# taz.de -- Fußverkehrsstrategie für Hamburg: Alles eine Platzfrage
       
       > Die rot-grüne Hamburger Koalition will den Fußgängerverkehr fördern. Das
       > größte Konfliktpotenzial birgt die Konkurrenz um den knapp bemessenen
       > Raum.
       
 (IMG) Bild: Eher rar: freie Bahn für Fußgänger
       
       HAMBURG taz | Zugeparkt, hubbelig und schlecht beleuchtet: Wer als
       Fußgänger unterwegs ist, tut sich mitunter schwer mit Hamburgs Wegen – ganz
       zu schweigen von jenen, die gar einen Rollator oder einen Kinderwagen
       schieben müssen. Die rot-grüne Koalition in Hamburg will hier Abhilfe
       schaffen. Sie hat den Senat aufgefordert, bis zum Jahresende einen Plan
       dafür vorzulegen, was bis 2030 verbessert werden soll.
       
       Das Jahr 2030 ist ein wichtiges Datum, denn bis dahin will der rot-grüne
       Senat die Verkehrswende in Hamburg schaffen. Statt heute 68 Prozent sollen
       in Zukunft 80 Prozent aller Wege im Rahmen des sogenannten Umweltverbundes
       zurückgelegt werden, also per Bus oder Bahn, per Rad – oder eben zu Fuß.
       
       Dabei hat der öffentliche Nahverkehr laut der Erhebung „Mobilität in
       Deutschland“ und zuletzt einer [1][Umfrage des Senats] von 2008 bis 2022
       von 19 auf 24 Prozent zugenommen, das Fahrrad von 13 auf 22 Prozent. Zu Fuß
       wurden hingegen weniger Wege zurückgelegt: Der Wert sank von 29 auf 22
       Prozent. Angepeilt für 2030 sind 20 bis 25 Prozent.
       
       Das Zu-Fuß-Gehen soll aus Sicht von Rot-Grün nicht weiter unter die Räder
       kommen, weil es „gesund, niedrigschwellig und klimafreundlich“ ist, wie es
       die Grünen-Abgeordnete Rosa Domm ausdrückt. „[2][Fußwege ermöglichen das
       unmittelbare Erleben unserer Stadt und stellen Mobilität für alle sicher]“,
       sagt ihr SPD-Kollege Ole Thorben Buschhüter.
       
       ## 1,50 Meter Breite sind „unterirdisch“
       
       Sonja Tesch von „Fuss e.V.“, der Interessenvertretung der Fußgänger,
       wundert sich ein bisschen über den Antrag – schließlich arbeite die
       Verkehrsbehörde ja schon seit geraumer Zeit an dem Thema. [3][Bereits 2022
       hat der Senat ein Bündnis für den Rad- und Fußverkehr zu Stande gebracht,]
       in dem 28 Behörden und städtische Betriebe an einem Strang ziehen sollen.
       Im vergangenen Jahr beauftragte die Behörde ein privates Planungsbüro, ein
       Vorkonzept zu erstellen. Fuss e.V. und der ADAC sind in die Überlegungen
       eingebunden.
       
       Der wichtigste Konfliktherd aus Sicht von Fuss e.V. ist [4][die Frage,
       welches Verkehrsmittel wie viel Platz bekommt]. „Bisher reicht im Notfall
       auch ein 1,50 Meter breiter Gehweg, was wir für unterirdisch halten“, sagt
       Tesch. Ihr [5][Verein geht davon aus, dass es insgesamt 2,50 Meter sein
       sollten], damit zwei Menschen mit Taschen aneinander vorbeigehen können und
       auch noch Platz zur Hauswand und zur Fahrbahn bleibt. Eine gesetzliche
       Vorschrift dafür gibt es nicht, lediglich Empfehlungen der
       Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV).
       
       Mehr Platz für Fußgänger zu schaffen, das werde wesentlich zu Lasten von
       Parkplätzen gehen, sagt Tesch. Der „ruhende Verkehr“ beanspruche im
       Verhältnis am meisten Platz. Ganz praktisch wäre sie schon froh, wenn
       zwischen Baumscheiben nicht geparkt würde. Dann bliebe zwar die
       Einschränkung der Breite dort, wo die Bäume stehen, in den Nischen
       dazwischen hätten die Fußgänger aber eine Überhol- und
       Begegnungsmöglichkeit.
       
       „Dass der Autoverkehr Platz machen muss, ist klar“, räumt auch Christof
       Tietgen, Sprecher des ADAC Hansa ein. Das dürfe aber keine neuen Probleme
       wie etwa Staus schaffen und für wegfallende Parkplätze im öffentlichen Raum
       müsse es einen Ausgleich geben. Der ADAC setzt darauf, dass viele Leute
       aufs Auto verzichten werden, wenn der öffentliche Nahverkehr attraktiv
       genug ist. Für viele Pendler sei hier noch Luft nach oben.
       
       ## Kuddelmuddel an Ampeln
       
       [6][Auch der Umstieg aufs Fahrrad ist nicht konfliktfrei zu haben.]
       Lästiges Kuddelmuddel gibt es Tesch zufolge etwa an Fußgängerampeln, wo die
       Autos zwar Rot hätten, Radfahrer aber weder durch eine Ampel noch durch
       einen Zebrastreifen gebremst würden. Aus Teschs Sicht wäre es am besten,
       die Radler würden komplett auf der Fahrbahn fahren oder kurz vor eine
       Kreuzung auf die Fahrbahn geleitet. Dann wären sie für die Autofahrer gut
       zu sehen und würden von der Ampel gestoppt.
       
       Ein leidiges Thema für die Fußgängerlobby ist überdies die Beleuchtung. „Es
       ist verrückt, dass die Fahrbahnen beleuchtet werden, wo die Autos mit Licht
       fahren, während Fußgänger hinter den Bäumen im Dunkeln laufen“, findet
       Tesch.
       
       Der ADAC begrüßt es, dass es eine Strategie für den Fußverkehr geben soll.
       Es stelle sich aber die Frage, wie diese mit Leben gefüllt werden solle.
       „Es wäre schön, wenn es in den Bezirken Kümmerer gäbe“, sagt ADAC-Sprecher
       Tietgen. Denn in den sieben Stadtbezirken muss die Strategie ja
       buchstäblich auf die Straße gebracht werden. Und dafür müssten sie auch das
       nötige Geld bekommen, sagt Tietgen.
       
       ## Monitoring für die Strategie
       
       Der rot-grüne Antrag für die Fußverkehrsstrategie, der am 10. April in der
       Bürgerschaft verhandelt werden soll, befasst sich weniger mit Inhalten als
       mit den Rahmenbedingungen des Vorgehens: Er fordert Meilensteine zu setzen,
       die Bürger einzubeziehen, ein Monitoring und Personal. Inhaltlich verweist
       der Antrag auf das Vorkonzept des Ingenieurbüros und das Bündnis für den
       Rad- und Fußverkehr, das selbst schon eine Reihe von detaillierten
       Verbesserungsvorschlägen gemacht hat.
       
       Als konkrete Verbesserung nannte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) im
       Februar, dass seit zwei Jahren der Neubau und die Erneuerung von Gehwegen
       erfasst werde. 2022 waren es 67, im Jahr darauf 93 Kilometer.
       
       In einer früheren Version dieses Artikels war von der Erneuerung von
       Radwegen die Rede. Es ging aber um Gehwege. Wir bitten, diesen Fehler zu
       entschuldigen.
       
       26 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hamburg.de/bvm/medien/17104782/2023-05-08-bvm-mobilitaetswende/
 (DIR) [2] /Verkehrssicherheits-Roulette/!5950178
 (DIR) [3] https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/16177002/2022-05-17-bvm-strategie-rad-und-fussverkehr/
 (DIR) [4] /Studie-zu-Autos-in-der-Stadt/!5945157
 (DIR) [5] https://www.fuss-ev.de/planung-regeln-sicherheit/breite-2-50-meter
 (DIR) [6] /Unfaelle-von-Radfahrern-durch-Fussgaenger/!5855255
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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