# taz.de -- Doku „Auch Leben ist eine Kunst“: Im Stich gelassen
       
       > Die Doku „Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden“ erzählt vom
       > Niedergang eines Hamburger Juden und dem Kampf um Wiedergutmachung.
       
 (IMG) Bild: Bis heute nicht entschädigt worden: Max Emden mit Familie in der Schweiz
       
       BREMEN taz | Ein kleiner Wanderweg in Hamburg trägt seinen Namen, aber
       sonst ist Max Emden im öffentlichen Leben der Stadt so gut wie nicht
       präsent. Dabei war er einmal einer der reichsten Bürger der Stadt: ein
       Mäzen, der Kultur und Wissenschaft förderte und sein Geld mit der Gründung
       von Kaufhäusern wie dem KDW in Berlin und dem Oberpollinger in München
       machte.
       
       „Auch Leben ist eine Kunst“, war sein Motto. Max Emden war ein Lebemann,
       der 1928 in die Schweiz zog, dort eine Insel im Lago Maggiore kaufte, auf
       der er ein luxuriöses Leben als früher Hippie lebte – mit Nackttanz,
       Bildern von Van Gogh und Monet an den Wänden der neuen Villa und einer
       17-jährigen Geliebten, die „Würstchen“ genannt wurde. Erich Maria Remarque
       war oft zu Gast.
       
       Im ersten Akt des Films „Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden“
       malen die Filmemacher Eva Gerberding und André Schäfer dieses Leben eines
       assimilierten jüdischen Großbürgers mit den schönsten Farben,
       Archivaufnahmen und Bildern aus Familienalben aus. Die Musik von Ritchie
       Staringer feiert da kräftig mit, aber dieses kultivierte, genussreiche
       Leben eines Superreichen muss auch so kredenzt werden – damit deutlich
       wird, wie tief der spätere Fall dann war.
       
       Dabei hat Max Emden, ein drahtiger, glatzköpfiger Mann, dem man ansieht,
       dass er eher ein Ästhet als ein Hedonist war, alles richtig gemacht. Sein
       Kaufhausimperium hatte er in den 1920er-Jahren zur rechten Zeit verkauft
       (übrigens an die Firma Karstadt), die Immobilien aber behalten. So hat er
       eine frühe Form des Franchising entwickelt.
       
       Doch nach 1933 änderte sich für Max Emden alles. Denn auch wenn er
       inzwischen Schweizer Staatsbürger geworden war, konnten die Nazis 1938 sein
       gesamtes Vermögen in Deutschland beschlagnahmen. „Er leidet unter der
       Millionärskrankeit: Er hat Angst, arm zu werden“, schrieb Remarque – eine
       wohl begründete Befürchtung: Das Gelände des Hamburger Poloclubs, für den
       er noch im Jahr 1928 ein neues Vereinshaus gestiftet hatte, musste er weit
       unter Wert verkaufen. Auch von zwei Bildern des italienischen Malers
       Belotto musste Emden sich trennen. Die wanderten direkt in die Sammlung von
       Adolf Hitler.
       
       Wie diese Geschäfte vonstatten gingen, wie die Nazis ihre Machtposition
       ausnützten und wie Max Emden dabei von der Schweiz im Stich gelassen wurde:
       das macht der Film anschaulich klar, indem er eine Reihe von Experten,
       darunter eine Provenienzforscherin, zu Wort kommen lässt.
       
       1940 starb Max Emden („Das hat er nun von seiner Angst gehabt!“, schrieb
       Remarque nicht gerade mitfühlend). Seinem Sohn Hans Erich Emden wurde die
       Schweizer Staatsbürgerschaft verweigert, sodass er nach Chile, in die
       Heimat seiner Mutter, auswanderte und einen großen Teil seines Erbes
       verlor.
       
       Statt vom Schicksal der Familie in Lateinamerika zu erzählen, folgt der
       Film der Spur des Geldes – oder besser: der Kunst, was in diesem Fall auf
       das Gleiche herauskommt. Vor der Abreise vertraute Hans Erich Emden eines
       der teuersten Bilder der Sammlung seines Vaters, das „Mohnfeld bei
       Vétheuil“ von Claude Monet, einem Vertrauten der Familie an. Der verkaufte
       es für den Spottpreis von 30.000 Schweizer Franken an den in der Schweiz
       lebenden deutschen Waffenhändler Emil Bührle – und steckte den größten Teil
       des Erlöses auch noch in die eigene Tasche.
       
       ## Zwielichtige Geschäfte
       
       Heute ist das Gemälde geschätzte 25 Millionen Franken wert und gehört zur
       Züricher Sammlung Bührle, die der Schweizer Staat übernommen hat. Und die
       wegen solcher zwielichtigen Geschäfte umstritten ist.
       
       Im dritten Akt ist der Film dann in der Gegenwart angekommen. Die
       Filmemacher folgen hier dem Enkel von Max Emden, Juan Carlos Emden, der von
       Chile nach Deutschland gereist ist, um dort dafür zu kämpfen, dass seine
       Familie Wiedergutmachung erfährt. Und hier bekommt der Film politische
       Brisanz, denn sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland ist niemand
       bereit, die Schuld der Familie Emden gegenüber auch nur ansatzweise, etwa
       mit einer Geste, anzuerkennen.
       
       Die Schweizer Kulturbürokraten beteuern, dass beim Verkauf des Monet alles
       mit rechten Dingen zugegangen sei, während Emdens Anwalt von einem
       „verfolgungsbedingten Vermögensverlust“ ausgeht. Die beiden Bilder von
       Belotto sind heute im Besitz des Deutschen Staates, eines von ihnen hing
       sogar in der Villa Hammerschmidt des Bundespräsidenten, wie man auf Fotos
       vom Besuch des damaligen Papstes dort deutlich erkennt.
       
       Horst Köhler wurde auf die umstrittene Provenienz des Bildes aufmerksam
       gemacht. Er ließ es dann abhängen (hier wird man sehr an Angela Merkel und
       die Noldes in ihrem Büro erinnert), anschließend verschwand es im Depot des
       Deutschen Militärhistorischen Museums in Dresden, wo Juan Carlos Emden es
       zumindest einmal ansehen durfte.
       
       Emdens Anwalt schildert, wie sein Mandant in Hamburg eine besonders perfide
       Begründung bekommen hat, warum seiner Familie kein Recht auf eine
       Entschädigung (hier geht es um Grundstücke in Groß Flottbek) zustehen soll:
       Da Max Emden ja zum evangelischen Glauben übergetreten ist, sei er gar kein
       Jude mehr gewesen. Außerdem war er Schweizer Staatsbürger, da könne man
       doch nicht von Judenverfolgung reden.
       
       Vergessen dabei wurde allerdings, dass er im „Dritten Reich“ eindeutig als
       Jude diskriminiert wurde – und nur deshalb die Immobilien verloren hat. Bis
       zum Ende der Dreharbeiten hat kein Repräsentant der Stadt ein offizielles
       Gespräch mit Max Emdens Erben geführt, und auch für den Film wurden Bitten
       um Interviews abgelehnt. Dies ist auch deshalb schade, weil zwei Urenkel
       von Max Emden inzwischen mit ihren Familien in Hamburg leben. Mit Maeva
       Emden führte die taz nord 2018 ein [1][Interview].
       
       Schon dadurch, dass sie Juan Carlos Emden als Protagonisten ausgewählt
       haben und ihm auf seiner Kampagne mit der Kamera begleiten (er nennt sich
       selber einen Don Quichote), machen die Filmemacher deutlich, dass dies ein
       parteiischer Film ist. Aber ihre Argumente dafür, dass der Familie Emden
       durch die Staaten Schweiz und Deutschland, vor allem aber durch die Stadt
       Hamburg Unrecht widerfahren ist, sind überzeugend.
       
       25 Apr 2019
       
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