# taz.de -- FC Bayern blamiert sich im DFB-Pokal: Falsche Signale
       
       > Der 1. FC Saarbrücken sorgt gegen den FC Bayern München für eine
       > Pokalsensation, auch weil der Favorit sich mächtig verzockt.
       
 (IMG) Bild: Wirklich? Konrad Laimer, Min-jae Kim und Thomas Müller (v.l.) sind nach Abpfiff fassungslos
       
       Der Deutsch-Französische Garten ist ein Juwel. Naherholungsgebiet, eine 50
       Hektar große grüne Lunge mit See, Wasserorgel und Gulliver-Welt, sozusagen
       der Englische Garten Saarbrückens, am Rande der City, was einigen an diesem
       Abend sehr entgegen kam. Es war kurz vor zwölf, als die zwei roten
       Bayern-Busse dort vor dem Hotel hielten und eine Schar Großverdiener
       ausspuckte, die sich kurz zuvor ordentlich blamiert hatten. 1:2 verlor der
       Rekordmeister in Runde zwei des DFB-Pokals gegen Drittligist 1. FC
       Saarbrücken.
       
       Eine dieser verrückten Pokalsensationen, von der man im Saarland noch lange
       reden wird, so wie sie dort heute noch auf das [1][nicht minder verrückte
       6:1 der Blauschwarzen von 1977] rekurrieren, als Fußballzwerge wie Luggi
       Denz und Harry Ellbracht die Riesen Beckenbauer, Maier und Müller
       düpierten. Lange her, aber anscheinend gibt es immer noch Menschen, die aus
       Altbekanntem nichts lernen wollen.
       
       [2][Ob Thomas Tuchel] einer von denen ist? Wird er entschieden von sich
       weisen, den Gedanken. Hat er nach dem Spiel schon getan: „Es ist nicht so,
       dass wir überheblich waren oder nicht alles gegeben haben. Wir haben uns in
       der zweiten Halbzeit reingebissen, aber mit dem letzten Torschuss dann eine
       ganz bittere Pille gekriegt. Wir sind leider heute auf der falschen Seite
       der Pokalsensation.“ Wenn es denn so einfach wäre.
       
       Ist es aber nicht. Wer wie Tuchel sein Team auf fünf Positionen verändert,
       von Beginn an Größen wie Kane, Musiala und Coman eine Pause gönnt, um
       stattdessen Ergänzungsspieler wie den jungen Frans Krätzig oder Buona Sarr,
       der in der letzten Saison genau zwei Minuten Spielzeit hatte, ins Spiel zu
       bringen, der sendet ein Signal: Geht auch so.
       
       ## Vertrauen aufs B-Team
       
       Ein Signal, das in zwei Richtungen wirkt: Den Underdog macht man damit noch
       kleiner, was keinem Underdog der Welt gefällt und wogegen er sich mit allen
       Mitteln wehren wird. Und dem eigenen Team suggeriert man: Wir sind so gut,
       dass wir auch mit dem B-Team gewinnen. Pustekuchen. Verzockt.
       
       Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: frühe Bayernführung, gefolgt
       von pomadigem Verwalten, Zusammenbruch der defensiven Ordnung nach der
       Verletzung von Matthijs de Ligt (Kapselverletzung, am selben Knie wieder),
       zu späte Einwechslung von frischem Offensivpersonal, Knock-out in der
       Nachspielzeit mit dem ersten Torschuss des Gegners in Halbzeit zwei.
       
       Tuchel sagt: „Da gibt’s jetzt 100 Erklärungen oder vielleicht auch keine.
       Es fühlt sich heute ein bisschen komisch an.“ Stimmt. Es stellen sich
       Fragen: Choupo-Moting, Tel und auch Sané haben keinen guten Tag erwischt,
       [3][aber Torgarant Harry Kane] läuft sich 45 Minuten lang warm – warum?
       Tuchel sagt: „Es war nur noch ein Wechsel. Ich wollte zur Verlängerung
       warten, falls Verlängerung ist. Ich musste erst mal abfragen, ob alle
       durchspielen können. Das hätte bedeutet, wir können nicht mehr wechseln.“
       Kann man so sehen. Muss man aber nicht.
       
       Während aus der FCS-Kabine in Klub-Lautstärke „Sara perche ti amo“
       hämmerte, berichtete Tuchel: „Wir haben in der Kabine bereits gesagt, es
       ist kein Zeitpunkt, mit dem Finger aufeinander zu zeigen, kein Zeitpunkt,
       alles infrage zu stellen. Wir gewinnen zusammen, und wir verlieren
       zusammen. Es wird nicht die letzte Niederlage in unser aller Fußballleben
       bleiben.“ Aber eben eine unnötige. Eine, die noch im Ludwigspark ein
       Nachspiel hatte.
       
       Nur eine Handvoll Spieler ging zu den Fans, der Rest verschwand wortlos in
       der Kabine. Dafür hatte Klassensprecher Thomas Müller kein Verständnis:
       „Unabhängig vom Spiel müssen wir da ein anderes Gesicht zeigen und unseren
       Fans den nötigen Respekt entgegenbringen, wenn die auswärts den Block
       vollmachen.“
       
       Voll machten dann nach Mitternacht die FCS-Fans ihre Stadt: ein endloses
       Hupkonzert wie nach einem gewonnenen WM-Finale. Nur drüben im
       Deutsch-Französischen Garten hörte man höchstens mal eine Ente quaken.
       
       2 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dfb.de/datencenter/bundesliga/1976-1977/30-spieltag/1-fc-saarbruecken-bayern-muenchen-184330
 (DIR) [2] /Spitzenspiel-in-der-Fussball-Bundesliga/!5921472
 (DIR) [3] /Fehlstart-von-Harry-Kane-bei-Bayern/!5949833
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Becker
       
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