# taz.de -- Großbritanniens Spitzenbeamtin Sue Gray: Vom Pub zur Party-Inquisitorin
       
       > Sue Gray hat im Alltag in 10 Downing Street viel zu sagen. Nun ist sie
       > für die Untersuchung zu Lockdownpartys in Regierungsbüros zuständig.
       
 (IMG) Bild: Sue Gray könnte die politische Zukunft von Boris Johnson in der Hand haben
       
       BERLIN taz | Als „mächtigste Frau in Großbritannien“ bezeichnete ein
       Diskussionsforum der regierenden britischen Konservativen Sue Gray vor gut
       vier Jahren – das war mitten in der Amtszeit von Premierministerin Theresa
       May. Sue Gray führte damals 2017 die interne Untersuchung gegen Mays
       Stellverteter Damian Green und erzwang seinen Rücktritt, weil er in einer
       Kneipe das Knie einer Journalistin berührt hatte. Das waren noch Zeiten.
       
       Heute führt Sue Gray eine interne Untersuchung über ganz andere Formen
       regelwidriger Kontakte, und kaum jemand erwartet, dass [1][Premierminister
       Boris Johnson] sie unbeschadet übersteht. Stündlich erwartete die britische
       Öffentlichkeit am Mittwoch ihren Untersuchungsbericht über „Zusammenkünfte
       der Mitarbeitenden in 10 Downing Street“ – die Affäre um
       [2][coronaregelwidrige Feierlichkeiten im Amtssitz des britischen
       Premierministers] während des Corona-Lockdowns, allgemein als
       [3][„Partygate“] bekannt.
       
       Sue Gray ermittelt im Auftrag des Premiers und erstattet ihm Bericht, aber
       im Alltag hinter der schwarzen Tür von 10 Downing Street hat sie oft mehr
       zu sagen als er. Hinter ihrem Amt der „Zweiten Ständigen Sekretärin für die
       Union und die Verfassung“ im Kabinettsamt verbirgt sich eine der
       dienstältesten Beamtinnen Großbritanniens, mit Unterbrechungen seit den
       1970er Jahren tätig, immer hinter den Kulissen.
       
       „Nichts bewegt sich, wenn Sue es nicht sagt“, heißt es in den Memoiren des
       liberalen Exministers David Laws. Insider beschreiben Gray unter
       wechselnden Premierministern als Säule des Betriebs, langjährige
       Büroleiterin in den Kabinettsräumen von Whitehall direkt neben 10 Downing
       Street, die alle Alltagsfragen klärt, frische Amtsträger einweist und bei
       ihrem Abgang dafür sorgt, dass sie keine Geheimnisse ausplaudern. Viele
       verdanken ihr ihre Karriere – oder deren Ende. Charakterisierungen, die
       jetzt in Medien zirkulieren, wiederholen teils wortgleich Klischees von der
       allmächtigen Strippenzieherin, die keine Spuren hinterlässt.
       
       ## Feuertaufe in Nordirland
       
       Über die reale Sue Gray ist wenig bekannt – nicht einmal ihr genaues Alter.
       63 soll sie jetzt sein, direkt von der Schule stieß sie Ende der 1970er
       Jahre zum öffentlichen Dienst, eine klassisch anonyme Beamtenlaufbahn. 2012
       wurde sie Ethikbeauftragte von 10 Downing Street, zuständig für die
       Einhaltung von Regeln im Büro des Premierministers. 2018 wurde sie nach
       Nordirland geschickt, scheiterte aber 2020 damit, dort oberste Beamtin zu
       werden, und kehrte 2021 nach 10 Downing Street zurück. Die Partys, die sie
       jetzt aufklären soll, hätten sicherlich nie stattgefunden, wenn sie in der
       fraglichen Zeit 2020 da gewesen wäre.
       
       Ihr Ausflug nach Nordirland hat eine Vorgeschichte in Form einer
       Feuertaufe. Ende der 1980er Jahre nahm sie eine Auszeit von ihrer
       Beamtentätigkeit und leitete mit ihrem Ehemann, Countrysänger Bill Conlon,
       das Pub The Cove Bar im nordirischen Newry, tief im damaligen IRA-Gebiet.
       Einmal, berichtet der Belfast Telegraph, fuhr sie spätabends eine
       Angestellte nach Hause, durch düstere Landstraßen. Ein bewaffneter
       IRA-Kämpfer an einer Straßensperre hielt ihr Auto an und sagte: „Wir wollen
       das Auto, steig aus.“ Ihre Antwort: „Nein.“ Der Bewaffnete, völlig perplex,
       erwiderte: „Ach, bist du ’ne Scheiß-Engländerin?“ Ihre Rettung war eine
       Stimme aus der Dunkelheit: „Das ist Sue Gray vom Cove, lass sie
       weiterfahren.“
       
       26 Jan 2022
       
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