# taz.de -- Energienotstand im südlichen Afrika: Der dunkle Kontinent
       
       > In immer mehr Ländern im südlichen Afrika verschlechtert sich die
       > Stromversorgung. Es wurde wenig investiert, nun kommen Folgen des
       > Klimawandels dazu.
       
 (IMG) Bild: Der Stausee von Kariba ist der größte künstliche See der Welt
       
       LUSAKA taz | Bis vor einem halben Jahr galt Sambia als Insel des Lichts in
       einem Meer der Finsternis. Es produzierte mehr Strom, als es verbrauchte,
       und verdiente Geld mit dem Export an Nachbarländer, die zu wenig
       Elektrizität haben. Heute sitzen viele Sambier selbst im Dunkeln – wegen
       einer beispiellosen Welle von planmäßigen Stromausfällen, genannt „load
       shedding“, die bis zu 12 Stunden pro Tag dauern.
       
       Zum Jahreswechsel verdoppelte der staatliche Energieversorger Zesco seine
       planmäßigen Stromausfälle. Die dauerten bis dahin maximal sechs Stunden am
       Tag; schon das wurde als Krise empfunden. Jetzt sind es zwölf. „Zesco
       bedauert die Unannehmlichkeiten zutiefst“, erklärt der Stromlieferant.
       
       Der Grund: zunehmend irreguläre Regenfälle, [1][eine Folge des
       Klimawandels], die den Wasserpegel am Kariba-Staudamm, an dem der größte
       Stausee der Welt liegt, gefährlich abgesenkt haben und damit auch die
       Zesco-Wasserkraftkapazitäten.
       
       Aus dem Kariba-See am Sambesi, der von 1958 bis 1963 kurz vor Ende der
       britischen Kolonialherrschaft gefüllt wurde, werden Wasserkraftwerke zur
       Versorgung von Sambia und Simbabwe gespeist. Während Simbabwe schon seit
       zwei Jahrzehnten in seiner permanenten Krise gelernt hat, mit
       Stromausfällen zu leben, ist das für Sambia eine neue Erfahrung.
       
       Als Zesco am 4. Januar seine zwölfstündigen Stromausfälle bekanntgab, lag
       der Wasserstand des Kariba-Sees bei nur noch 475,60 Meter über dem
       Meeresspiegel – der Staudamm ist für Wasserstände von 475,50 bis 488,50
       Meter ausgelegt. Bei nur zehn Zentimetern über dem niedrigstmöglichem Pegel
       zur Erzeugung von Wasserkraft ist das Wasser nur noch zu 1,3 Prozent zur
       Stromerzeugung im Kraftwerk Kariba North Bank nutzbar.
       
       ## Volkswirtschaft auf den Kupferbergbau angewiesen
       
       Die von Sambia und Simbabwe gemeinsam gestellte Sambesi-Flussbehörde ZRA
       (Zambezi River Authority), die den Kariba-See verwaltet, bat zunächst um
       eine Stromerzeugungsreduktion von 1.080 auf 800 Megawatt (MW), was dann
       weiter auf 400 MW gesenkt wurde – zu wenig für Sambia mit seinen 19
       Millionen Einwohnern und einer Volkswirtschaft, die vor allem auf den
       energieintensiven Kupferbergbau angewiesen ist.
       
       Dazu kommt die routinemäßige Abschaltung von 150 MW am Kraftwerk Maamba
       Collieries Limited (MCL) zu Wartungszwecken, die noch bis 20. Januar
       dauert. Das Kraftwerk von Sambias größtem Kohleproduzenten im Süden des
       Landes mit einer Kapazität von 300 MW könnte bei voller Nutzung die
       Stromabschaltungen um vier Stunden pro Tag verkürzen, hat aber finanzielle
       Probleme.
       
       Für die Flussbehörde ZRA ist die Staudammkrise auch ein Segen, da sie ein
       Zeitfenster für fällige Reparaturen am Damm öffnet. „Der aktuelle
       Wasserstand im Kariba ist günstig für die reibungslose Umsetzung der
       Rehabilitierungsarbeiten“, sagte ZRA-Geschäftsführer Munyaradzi Munodawafa.
       Das „Kariba Dam Rehabilitation Project“ soll bis zum Jahr 2025 mit 294
       Millionen US-Dollar die Bauteile und das Ausgleichsbecken der Talsperre
       sanieren.
       
       Doch für Sambias Präsidenten Hakainde Hichilema und seine UPND (United
       Party for National Development) könnte es für das Niedrigwasser keinen
       ungünstigeren Zeitpunkt geben. Der Wahlsieg des Geschäftsmannes Hichilema
       bei den Präsidentschaftswahlen im August 2021 wurde damals als neue
       Morgenröte für Sambia begrüßt. Das UPND-Wahlprogramm versprach eine
       Förderung erneuerbarer Energien.
       
       ## Schuldenkrise war bis vor kurzem die Priorität im Land
       
       Bis zur aktuellen Energiekrise war die Priorität der Regierung, Sambias
       Schuldenkrise zu überwinden, die der IWF auf „Jahre des Missmanagements,
       insbesondere überambitionierte öffentliche Investitionen ohne nennenswerte
       Auswirkung auf Wachstum oder Einnahmen“ zurückführte. Sambia war [2][im
       November 2020 als erstes afrikanisches Land in der Coronapandemie]
       zahlungsunfähig geworden, als es einen Schuldendienst von 42,5 Millionen
       US-Dollar nicht leisten konnte und auch in Rückstand mit anderen Zahlungen
       zu geraten drohte. Der IWF sprang mit Kreditzusagen von 1,3 Milliarden
       US-Dollar ein.
       
       Nun erhöht die Energiekrise den Druck auf Sambias Wirtschaft erneut.
       Hichilema sagt, seine Regierung sei sich sehr bewusst, dass Privathaushalte
       und Kleinunternehmen unter den Abschaltungen besonders leiden würden. „Wir
       tun alles in unserer Macht, um diese Herausforderungen kurz- und
       langfristig zu lindern“, sagte der Präsident. Das Energieministerium
       arbeite an einer Strategie zur Energieunabhängigkeit, die Investitionen in
       der heimischen Energieproduktion erleichtern soll. „Wir werden dies bald
       mit der Öffentlichkeit teilen, damit Sambier sich an der Stromproduktion
       beteiligen können.“
       
       Vor einer Woche reiste Hichilema an der Spitze einer sambischen
       Regierungsdelegation nach Kariba und begutachtete die kritische Lage vor
       Ort. ZRA-Geschäftsführer Munodawafa erklärte, der Wassermangel im See werde
       auch dadurch verschärft, dass sowohl Sambias Zesco als auch ihr Pendant ZPC
       (Zimbabwe Power Company) in Simbabwe seit Jahren ihre zugeteilten
       Wasserkontingente überschritten.
       
       ## Stromausfälle – Alltag im südlichen Afrika
       
       Die ständigen Stromausfälle lassen in Sambia essenzielle Dienstleistungen
       zusammenbrechen, von Tankstellen bis zu Geldautomaten. Auch Alarmanlagen
       und elektronische Sicherheitssysteme fallen dann aus. „Verbrecher könnten
       sich die Stromausfälle opportunistisch zunutze machen“, warnt der
       Sicherheits-Thinktank Crisis24. Sie sind auch ein Ärgernis im Alltag. „Ich
       habe immer Fleisch in großen Mengen für den ganzen Monat eingekauft und
       eingefroren, jetzt ist das unmöglich“, schimpft die selbständige
       Unternehmerin Melania Akamunwa. Wer verlässlich Strom will, braucht nun
       einen Generator, aber der Treibstoff dafür ist teuer.
       
       Im südlichen Afrika insgesamt [3][sind Stromausfälle keine Seltenheit.] Im
       Nachbarland Simbabwe fällt der Strom neuerdings bis zu 19 Stunden am Tag
       aus, von 5 Uhr morgens bis Mitternacht. Es gibt immer häufigere Pannen in
       Simbabwes alten Kohlekraftwerken. Dieses Jahr konnten die geplanten
       Stromausfälle auf 15 Stunden täglich gesenkt werden, dank des verstärkten
       Einsatzes von Solarkraft.
       
       Südafrika kennt seit fünfzehn Jahren Stromkrisen, mit zuletzt
       Stromabschaltungen von bis zu acht Stunden am Tag. Weil der staatliche
       Stromlieferant Eskom die Nachfrage nicht deckt, sind davon auch die kleinen
       Nachbarn Eswatini und Lesotho betroffen.
       
       62 Prozent des Stroms im südlichen Afrika kommen aus der Kohle. Dies ist
       ein Problem in Zeiten des Klimawandels. Die Nutzung der Öl- und Gasvorräte
       der Region ist durch mangelhafte Infrastruktur und unzureichende
       Investitionen beschränkt. Für die eigentlich notwendige Entwicklung
       erneuerbarer Energien wie Wasser-, Wind- und Solarkraft müsste die Region
       nach Angaben der Regionalorganisation SADC (Southern African Development
       Community) nicht nur massiv investieren, sondern gemeinsame
       Qualitätsstandards einführen, die nationalen Stromnetze integrieren und die
       Preisgestaltung harmonisieren.
       
       17 Jan 2023
       
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