# taz.de -- Impfstoffverteilung durch Covax: Kein Grund zum Feiern
       
       > Die Initiative Covax sollte den ärmeren Teil der Welt mit Impfstoff
       > versorgen. Doch von dem Ziel ist die Impfallianz weit entfernt.
       
 (IMG) Bild: Trotzdem viel zu wenig: Impfstoff-Lieferung im Zuge der Covax-Initiative in Benin im März 2021
       
       GENF taz | Bald ein Jahr ist es her, dass die ersten Impfungen gegen
       Covid-19 verabreicht worden sind. Der Universität von Oxford zufolge sind
       seither mehr als vier Milliarden Menschen auf der Welt mindestens einmal
       geimpft worden, das ist über die Hälfte der Weltbevölkerung.
       
       Doch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom
       Ghebreyesus, sieht keinen Grund zum Feiern. Denn während in Ländern mit
       hohen Einkommen Anfang November fast zwei Drittel der Bevölkerung geimpft
       waren, sind es in armen Ländern kaum mehr als ein Zwanzigstel. „Wir hören
       immer neue Entschuldigungen dafür, warum Länder mit niedrigen Einkommen nur
       0,4 Prozent des weltweit verfügbaren Impfstoffs erhalten haben“, wettert
       Tedros. „Wir rufen weiterhin alle Hersteller von WHO-geprüften Impfstoffen
       auf, vorrangig [1][Covax] zu beliefern und nicht den Profit der Aktionäre
       in den Mittelpunkt zu stellen.“
       
       Covax ist eine Initiative, die einen weltweit gerechten Zugang zu
       Covid-19-Impfstoffen gewährleisten will. WHO, die EU-Kommission und
       Frankreich hatten sie im April 2020 gegründet. Gemeinsam sollten bis Ende
       2021 zwei Milliarden Dosen Impfstoffe eingekauft und fair verteilt werden.
       Es geht darum, auch Pfleger und Ärzte in Afrika bevorzugt zu versorgen. Für
       Länder mit niedrigerem Bruttoinlandsprodukt, die sich diese Impfstoffe
       sonst nicht leisten könnten, ist Covax der einzige Zugang zu
       Covid-19-Impfstoffen.
       
       Doch offensichtlich ist es dieser Allianz nicht gelungen, die Impfstoffgier
       der Industrienationen einzudämmen. Zwar stellte WHO-Chef Tedros Anfang
       November fest, das Programm nehme an Fahrt auf: Im Oktober seien mehr
       Impfstoffe über Covax verteilt worden als in der ersten Jahreshälfte
       zusammengenommen. Aber es sei noch viel zu tun, um das ausgegebene Ziel zu
       erreichen, nämlich die Impfung von 40 Prozent der Bevölkerung in jedem Land
       bis Jahresende.
       
       In vielen der 144 Länder, die an Covax beteiligt sind, waren die Impfquoten
       Ende September noch einstellig. Überhaupt sind bislang nur 435 Millionen
       Impfdosen über Covax verteilt worden. Um das WHO-Ziel zu erreichen, müssten
       es monatlich 1,5 Milliarden werden. Das ist nicht in Sicht. Die WHO-Chefin
       in Afrika, Matshidiso Moeti, hat bereits angekündigt, das 40-Prozent-Ziel
       zu verfehlen. Ihr fehlen mindestens 500 Millionen Dosen, um es zu
       erreichen.
       
       Während Tedros und die WHO über Impfgerechtigkeit nachgrübeln, verzeichnen
       die Impfstoffhersteller astronomische Gewinne. Allein Moderna
       erwirtschaftete im dritten Quartal fünf Milliarden US-Dollar, für das
       Gesamtjahr wird ein Umsatz von 18 Milliarden erwartet – mit einem einzigen
       Produkt.
       
       Der Gewinn wird fast ausschließlich in reichen Ländern gemacht. Nach
       Angaben von [2][Ärzte ohne Grenzen (MSF)] hat Moderna bis Oktober nur eine
       Million Impfdosen in Länder mit niedrigen Einkommen verkauft. Covax erhielt
       demnach keine einzige Dosis – allerdings behauptete Moderna, kürzlich erste
       Chargen an Covax ausgeliefert zu haben, erklärt MSF-Expertin Kate Elder.
       
       So oder so hät Elder die Milliardengewinne für einen Skandal: Schließlich
       habe Moderna nicht nur zehn Milliarden Dollar Staatsgelder für die
       Impfstoffentwicklung erhalten, sondern auch Patente genutzt, die die
       US-Regierung ihnen zugänglich gemacht habe. Anstatt im Gegenzug den
       Impfstoff der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, etwa über den
       TechTransfer-Hub der WHO in Südafrika, melde Moderna in Südafrika
       Patentschutz an, ohne den Impfstoff dort auszuliefern. Zwar hat Moderna
       angekündigt, bis Ende des Jahres 15 Millionen Impfdosen nach Afrika zu
       liefern.
       
       Doch angesichts des Bedarfs sei das nicht mehr als ein Tropfen in den
       Ozean, moniert Elder. „Wenn die USA als globaler Anführer im Kampf gegen
       Covid-19 wahrgenommen werden wollen, dann muss die Biden-Regierung dafür
       sorgen, dass der maßgeblich von der Bevölkerung bezahlte Impfstoff den
       Menschen überall auf der Welt zugänglich gemacht wird – das ist am Ende des
       Tages eine politische Entscheidung.“
       
       Bis die fällt, werden vor allem die Länder mit Mitteln gegen Covid-19
       versorgt, die es sich leisten können. Arme Länder müssen nehmen, was übrig
       bleibt. Und das ist nicht viel. So warnt die WHO bereits, dass
       Injektionsspritzen knapp werden. „Weltweit sind 6,8 Milliarden Dosen
       Covid-19-Impfstoff verabreicht worden, das ist die doppelte Zahl der sonst
       üblichen Impfungen“, erklärt Lisa Hedman von der WHO. „Im kommenden Jahr
       könnte mindestens eine Milliarde Spritzen fehlen.“
       
       Keine Frage, wem sie fehlen werden: Denen, denen in der Pandemie zunächst
       die Masken, dann der Sauerstoff und schließlich der Impfstoff vorenthalten
       wurde. Die WHO scheint zu ahnen, dass sie an der Gegenwart wenig ändern
       kann. Die außerordentliche WHO-Vollversammlung Ende des Monats schaut
       lieber in die Zukunft: Neue Regeln sollen dafür sorgen, dass künftige
       Pandemien global gerecht bekämpft werden.
       
       17 Nov 2021
       
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