# taz.de -- Gewalt im Westjordanland: Heftige Feuergefechte in Dschenin
       
       > Im Westjordanland ist es erneut zu Gewalt zwischen Palästinensern und der
       > israelischen Armee gekommen. Ein Armeehubschrauber feuerte Raketen ab.
       
 (IMG) Bild: Palästinenser gehen in Deckung vor einem Krankenhaus in Jenin
       
       TEL AVIV taz | Eine israelische Razzia im Flüchtlingslager von Dschenin im
       Norden des Westjordanlands ist am Montag eskaliert. Zum ersten Mal seit der
       zweiten Intifada vor rund zwanzig Jahren führte das israelische Militär
       auch einen Luftschlag im Westjordanland aus.
       
       Mindestens fünf Palästinenser*innen wurden getötet, unter ihnen ein
       15-jähriger Junge sowie ein Kämpfer der militanten
       Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Verletzt wurden mindestens
       45 Palästinenser*innen, unter ihnen ein 15-jähriges Mädchen, das am Montag
       in Lebensgefahr schwebte. Auf israelischer Seite wurden mindestens acht
       Soldat*innen verletzt.
       
       Nach Angaben der israelischen Armee und der Grenzpolizei waren die
       israelischen Streitkräfte am Montagmorgen in das Flüchtlingslager
       eingedrungen, um zwei palästinensische Terrorverdächtige festzunehmen.
       Einer von ihnen soll der Sohn sein von Dschamal Abu al-Hidscha sein, einem
       Hamas-Anführer im Westjordanland, der sich derzeit in israelischer Haft
       befindet.
       
       Der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge stürmten israelische
       Soldat*innen das Flüchtlingslager und feuerten scharfe Munition und
       Blendgranaten ab. Laut israelischem Militär ist es dabei zu einem massiven
       Schusswechsel gekommen. Auch seien improvisierte Sprengsätze auf die
       Streitkräfte geworfen worden.
       
       Ein israelischer Hubschrauber feuerte Raketen ab, um eine Evakuierung
       verwundeter Soldat*innen zu ermöglichen, teilte das israelische Militär
       mit. Sie sollen zuvor in ihrem Fahrzeug von einem Sprengsatz getroffen
       worden seien.
       
       Einem Reporter von al-Dschasira zufolge haben Israels Streitkräfte auch auf
       einen palästinensischen Journalisten, Hafez Abu Sabra, geschossen, ohne
       dass in der Nähe ein Schusswechsel zwischen Militanten und dem Militär
       stattgefunden habe. In der Nähe dieser Szene wurde vor etwas mehr als einem
       Jahr die bekannte US-palästinensische Journalistin [1][Shireen Abu Akleh
       wahrscheinlich durch eine Kugel des israelischen Militärs getötet].
       
       Smotrich bekommt Kontrolle über Siedlungsbau 
       
       Bezalel Smotrich, israelischer Finanzminister und gleichzeitig auch
       stellvertretender Minister innerhalb des Verteidigungsministeriums,
       forderte die Einberufung des israelischen Sicherheitskabinetts. Auf Twitter
       kündigte er als Reaktion auf die Ereignisse in Dschenin eine „großangelegte
       Operation“ im Westjordanland an, „um die Nester des Terrorismus im Norden
       Samarias auszurotten“. Das von Israel besetzte Westjordanland wird von
       vielen Israelis mittlerweile mit den biblischen Namen Judäa und Samaria
       bezeichnet.
       
       Ob Smotrichs Forderungen durchkommen werden, steht allerdings infrage.
       Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bislang versucht zu
       vermeiden, das Sicherheitskabinett einzuberufen, um seine rechtsextremen
       Koalitionspartner bei Sicherheitsentscheidungen möglichst nicht einbeziehen
       zu müssen.
       
       In anderen Fragen jedoch hat Smotrich dank zweier extrem umstrittener
       Beschlüsse der israelischen Regierung am Wochenende enorm an Einfluss
       gewonnen. Zum einen übertrug die Regierung dem rechtsideologischen Siedler
       praktisch die gesamte Kontrolle über Baugenehmigungen für Siedlungen im
       Westjordanland. Der Verteidigungsminister, der bislang in den Prozess
       involviert war, hat keine Entscheidungsbefugnis mehr.
       
       Außerdem wird das Verfahren für die Erweiterung bestehender Siedlungen und
       die rückwirkende Legalisierung einiger illegaler Außenposten erheblich
       vereinfacht. Brauchte es früher eine ganze Reihe von Genehmigungsschritten,
       ist ab jetzt nur noch ein Schritt nötig.
       
       Der israelischen Friedensorganisation Peace Now zufolge heißt dies auch,
       dass die Öffentlichkeit erst nach der ersten und abschließenden Genehmigung
       von derartigen Entscheidungen erfährt – ohne die Möglichkeit, politischen
       Widerstand gegen die Pläne zu leisten.
       
       Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert um 17.06 Uhr.
       
       19 Jun 2023
       
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