# taz.de -- Flüchtlingspolitik im Ärmelkanal: Schulterschluss der Rechten > Großbritanniens Flüchtlingspolitik ist humaner als in weiten Teilen der > EU. Dafür hagelt es Kritik von rechts. Frankreich macht zusätzlich Druck. (IMG) Bild: „Attraktivität“ verringern? Rettungsboot der Royal National Lifeboat Institution am 24.11.2021 Wer hätte das gedacht: Keine zwei Jahre nach dem Brexit, der angeblich Großbritanniens nationalistische Abschottung besiegelte, fordert Frankreich den Nachbarn dazu auf, seine [1][„Attraktivität“ für Flüchtlinge zu verringern]. Denn egal wie viele Zehntausend Menschen aus Irak, Syrien, Somalia, Sudan, Afghanistan und Iran über den Ärmelkanal auf die Insel wollen – immer mehr kommen nach und setzen Frankreich unter Zugzwang. Hält Frankreich die Flüchtenden auf, muss es selbst mit ihnen klarkommen. Lässt es sie ziehen, bricht es die geltenden Grenzabkommen. Kein Wunder, dass Frankreich jetzt fordert, Großbritannien möge sich endlich so abweisend zeigen, wie man es selbst schon ist. Großbritannien ist das letzte Land Europas, das noch Seenotrettung betreibt. Über 25.000 Menschen haben es allein dieses Jahr über den Ärmelkanal geschafft. Sie wurden fast alle von den Seenotrettern der [2][Royal National Lifeboat Institution] (RNLI), die im Auftrag der britischen Küstenwache gefährdete Menschen aus dem Meer fischen, beim Erreichen britischer Gewässer auf die eigenen Boote genommen und an die südenglische Küste gebracht – oder auch gleich von der Küstenwache selbst. Das hat unzählige Menschenleben gerettet. Für das, was die RNLI mit staatlichem Segen im Ärmelkanal tut, kommen Retter in EU-Ländern vor Gericht. Und alle, die in Großbritannien ankommen, landen sofort in regulären Asylverfahren, nicht in Horrorlagern wie auf den griechischen Inseln oder auf der Straße wie in Frankreich. Die britische Rechte wütet dagegen schon seit Jahren, Innenministerin Priti Patel will die Seenotrettung verbieten, wogegen sich die RNLI bislang erfolgreich wehrt. Jetzt liefern die Forderungen aus der EU Patel eine Steilvorlage. Es droht ein Schulterschluss zwischen London, Paris und Brüssel auf Kosten von Nichteuropäern. Wenn das gelingt, werden [3][Tragödien wie die von vergangener Woche] zum Normalzustand im Ärmelkanal, so wie bereits im Mittelmeer. Für die EU wäre das ein Erfolg. Für Europa und seine Werte ein Verrat. 29 Nov 2021 ## LINKS (DIR) [1] /EU-Krisengipfel-in-Calais/!5818461 (DIR) [2] https://rnli.org/ (DIR) [3] /Auf-dem-Weg-nach-Grossbritannien/!5817867 ## AUTOREN (DIR) Dominic Johnson ## TAGS (DIR) Schwerpunkt Flucht (DIR) Ärmelkanal (DIR) Bootsunglück (DIR) Boris Johnson (DIR) GNS (DIR) Großbritannien (DIR) Schwerpunkt Flucht (DIR) Vereinigtes Königreich (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin (DIR) Calais (DIR) Frankreich (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Flucht ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Asylpolitik in Großbritannien: Vom Schlauchboot nach Ruanda Die britische Regierung will Asylbewerber:innen, die illegal auf die Insel gelangen, per Flugzeug nach Ruanda schicken. Dort sollen sie bleiben. (DIR) Geflüchtete in London: Die vier von der Parkbank Was geschieht mit denen, die in Booten aus der EU nach Großbritannien gelangen? Vier junge Männer aus Ägypten, Eritrea, Irak und Iran erzählen. (DIR) Lockdown-Feiern in 10 Downing Street: Regierungssitz und Partymeile Berichte über Partys während des Corona-Lockdowns setzen Boris Johnson unter Druck. Manche sehen sein politisches Ende gekommen. (DIR) Flüchtlingspolitik der EU: Grenzen dicht, schnelle Abschiebung Die EU-Kommission will mit einem Sondermechanismus Lettland, Litauen und Polen Schnellverfahren erlauben. Doch den Osteuropäern reicht das nicht. (DIR) Nachwahl in Old Bexley and Sidcup: Stimmungstest in London Boris Johnson durchläuft ein Tief. Nun könnten die Tories in einer Nachwahl auch noch einen Traditionswahlkreis verlieren. (DIR) Rot-grün-rote Abschiebepolitik: Die SPD schiebt weiter ab In der Migrationspolitik ist wenig Aufbruch zu erwarten von der neuen Koalition: Die SPD verantwortet weiter das Landesamt für Einbürgerung. (DIR) EU-Krisengipfel in Calais: Frontex soll die Küste überwachen Nach dem Tod von 27 Migranten im Ärmelkanal sind EU-Vertreter zu einem Krisengipfel zusammengekommen. Sie wollen wirksamer gegen Schleuser vorgehen. (DIR) Geflüchtete vor Europas Küste gestorben: Das absehbare Unglück 27 Asylsuchende sind im Ärmelkanal ertrunken. Und wie reagieren London und Paris? Mit gegenseitigen Vorwürfen, statt mit einem Plan. (DIR) Ertrunkene Flüchtlinge im Ärmelkanal: Im Bann von Nigel Farage Die jüngst ertrunkenen Migranten im Ärmelkanal zeigen, wie nötig ein Kurswechsel in der britische Asylpolitik ist. Doch Regierung wie Opposition fehlt der Mut dazu. (DIR) Auf dem Weg nach Großbritannien: 27 Menschen im Ärmelkanal ertrunken Die Opfer wollten das ruhigere Wetter für ihre Überfahrt von Calais nutzen. Die Todeszahl dort erreicht einen Höchstwert.