# taz.de -- Fidget-Spinner-Gate: Trend für den Arsch?
       
       > Das Stimming-Spielzeug erobert den Markt und erscheint sogar mit
       > LED-Lichtern oder als Analplug. Was das über uns aussagt.
       
 (IMG) Bild: Casino-Atmosphäre: Die LED-Lichter machen den Kreisel zum reizüberflutenden Blickfang
       
       Zwischen dem Daumen und Zeigefinger festgehalten, benötigt der
       Wurfstern-förmige Handkreisel nur einen Stoß und schon dreht er sich dank
       des Kugellagers ganz schnell, wie ein Karussell. Manche Modelle sind mit
       blinkenden LED-Lichtern ausgestattet, andere haben mehr als die üblichen
       drei Flügel. Mittlerweile hat fast jeder Kiosk die rotierenden Spielzeuge
       in sein Sortiment aufgenommen, auch Straßenhändler_innen verkaufen die
       Teilchen.
       
       Am sogenannten Fidget Spinner, einem Kreisel für Zappelphilipps aller
       Gender, kommt man derzeit schwer vorbei. Das als Anti-Stress-Gadget
       angepriesene Spielzeug dreht sich nicht nur zwischen den Fingern von
       Kindern und Jugendlichen, es rotieren auch zahlreiche YouTube-Videos mit
       Spinner-Kunststücken im Netz.
       
       Als der US-Präsidentensohn Barron Trump bei seinem Einzug ins Weiße Haus
       mit seinen Eltern aus dem Air Force One stieg, sorgte er allein mit der
       Tatsache für Schlagzeilen, dass er im Gehen mit dem Kreisel spielte. Wie
       alle Kinder in seinem Alter, könnte man meinen. Oder steckt mehr dahinter?
       
       Hat ihm der Umzug so viel Stress bereitet, dass er seine Nervosität mit
       coolen Handbewegungen verstecken wollte? Fühlt er sich unwohl mit der
       Tatsache, wieder unter einem Dach mit seinem Vater zu wohnen? Oder ist er
       generell ein unruhiger Typ? Ist es überhaupt wichtig, darüber nachzudenken?
       Fragen über Fragen!
       
       ## Der Spinner zerstört die Familienidylle
       
       Tausende Kilometer entfernt, im thüringischen Saalfeld, traf der Hype einen
       anderen Jungen in Barrons Alter: Weil seine Mutter ihm keinen Spinner
       erlaubte, lief der wütende Elfjährige von zu Hause weg. Einige Stunden und
       ein Polizeigroßaufgebot später fand man den Jungen wohlauf auf einer Bank.
       
       Der Fidget-Spinner-Trend, er wühlt auf. Aber ist er voll für den Arsch?
       Schließlich gibt es jetzt sogar einen Spinner-Analplug. Den hätte es vor
       ein paar Monaten mit Sicherheit nicht gegeben, denn populär war das in den
       1990ern erfundene Spielzeug zuvor in erster Linie unter Menschen mit
       Zappelbedürfnis. Auch unter Stimming bekannt, handelt es sich hierbei um
       stimulierende, der eigenen Beruhigungen dienende, meist sich wiederholende
       Bewegungen.
       
       Das kann zum Beispiel das ununterbrochene Klicken eines Kugelschreibers
       sein. Das taucht häufig bei Menschen auf, die von ADS, ADHS, Autismus oder
       Angststörungen betroffen sind. Dieses Verlangen stillen neben Fidget
       Spinnern auch andere Spielzeuge mit speziellen Texturen, kinetischer Sand
       oder intelligente Knete etwa. Sie beruhigen nicht nur, sondern machen auch
       noch Spaß.
       
       Kein Wunder also, dass auch Kinder, die diese Spielzeuge nicht „brauchen“,
       Gefallen an ihnen finden. Ein so großer Hype wie der um die Handkreisel ist
       jedoch ungewöhnlich: Es geht so weit, dass in China, Produktionsort vieler
       dieser Teile, manche Firmen ihr eigentliches Metier, etwa Handyzubehör, auf
       Eis gelegt haben und auf den Spinner-Zug gesprungen sind.
       
       ## Vom „Special Interest Toy“ zum Netz-Hype
       
       Der Spinner-Trend, er löst aber vor allem Ambivalenz aus: Zappelige
       Menschen outen sich nicht mehr als Freaks, wenn der Gebrauch von Objekten
       wie Handkreiseln normalisiert wird, weil sie nicht mehr als „Special
       Interest Toy“ gelten. Doch die Akzeptanz entsteht nur, weil „alle anderen“
       jetzt auch mit diesem Gerät herumdaddeln. Andere Formen von Stimming sorgen
       nach wie vor für irritierte Blicke und Stigmatisierung.
       
       Der Hype sorgte etwa in den USA außerdem dafür, dass die Spielzeuge aus
       vielen Schulen verbannt wurden – sie lenkten die Schüler_innen zu stark vom
       Unterricht ab. Diese Konsequenz trifft und diskriminiert besonders nervöse
       Kinder.
       
       Ob Spinner zappeligen Menschen tatsächlich dabei helfen, fokussierter zu
       sein, ist unter Expert_innen umstritten. [1][Die autistische
       US-amerikanische Autorin Sarah Kurchak wendet auf The Establishment]
       dagegen ein, dass es eigentlich auch egal sei, ob die Spielzeuge die
       Konzentration von unruhigen Personen steigern oder nicht. Es ginge nicht
       immer nur um die Produktivität von Menschen, Dinge sollten auch dann
       akzeptiert werden, wenn sie einfach dem sinnlosen Zeitvertrieb dienen.
       
       Und jetzt? Einfach mehr Verständnis für Unruhe.
       
       14 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://theestablishment.co/all-the-wrong-people-are-asking-all-the-wrong-questions-about-fidget-spinners-9356c496b599
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hengameh Yaghoobifarah
       
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