteigerungen] umzugehen“, sagt der bildungspolitische Sprecher der
       SPD-Fraktion im Bundestag, Oliver Kaczmarek, der taz. Andererseits müsste
       mit der nächsten Bafög-Reform ein „Anpassungsmechanismus“ eingeführt
       werden, damit das Bafög auch mit künftigen Preissteigerungen Schritt halten
       könne. Diese beiden Punkte fehlten im BMBF-Entwurf, so Kaczmarek. Den
       Vorschlag des Haushaltsausschusses hält er für einen guten Weg, um die
       Reform umzusetzen.
       
       Und die Zeit drängt. Im Februar müsste die Bafög-Reform wohl ins Kabinett
       gehen, wenn sie tatsächlich schon zum neuen Wintersemester gelten soll.
       Dafür muss sich Stark-Watzinger neben SPD und Grünen auch mit den
       Haushälter:innen einigen. Vielleicht entscheidet aber auch das
       Bundesverfassungsgericht. Dort wird derzeit eine Klage einer ehemaligen
       Studentin gegen zu niedrige Bafög-Sätze geprüft. Das
       Bundesverwaltungsgericht hat bereits 2021 Zweifel geäußert, dass die
       niedrigen Bafög-Sätze mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
       
       Ob das Bafög das „ausbildungsbezogenes Existenzminimum“ gewährleistet, muss
       jetzt Karlsruhe klären. Es wäre nicht das erste Mal, dass das
       Bundesverfassungsgericht die Ampel an ihre Pflichten erinnert.
       
       17 Jan 2024
       
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