# taz.de -- Corona und Nordkorea: Komplett virenfrei
       
       > Pjöngjang meldet bislang keine Infektion. Angeblich ist das das Ergebnis
       > guter Prävention. Sollte Corona ausbrechen, drohen harte Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Kein Coronavirus in Sicht
       
       PEKING taz | Die ersten Hilfslieferungen werden derzeit über die
       chinesische Landgrenze nach Nordkorea entsendet: Schutzkleidung,
       medizinische Handschuhe und Atemschutzausrüstung. Doch obwohl das
       abgeschottete Regime explizit um die Unterstützung von NGOs gebeten hat,
       behauptet es gleichzeitig, vollständig virusfrei zu sein.
       
       In einer seltenen Erklärung vom Freitag zitiert das Außenministerium in
       Pjöngjang mehrere chinesische Zeitungsartikel, in denen Nordkorea für seine
       vorbildliche Präventionsarbeit gelobt wird.
       
       Bis auf den 17. November kann der erste Covid-19 Fall im chinesischen
       [1][Wuhan] zurückgeführt werden. In den darauf folgenden Wochen hatte sich
       der Erreger bis in die hintersten Ecken Chinas ausgebreitet – jenem Land,
       von dem Nordkorea eine durchlässige, über 1.400 Kilometer lange Grenze
       trennt. Diese besteht meist nur aus einem Flusslauf und in Abschnitten
       Stacheldrahtzaun.
       
       Für viele Experten ist Nordkoreas Behauptung daher wenig glaubhaft.
       Vergangene Woche sagte der General der US-Streitkräfte in Südkorea, er sei
       „relativ sicher“, dass es in dem Land Infektionen gebe. Für einen Monat, so
       Robert Abrams, stand Nordkoreas Militär praktisch still: Weder Drills
       wurden abgehalten, noch Flugeinsätze geflogen.
       
       ## Anonyme Quelle
       
       Am 9. März berichtete das Fachmedium „Daily NK“, dass 180, entlang der
       chinesischen Grenze stationierte, Soldaten Fiebersymptome gezeigt und
       verstorben seien. Weitere 3.700 Soldaten würden in der Region unter
       Quarantäne stehen. „Daily NK“ beruft sich auf eine anonyme Quelle innerhalb
       des Landes, die Angaben sind mit Vorsicht zu genießen und nicht
       verifizierbar.
       
       Fakt ist jedoch, dass das Coronavirus für Nordkorea eine massive
       Gesundheitsgefahr darstellt. NGO-Mitarbeiter aus dem Gesundheitsbereich
       berichten regelmäßig, wie schlecht es um die Krankenhäuser gerade in den
       Provinzen des Landes bestellt ist: Vielen Kliniken fehlt es am nötigsten,
       etwa Antibiotika und Betäubungsmittel, ja manchmal sogar fließend Wasser.
       
       Im Weltgesundheitsindex der Johns Hopkins Universität rangiert Nordkorea
       auf den 193. von 195 Plätzen. Bis heute leidet das bitterarme Land noch
       immer unter Tuberkulose und weitflächiger Mangelernährung. Die
       Sterblichkeitsrate von Covid wäre dementsprechend um ein Vielfaches höher.
       Drastischer ausgedrückt: Das Virus könnte die nordkoreanische Bevölkerung
       regelrecht dezimieren.
       
       Dementsprechend radikal und rasch reagierte das Regime auf die
       Gesundheitskrise im Nachbarland China. Bereits Ende Januar schloss das Land
       de facto seine Landesgrenze, wenig später ebenfalls die Grenze zu Russland.
       
       ## Isolation von Waren
       
       Sämtliche Ausländer im Land wurden zudem 14 Tage unter Quarantäne gestellt,
       wobei die Maßnahme schließlich um das Doppelte verlängert wurde. Der
       Hausarrest traf auch sämtliche Diplomaten – darunter auch den deutschen
       Botschafter in Pjöngjang, Pit Heltmann. Selbst importierte Waren wurden
       nicht nur strengstens inspiziert, sondern auch für 14 Tage isoliert.
       
       Anfang März warnte Chinas UN-Botschafter Zhang Jun davor, dass Nordkorea
       unter „negativen Folgen“ des Coronavirus leiden würde – und rief dazu auf,
       Wirtschaftssanktionen gegen das Land zu lockern. Tatsächlich ist China der
       einzige nennenswerte Handelspartner für Nordkorea, ohne dessen Versorgung
       die fragile Wirtschaft zusammenbrechen und eine drastische Hungersnot
       auslösen könnte.
       
       „Abgesehen davon, dass die Medien keine Fälle im Land bestätigt haben,
       wurden die Nordkoreaner sehr detailliert sowohl über die
       Präventionsmaßnahmen als auch die Epidemien in anderen Ländern
       unterrichtet“, sagt Luz Ding, chinesische Journalistin, die derzeit für die
       Washingtoner Denkfabrik 38 North täglich die nordkoreanischen Staatsmedien
       durchforstet.
       
       Der Ton der Berichterstattung sei bis in den Februar immer ernster und
       dringlicher geworden, sagt sie. Am 29. Januar nannte die Parteizeitung
       Rodong Sinmun den Kampf gegen COVID-19 existenzbedrohend für die gesamte
       Nation. Einen Monat später sprach Machthaber Kim Jong Un von
       „schwerwiegenden Konsequenzen“, wenn sich das Virus im Land ausbreiten
       würde.
       
       In den Propagandamedien Nordkoreas trägt übrigens jeder Fotografierte eine
       Gesichtsmaske: von Soldaten über Ingenieure bis hin zu Fabrikarbeitern. In
       einigen Fällen wurden die Gesichtsmasken gar in den Zeitungsfotos
       nachträglich per Photoshop hinzugefügt. Einzige Ausnahme: Machthaber Kim
       zeigte sich während seiner Raketentests im März oben ohne.
       
       21 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Coronavirus-in-China/!5657021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Nordkorea
 (DIR) Kim Jong Un
 (DIR) China
 (DIR) Nordkorea
 (DIR) Nordkorea
 (DIR) Kim Jong Un
 (DIR) Kim Jong Un
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Atomwaffen
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Spannungen auf Koreanischer Halbinsel: Nordkorea sprengt Verbindungsbüro
       
       Südkorea berichtet über eine Explosion in der grenznahen Stadt Kaesong.
       Nordkoreas Armee droht, in die demilitarisierte Zone einzumarschieren.
       
 (DIR) Nordkorea beendet Kontakt mit Südkorea: Pjöngjang setzt auf Funkstille
       
       Das nordkoreanische Regime hat seine Kommunikationsverbindungen mit dem
       Süden gekappt. Der offizielle Grund ist wohl nur vorgeschoben.
       
 (DIR) Rätselraten um Nordkoreas Diktator: Kim Jong Un wird wieder gezeigt
       
       Wochenlang war Nordkoreas Machthaber abgetaucht. Gerüchte über seinen Tod
       kursierten. Das Regime in Pjöngjang setzt den Mutmaßungen vorerst ein Ende.
       
 (DIR) Rätsel um Nordkoreas Diktator: Kim Jong Untot
       
       Wo ist der geliebte Führer? Diktatoren sind seit jeher geheimnisumwitterte
       Gestalten. Das gilt für ihr Privat- und erst recht für ihr Ableben.
       
 (DIR) Südkoreas Parlamentswahl: Corona verhilft zu Erdrutschsieg
       
       Südkoreas Regierungspartei war auf dem absteigenden Ast. Dann hat sie die
       Corona-Pandemie erfolgreich bekämpft – und eine Trendwende erlebt.
       
 (DIR) Nordkorea testet Marschflugkörper: Raketen zum Geburtstag
       
       Mit den jüngsten Raketentests will Nordkorea sowohl den südlichen Nachbarn
       als auch Donald Trump beeindrucken.
       
 (DIR) Kampf gegen Corona: Was wir von Südkorea lernen können
       
       In Seoul gab es weder einen Lockdown noch Ausgangssperren. Dennoch blieb
       die 10-Millionen-Stadt von Covid-19 weitgehend verschont.
       
 (DIR) Corona-Ansatz in den Niederlanden: Herdenimmunität statt Lockdown
       
       Die niederländische Regierung will, dass rasch 60 Prozent der Menschen den
       Coronavirus einmal hatten und so immun werden. Das stößt auf Kritik.
       
 (DIR) Berechnungen zu Covid19: Weitaus mehr Fälle als bekannt
       
       Berechnungen zu Covid19 in China legen nahe, dass nicht erkannte Infizierte
       entscheidend für die Ausbreitung waren. Nötig wären darum mehr Tests.
       
 (DIR) Corona in China: Viren- statt Datenschutz
       
       In China scheint das Corinavirus vorübergehend unterdrückt. Geholfen haben
       dabei auch Big Data und öffentliche Überwachung.