# taz.de -- Feministische Linguistin Luise F. Pusch: Reparatur der Herrenkultur
       
       > Luise F. Pusch, Autorin von „Das Deutsche als Männersprache“, legt ihre
       > Biografie vor. Sie erzählt vom dumpfen Geist der deutschen
       > Nachkriegsjahre.
       
 (IMG) Bild: Die Autorin und Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, aufgenommen im Jahr 1989
       
       Luise F. Pusch ist die wohl erfolgreichste und bekannteste Mitbegründerin
       der feministischen Sprachwissenschaft in Deutschland. Ihre originellen
       Reparaturvorschläge gegen die Bevorzugung des Mannes in der Sprache und im
       Leben seit nun gut 40 Jahren kulminieren in dem Ausspruch: „Das Maskulinum
       ist nicht mehr das, was es einmal war.“ Ihr biografisches Webportal
       [1][fembio.org] zu bedeutenden Frauen aller Epochen und Länder ist genial.
       Fast alle unsere weiblichen Vorbilder sind hier vertreten und es werden
       immer mehr.
       
       Der Suhrkamp Verlag bewirbt Luise F. Pusch pointiert als respektlos,
       fundiert, einzigartig und kritisch. „Das Deutsche als Männersprache“, ihr
       viertes Buch von 1984, ist mittlerweile das bestverkaufte
       sprachwissenschaftliche Werk der deutschen Nachkriegsgeschichte.
       
       Dass sich Luise F. Pusch, Jahrgang 1944, bereits früh zu Frauen hingezogen
       fühlte, musste sie lange unter Verschluss halten. Die Jahre ihrer Kindheit
       und Jugend waren extrem homophob und führten bei der hochbegabten, stark
       protestantisch geprägten, wahrheitsliebenden jungen Frau zu permanenter
       sozialer Angst, die sie in jahrelangen Psychotherapien zu bewältigen
       versuchte.
       
       1983, in dem Sammelband „Feminismus, Inspektion der Herrenkultur“, schreibt
       sie noch unter Pseudonym: „In den fünfziger Jahren hielt ich meine Liebe zu
       Frauen für sündig und pervers, in den sechziger Jahren für eine
       (hoffentlich heilbare!) Krankheit, in den siebziger Jahren schließlich für
       eine Veranlagung etwa wie Linkshändigkeit oder Farbenblindheit – nicht ganz
       das Wahre und Normale, ein bisschen unpraktisch in dieser anders genormten
       Welt, aber andererseits auch nichts, dessen frau/man sich zu schämen
       brauchte. Ich kam durch intensive Lektüre wohlmeinender Schriften und
       emsiges Nachdenken zu dem Schluss, ‚die anderen‘ hätten mich und
       meinesgleichen gefälligst zu akzeptieren – Farbenblinde und Linkshänder
       werden schließlich auch nicht für ihre Veranlagung bestraft und
       ausgestoßen, als letzter Dreck behandelt. Es ist schön, sich endlich selbst
       akzeptieren gelernt zu haben und neben den anderen als gleichberechtigt
       einordnen zu können – aber was nützt eine geheilte Selbstsicht, wenn die
       andern die Sicht nicht teilen und fortfahren, dich für Abschaum zu halten?“
       
       ## Versuche, das Leben zu beschreiben
       
       Von diesen traumatisierenden Erfahrungen handelt ihr Coming-of-Age-Buch
       „Gegen das Schweigen. Meine etwas andere Kindheit und Jugend“. Es spielt in
       den Nachkriegsjahren in der Provinz in Ostwestfalen. Nach „Sonja: Eine
       Melancholie für Fortgeschrittene“ von 1981, einem der erfolgreichsten
       Bücher mit lesbischer Thematik nach 1945, ist dies ihr zweiter Versuch, ihr
       Leben im und nach dem „Lockdown der Wirtschaftswunderzeit“ zu beschreiben.
       
       Die stark protestantisch geprägte Missionarstochter mit der
       alleinerziehenden und wunderbar exzentrischen Mutter am finanziellen
       Abgrund – von der sie sicher den Mut hat, sich durchzusetzen –, die
       Geschwister, die Liebe zur Musik und zur Literatur, der innere Rückzug, das
       Leiden, geben ein lebendiges und beredtes Zeugnis für die Überwindung von
       Kleinbürgerlichkeit, von lähmender Angst und dem Zwang zur Verstellung.
       
       Das Buch erzählt in fünf Kapiteln über die Zeit von 1944 bis 1965, vom
       Aufwachsen in Gütersloh bis zum fünften Semester an der Uni Hamburg. Es
       regt an, ist persönlich, reflektiert. Die geschilderten schlimmen
       Erfahrungen scheinen symptomatisch für den dumpfen Geist dieser Zeit.
       
       Heute ist die amerikanische Germanistin Joey Horsley nun schon seit 37
       Jahren ihre Lebenspartnerin und intellektuelle Mitstreiterin. „Ohne sie
       wüsste ich nicht, wie wunderbar das Leben sein kann, sogar, und vor allem,
       für Lesben.“
       
       [2][Luise F. Pusch bezaubert mit ihrer Wahrheitssuche] und stellt wieder
       einmal unter Beweis, dass noch nie jemand etwas verändert hat, indem sie
       oder er so ist wie andere.
       
       12 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.fembio.org/
 (DIR) [2] /Debatte-Geschlechtergerechte-Sprache/!5577446
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Siebrasse
       
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       die Karriere gekostet hat und wie die Chancen für eine Revolution der
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