# taz.de -- Dirk Ippen und der Springer-Verlag: Fehlende Weitsicht
       
       > Warum hat der Verleger Dirk Ippen die Recherche zu Julian Reichelt in
       > seinen Zeitungen verhindert? Seine Antworten an die taz.
       
 (IMG) Bild: Verleger Dirk Ippen
       
       Unvorbereitet traf die Ippen-Verlagsgruppe das, was ihr eigener Verleger
       vergangene Woche in der Medienbranche auslöste. Monatelang hatte das
       hauseigene Investigativ-Team zu Vorwürfen gegen [1][Bild-Chef Julian
       Reichelt] recherchiert. Am vergangenen Sonntag sollte die Recherche
       erscheinen. Doch im letzten Moment stoppte Dirk Ippen die Veröffentlichung.
       
       Was hat den Verleger zu seiner Entscheidung bewogen?
       
       Die taz konnte Ippen per E-Mail erreichen. Er habe die Situation falsch
       bewertet, schreibt er. „Die ungeheuerlichen Vorgänge bei Bild hätten bei
       uns auch eine Erstveröffentlichung erfordert.“ Dass dies durch ihn
       verhindert wurde, bedauere er.
       
       Dass die Veröffentlichung so kurzfristig platzte, überraschte das
       Investigativteam, denn die Recherche sei „redaktionell und juristisch über
       Monate abgestimmt“ gewesen. So steht es in einem Brief des Rechercheteams
       an Verlag und Geschäftsleitung, der seit vergangenem Sonntag in den
       sozialen Medien kursiert. Die Gründe für die Entscheidung, so habe man es
       Juliane Löffler aus dem Team begründet, seien inhaltliche Punkte gewesen,
       sagte sie dem NDR-Medienmagazin „Zapp“.
       
       ## Angst, dass Springer sich rächen könnte?
       
       In der Frankfurter Rundschau, in der die Recherche veröffentlicht werden
       sollte, empfindet man den Eingriff des Verlegers als „gravierenden
       Einschlag“. Um redaktionelle Unabhängigkeit wahren zu können, gilt der
       Grundsatz: Redaktion und Verlag sind getrennt. Aus der Redaktion hört man,
       man sei geschockt über den Vorfall, der als einmalig in der Geschichte der
       FR beschrieben wird. Worte wie „Trauma“ sollen in diesem Zusammenhang in
       der Redaktionskonferenz gefallen sein.
       
       Mittlerweile hat Ippen-Digital-Chefredakteur Markus Knall in der
       Frankfurter Rundschau um Entschuldigung gebeten. Er bedauere zutiefst, das
       Versprechen, das man den betroffenen Frauen gemacht habe, nicht eingelöst
       zu haben.
       
       Zur Begründung, warum sich die Ippen-Verleger entschieden hätten, die
       Recherche zu verhindern, schreibt Ippen, es sei immer sein Bestreben
       gewesen, auch mit der Konkurrenz respektvoll umzugehen. Das ist angesichts
       der Größe des Milliardenkonzerns Springer und der Größe des
       Regionalzeitungsverlags Ippen eine kühne Behauptung. Die Wahrheit dürfte in
       der Umkehr des Arguments liegen: Ippen hatte keine Angst, einem
       Konkurrenten zu schaden – sondern Angst, dass Springer sich rächen könnte.
       
       ## Unternehmer statt Verleger
       
       Zum einen sind Ippen und Springer Geschäftspartner: In der Ippen-Druckerei
       der Syker Kreiszeitung wird noch bis Ende des Jahres eine Teilauflage der
       Bild gedruckt. Zum Anderen sind Ippen und Springer in München Konkurrenten.
       Dort erscheinen Ippens Boulevardzeitung tz und die Bild. Springer mit
       seiner Macht könnte einiges daransetzen, den Konkurrenten kleinzumachen:
       die München-Ausgabe der Bild billiger machen, zum Beispiel, wie man es in
       Köln gegenüber dem Konkurrenten Express gemacht hatte.
       
       Dirk Ippen handelte demnach wie ein Lokalunternehmer und nicht wie ein
       Verleger mit Weitsicht, der die Tragweite einer solchen Entscheidung
       versteht. So hört man es auch aus dem Verlagsumfeld – Ippen hätte die
       Dimensionen nicht abschätzen können.
       
       Das Bild fügt sich, wenn man nachvollzieht, welches Presseverständnis der
       Verleger vertritt. „Es ist nicht gut, wenn eine Redaktion über die andere
       schreibt, ein sogenannter Pressekrieg“, schreibt Ippen in seiner Mail an
       die taz. Missstände sollen aufgedeckt werden, aber bloß nicht in der
       eigenen Branche.
       
       Wie kann es nach diesem Vertrauensbruch, wie es das Rechercheteam
       bezeichnet, weitergehen? Investigativchef Daniel Drepper wollte auf
       Anfrage der taz nichts dazu sagen. Ippen selbst hofft, „dass es trotzdem zu
       einer guten Zusammenarbeit mit dem Team kommen wird und Vertrauen von
       beiden Seiten aufgebaut werden kann“.
       
       23 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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 (DIR) Daniel Schulz
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