# taz.de -- Blutspenden in Deutschland werden knapp: Party statt Spende
       
       > Ein erhöhter Bedarf an Spenden trifft aktuell auf eine geringe
       > Spendenbereitschaft. Niedrigschwellige Angebote müssen dringend her.
       
 (IMG) Bild: Spender:innen dringend gesucht! Wie hier am Weltblutspendetag in der Charité in Berlin
       
       Die Pandemie ist in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe, die anders ist als
       die, die wir bereits kennen. [1][Eigentlich spenden Menschen mehr Blut,
       wenn es eine Katastrophe gibt]. Doch die Blutspenden bleiben knapp. Zum
       Weltblutspendetag am 14. Juni meldete das Deutsche Rote Kreuz (DRK), dass
       die aktuelle Versorgungslage in fünf Bundesländern bedrohlich ist. Weltweit
       ist es nicht anders, es gibt zu wenig Spender:innen.
       
       [2][Dass zu Anfang der Pandemie kein Blut gespendet wurde], lag vor allem
       an den Isolationsmaßnahmen: Blutspende-Aktionen in Büros, Bürgerhäusern
       oder Einkaufszentren waren nicht möglich, weil niemand mehr in Büros,
       Bürgerhäusern oder Einkaufszentren war. Nun setzt das ein, was schon vor
       der Pandemie die Regel war: Wegen Urlaub und Ferien spenden die Menschen in
       den Sommermonaten kein Blut. Dazu kommt laut Deutscher Gesellschaft für
       Transfusionsmedizin der Wegfall von coronabedingten Einschränkungen –
       sodass die Leute mehr Freizeitaktivitäten nachgehen können. Party statt
       Blutspenden also.
       
       Gleichzeitig werden Operationen nachgeholt, die wegen Corona verschoben
       wurden. Es wird also mehr Blut gebraucht, aber weniger gespendet. Das ist
       deshalb problematisch, weil sich Blutpräparate nur 42 Tage lagern lassen.
       Organisationen wie das DRK sind deshalb auf regelmäßige Spenden angewiesen.
       
       Zum Blutspendetag Anfang der Woche hat das DRK eine Kampagne initiiert, bei
       der Promis fürs Blutspenden werben. So sagt zum Beispiel Sängerin Vanessa
       Mai in einem Video der Kampagne: [3][„Jede Blutspende rettet Leben“] und
       „Vielleicht bist du morgen schon Empfänger:in, deshalb sei heute
       Spender:in“. Jeder dritte Mensch ist im Laufe seines Lebens auf
       Blutspenden angewiesen – wegen eines Unfalls, einer Herz- oder
       Krebserkrankung.
       
       ## Blutspenden ist gut für die Gesundheit
       
       Dabei ist Blutspenden nicht altruistisch. Es ist gut für die Gesundheit:
       Wer sein Blut spendet, bekommt davor einen Gesundheitscheck. Das Blut wird
       nach der Spende auf HIV, Syphilis und Erreger der Hepatitis B und C
       getestet. Dazu werden Blutdruck und Eisenwert kontrolliert, es verringert
       das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, und man erfährt
       die eigene Blutgruppe – was bei einem Unfall sehr wichtig sein kann, um
       Zeit zu sparen.
       
       Laut einer Studie diesen Jahres können [4][Blutspenden zudem per- und
       polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) aus dem Körper filtern]. PFAS sind
       sogenannte Ewigchemikalien, die sich im menschlichen Gewebe anreichern
       können und möglicherweise krebserregend sind.
       
       Dass Blutspenden gut für die Gesundheit ist, ist seit Jahren bekannt, nicht
       nur die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) macht
       regelmäßig darauf aufmerksam. Trotzdem spenden [5][nur etwa 3 Prozent der
       Menschen in Deutschland] Blut. Wie also die Menschen dazu bewegen, Blut zu
       spenden?
       
       Der Zugang dazu könnte diskriminierungsfrei sein, denn nicht jede:r darf
       Blut spenden: [6][Queere Männer dürfen in Deutschland nur Blut spenden,
       wenn sie monogam leben.] Sexueller Kontakt zwischen Männern außerhalb
       monogamer Beziehungen führt dazu, dass vier Monate nicht gespendet werden
       darf. [7][Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) e. V.
       kritisiert zu Recht], dass es nicht auf wechselnde Partner:innen
       ankommt, sondern darauf, ob Geschlechtsverkehr ungeschützt war oder nicht.
       Laut Koalitionsvertrag arbeitet die Ampel-Regierung an einer Neuregelung.
       
       ## Es braucht ein stärkeres Bewusstsein
       
       Auch kommt es nicht nur darauf an, wer spenden darf, sondern auch, wo und
       wann: In Berlin wurde am Einkaufszentrum Alexa in Mitte ein DRK-Zentrum
       geöffnet, wo unter der Woche nach Terminvereinbarung gespendet werden kann.
       
       Noch besser ist es natürlich, wenn Blutspendezentren auch ohne
       Terminvereinbarung zugänglich sind – und nicht nur in großen Städten wie in
       Berlin. Auch helfen regelmäßige Aktionen wie Blutspendetage in kleineren
       Städten, an denen jede:r teilnehmen kann.
       
       Um stärker im Bewusstsein der Einwohner:innen zu sein, sollten Orte, an
       denen Blut gespendet werden kann, sichtbarer sein. Möglicherweise könnten
       hier Corona-Teststellen ein Vorbild sein: Eine Zeit lang waren sie an jeder
       Ecke zu sehen, alle kannten die nächste Testmöglichkeit. So
       niedrigschwellig und sichtbar sollte es auch mit der Blutspende sein. Denn
       die Knappheit ist ein Thema, was uns nicht nur einmal im Jahr rund um den
       Weltblutspendetag beschäftigen sollte.
       
       17 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/15265161.2013.781703
 (DIR) [2] /Blutspenden-waehrend-der-Pandemie/!5727625
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=UM5Y81ddOK8
 (DIR) [4] https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2790905?resultClick=1
 (DIR) [5] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/95832/Nur-zwei-bis-drei-Prozent-der-Menschen-in-Deutschland-spenden-Blut
 (DIR) [6] /Faktisches-Blutspendeverbot-fuer-Queers/!5783095
 (DIR) [7] https://www.schwulissimo.de/neuigkeiten/ende-der-blutspende-diskriminierung-neuregelung-der-blutspende-richtlinien-dringend
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicole Opitz
       
       ## TAGS
       
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