# taz.de -- G7-Gipfel im japanischen Hiroshima: Im Zeichen nuklearer Drohungen
       
       > Ab Freitag treffen sich die G7 in Japan. Neben den Themen Ukraine und
       > Nordkorea steht auch ein politisch sensibler Museumsbesuch auf dem
       > Programm.
       
 (IMG) Bild: Friedenspark in Hiroshima: Hier wollen die Gipfelteilnehmer am Freitag eine Schweigeminute abhalten
       
       TOKIO taz | Auf die Titelseite ihrer Sonderbeilage zum G7-Gipfel druckte
       die japanische Tageszeitung Chugoku Shimbun ein ganzseitiges Foto von
       Hiroshima, aufgenommen eine Stunde nach der Explosion der Atombombe vom 6.
       August 1945. Der Staub der Pilzwolke fällt im Moment der Aufnahme gerade
       herunter. Bis Ende 1945 wird die Bombe 140.000 Menschen getötet haben.
       
       Mit dem Foto drückte die Zeitung die Erwartung vieler Stadtbewohner aus,
       dass der G7-Gipfel, den die sieben führenden demokratischen
       Industriestaaten von Freitag bis Sonntag in Hiroshima abhalten, klar im
       Zeichen der nuklearen Abrüstung stehen wird.
       
       Unterstützung kommt von Fumio Kishida. Dem japanischen Premierminister ist
       mit der Wahl des Gipfelorts ein Coup gelungen. Sein Wahlkreis liegt in
       Hiroshima, seine Familie stammt von dort. Zu Kishidas Zielen gehört seit
       jeher die Verwirklichung einer Welt ohne Atomwaffen.
       
       „Wir werden eine starke Botschaft für eine atomwaffenfreie Welt aussenden“,
       erklärte Kishida. Allerdings bezweifelten 61 Prozent der Japaner in einer
       Umfrage, dass der Gipfel Fortschritte bringen wird. Hunderte Bürger
       demonstrierten am Sonntag in Hiroshima sogar gegen eine
       [1][Instrumentalisierung des Opfergedenkens].
       
       Kishida hatte die Stadt ausgewählt, nachdem Russlands Präsident Putin im
       Frühjahr 2022 mit Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine drohte. Ebenso hat
       Nordkorea sein Arsenal an atomwaffenfähigen Raketen kräftig ausgebaut.
       Diese Entwicklungen stärken die Symbolik, die von Hiroshima ausgeht. Die
       [2][Hilfe für die Ukraine] ist denn auch Hauptthema der G7-Gespräche. Ein
       zweiter Fokus wird der Umgang mit Chinas Drohungen gegen Taiwan und sein
       Bündnis mit Russland sein.
       
       ## Vorbehalte gegen Museumsbesuch
       
       Bereits am Freitag wollen die Regierungschefs von Frankreich, Italien,
       Großbritannien, Deutschland, Kanada, den USA und Japan im Friedenspark am
       Mahnmal für die Bombenopfer eine Schweigeminute abhalten und mit
       Überlebenden sprechen. Außerdem besuchen sie ein Museum, das die Folgen der
       Explosion für die Bevölkerung dokumentiert.
       
       Gegen den Besuch hatten die USA, Frankreich und Großbritannien laut einem
       Bericht des Fernsehsenders NHK längere Zeit Widerstand geleistet. „Die
       G7-Atommächte befürchteten, der Museumsbesuch könnte ihre Position zur
       nuklearen Abschreckung untergraben“, erläuterte ein japanischer
       Außenbeamter. Der Kompromiss: Die Politiker besuchen das Museum, aber
       Holztafeln an den Fenstern versperren die Sicht. So wird unklar sein, ob
       die G7-Chefs auch erschütternde Exponate wie ein verkohltes Kinderdreirad
       sehen werden.
       
       Barack Obama, der 2016 als erster amtierender US-Präsident nach Hiroshima
       kam, verbrachte nur zehn Minuten im Ostgebäude des Museums, in dem nicht
       das menschliche Leid, sondern lediglich die Auswirkung der Bombe auf die
       Stadt thematisiert wird.
       
       Wie Obama will auch der heutige US-Präsident Joe Biden sich nicht dafür
       entschuldigen, dass die USA die Bombe damals einsetzten. Das stellte sein
       nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan im Vorfeld des Gipfels klar:
       „Das Gedenken ist aus seiner Sicht kein bilateraler Moment“, sagte
       Sullivan. Viele US-Amerikaner halten den Nuklearangriff bis heute für
       legitim, da er die Kapitulation von Japan im Zweiten Weltkrieg erzwang.
       
       Die geplante gemeinsame G7-Erklärung zur nuklearen Abrüstung wird einen
       Appell zum „Nie wieder“ enthalten – obwohl drei der sieben Staaten selbst
       Atommächte sind und die übrigen vier unter dem US-Atomschutzschirm stehen.
       
       Vor dem Gipfel bekannten sich die USA überraschend zum von Russland auf Eis
       gelegten New-Start-Vertrag zur gegenseitigen Verringerung von Atomwaffen.
       Man habe 1.419 einsatzbereite Atomsprengköpfe, hieß es aus Washington, auch
       Moskau solle diese Daten freigeben.
       
       Dagegen forderte Akira Kawasaki von der Internationalen Kampagne zur
       Abschaffung von Atomwaffen (Ican): „Die G7 sollten nicht nur Russland
       verurteilen, sondern ihre Abschreckungspolitik mit Atomwaffen verändern.“
       
       ## Scholz zeigt sich zuversichtlich
       
       Biden will in Hiroshima auf ein Sanktionspaket mit neuen Maßnahmen gegen
       Russland und eine bessere Durchsetzung bisheriger Restriktionen drängen.
       Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte nach seiner Ankunft in
       Hiroshima am Donnerstag, dass es vor allem darum gehe, das Sanktionsregime
       so weiterzuentwickeln, dass eine Umgehung nicht möglich sei. „Ich gehe
       davon aus, dass wir sehr gut zusammenfinden können“, so Scholz.
       
       Weniger einig sind sich die G7-Länder in der Frage, wie weit eine
       wirtschaftliche Entkoppelung von China notwendig ist. Weitere Schwerpunkte
       sind die Bekämpfung des Klimawandels, die Eindämmung der Krankheit Demenz
       und die Regulierung von künstlicher Intelligenz. Ein trilaterales Gespräch
       zwischen Biden und Kishida sowie Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol wird
       sich mit Nordkorea beschäftigen. Mit der Begegnung in Hiroshima setzt
       Kishida die Annäherung an Südkorea fort.
       
       Auch die Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Indien, Indonesien und
       Vietnam hat der Gastgeber eingeladen. Die Geste hängt ebenfalls mit der
       Ukraine zusammen, denn die westlichen Industrieländer wollen den
       „Globalen Süden“ im Umgang mit Russland auf ihre Seite ziehen.
       
       Im Vorfeld des G7-Gipfels haben Entwicklungsorganisationen
       Schuldenerleichterungen besonders für afrikanische Länder gefordert.
       „Coronapandemie, Hungersnöte, die Folgen der Klimakrise – immer wenn es
       darauf ankam, war die Unterstützung der G7 für ärmere Länder bestenfalls
       halbherzig“, sagte Stephan Exo-Kreischer von der US-Organisation One.
       
       18 May 2023
       
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