# taz.de -- Brandstiftung in Mecklenburg-Vorpommern: Flüchtlingsheim angezündet
       
       > Nahe Wismar brennt eine Unterkunft ukrainischer Geflüchteter ab. Die
       > Polizei vermutet eine politische Tat. Am Haus prangte zuvor ein
       > Hakenkreuz.
       
 (IMG) Bild: Mutmaßlich Brandstiftung: Der Feuerwehreinsatz in Groß Strömkendorf in der Nacht auf Donnerstag
       
       BERLIN taz | Andrej Bondartschuk gibt sich am Donnerstag gefasst. „Ich
       funktioniere, aber verarbeitet habe ich das noch nicht“, sagt er am Telefon
       der taz. Wenige Stunden zuvor war die Unterkunft für ukrainische
       Geflüchtete in Groß Strömkendorf bei Wismar (Mecklenburg-Vorpommern), die
       Bondartschuk für das Rote Kreuz leitet, niedergebrannt. Immerhin hätten
       alle unverletzt das Haus verlassen, sagt er. „Das ging alles sehr geordnet,
       ohne Panik.“ Es sei aber „sehr erschreckend“, dass Menschen, die glaubten
       in Deutschland in Sicherheit zu sein, nun wieder fliehen mussten.
       
       Gegen 21.20 Uhr am Mittwoch war in früheren Hotel „Schäfereck“, das seit
       März als Unterkunft für [1][ukrainische Geflüchtete] genutzt wird, ein
       Feuer ausgebrochen. Zwischenzeitlich lebten dort knapp 170 Ukrainer:innen,
       zur Tatzeit waren es nur 14. Ein Feuermelder sei angesprungen, erzählt
       Bondartschuk, der auch im Haus war. Dann habe man Flammen am Reetdach
       entdeckt und versucht zu löschen, auch mithilfe von Passanten. Aber das
       Feuer sei später wieder aufgeflammt. 120 Feuerwehrleute und 20
       Einsatzfahrzeuge rückten an. Am Ende brannte das Hotel fast komplett ab.
       
       Die Polizei spricht früh von einer Brandstiftung, später auch von [2][einem
       mutmaßlich „politischen Motiv“]. Der für politische Straftaten zuständige
       Staatsschutz bildet eine Ermittlungsgruppe, die Führung übernimmt der
       Staatsschutzleiter selbst. Michael Peters, Vizepräsident des
       Polizeipräsidiums Rostock, erklärt, jeder Angriff auf Geflüchtete oder
       deren Unterkünfte sei „auch eine Attacke auf unsere Grundwerte“. Der Fall
       habe „oberste Priorität“.
       
       Zuvor hatte bereits das Landratsamt bestätigt, dass noch am Mittwoch die
       Ordnungsbehörde des Landkreises und die Polizei die Unterkunft aufgesucht
       hatten, weil ihnen eine Hakenkreuz-Schmiererei am Eingangsschild gemeldet
       wurde. Betreiber Bondartschuk will vorerst nicht über das Brandmotiv
       spekulieren. Das müssten jetzt die Ermittlungen klären, sagt er nur.
       
       ## „Hetze und Gewalt dulden wir nicht“
       
       Landrat Tino Schomann (CDU), der auch bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv
       ist, eilt schon nachts zum Brandort. Und legt sich ebenso fest: Auch
       aufgrund seiner Feuerwehrerfahrung gehe er davon aus, „dass das Feuer
       absichtlich gelegt wurde“. Die Tat sei „ein großer Schock“. Das Wichtigste
       sei, dass es keine Verletzten gab. Nun brauche es Aufklärung.
       
       Am Donnerstagmittag führt Bondartschuk, selbst Ukrainer, aber schon 2004
       nach Wismar gekommen, Schomann und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig
       (SPD) zu dem Brandort. Aus Mariupol oder Cherson seien die Bewohner
       geflüchtet, erzählt er. Unter ihnen auch ein ein- und ein zehnjähriges
       Kind.
       
       Ministerpräsidentin Schwesig erklärt, sollte sich der Verdacht der
       Brandstiftung erhärten, wäre dies „grausam“ und müsse „harte Konsequenzen“
       haben. „Eins muss für alle klar sein: Menschen, die vor Krieg flüchten,
       brauchen unseren Schutz und unsere Unterstützung. Hetze und Gewalt dulden
       wir nicht.“
       
       Der Fall hat da bereits die Bundespolitik erreicht. Auch
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt den Brand „eine furchtbare
       Nachricht“. Menschen, die vor Putins Krieg hier Schutz gefunden hätten,
       müssten aus Flammen gerettet werden. Bestätige sich der Verdacht der
       Brandstiftung, sei das „ein menschenverachtendes Verbrechen, das mit aller
       Härte verfolgt wird“, betont auch sie. Am Abend wollte auch Faeser nach
       Groß Strömkendorf reisen.
       
       ## Aus Gewaltfantasien werden Anschläge
       
       Auch die Bundesintegrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan spricht von
       „einem Schock, der unfassbar wütend macht“, fordert ebenso „die volle Härte
       des Rechtsstaats“, sollte sich eine Brandstiftung erhärten.
       
       Doch es ist nicht der erste Vorfall. So zählte das Bundeskriminalamt allein
       im ersten Halbjahr 2022 bundesweit 43 Straftaten auf
       Geflüchtetenunterkünfte – Sachbeschädigungen, Schmierereien oder
       Hausfriedensbrüche. Etliche auch in westdeutschen Bundesländern. Wie viele
       sich davon gegen ukrainische Geflüchtete richteten, wurde nicht gesondert
       erhoben.
       
       Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern berichtet von einer „sehr
       schlechten Stimmung“ in den vergangenen Wochen. Politik und Verwaltung
       hätten zunehmend von „Belastung“ oder „hohem Migrationsdruck“ gesprochen,
       Geflüchtete anonym oder offen Hassbotschaften erhalten, auch aus den
       Montagsdemos gegen die Regierungspolitik heraus. Flüchtlingsratvorsitzende
       Ulrike Seemann-Katz kritisiert deshalb auch die „geistige Brandstiftung“:
       Lasse man diese zu, „können wir bald alle nicht mehr sicher leben“.
       
       Daniel Trepsdorf vom Demokratieberatungsteam RAA verweist auch auf die
       schon länger laufenden Agitationen in der rechtsextremen Szene gegen
       ukrainische Geflüchtete: Nun drohten aus Gewaltfantasien Anschläge zu
       werden und die Stimmung gegenüber Geflüchteten endgültig zu kippen.
       
       Landrat Schomann berichtet dagegen, wie sehr sich in Groß Strömkendorf
       zuvor um die ukrainischen Geflüchteten gekümmert wurde. Anwohnende hätten
       Spenden und Spielzeug vorbeigebracht. Nun seien die Geflüchteten in einer
       anderen Unterkunft des Landkreises untergebracht.
       
       Mit Blick auf die auch am Donnerstag noch flackernden Schwelbrände am Hotel
       „Schäfereck“ gibt sich Schomann deprimiert. Dass dort noch mal Geflüchtete
       untergebracht werden könnten, sei „nicht vorstellbar“.
       
       Aktualisiert und ergänzt am 20.10.2022 um 16:55 Uhr. d. R.
       
       20 Oct 2022
       
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