# taz.de -- Kein AfD-Bürgermeister in Görlitz: Eine Stadt atmet auf
       
       > CDU-Kandidat Octavian Ursu hat die Stichwahl zum Oberbürgermeister in
       > Görlitz gewonnen. Der AfD-Kandidat erhielt knapp 45 Prozent der Stimmen.
       
 (IMG) Bild: Hat sich in Görlitz durchgesetzt: Octavian Ursu von der CDU
       
       GÖRLITZ taz | Auf dem Görlitzer Untermarkt am Rathaus herrschte am
       Sonntagabend eher Erleichterung als Jubel. Bei der [1][Stichwahl für das
       Amt des Oberbürgermeisters] sahen die hier feiernden CDU-Anhänger ihren
       Kandidaten Octavian Ursu mit 55,2 Prozent vorn. [2][Wie im thüringischen
       Gera 2018] scheiterte also ein aussichtsreicher AfD-Kandidat bei dem
       Versuch, erstmals den Sessel eines Oberbürgermeisters in einer größeren
       deutschen Stadt zu erobern.
       
       Der schneidige gelernte Polizist Sebastian Wippel blieb mit 44,8 Prozent
       mehr als zehn Punkte hinter den im zweiten Wahlgang breit unterstützten
       Ursu zurück. Im ersten Wahlgang am 26. Mai hatte Wippel mit 36,4 Prozent
       noch die meisten Wählerstimmen geholt, gefolgt von Ursu mit 30,3 Prozent.
       Die knapp hinter Ursu liegende Grüne Franziska Schubert trat nach einem
       Gespräch mit dem CDU-Kandidaten ebenso wie die abgeschlagene Linke Jana
       Lübeck nicht mehr zur zweiten Runde an.
       
       Wahlen in Görlitz gelten trotz der nur 46.000 Wahlberechtigten als
       besonders prestigeträchtig, seit der derzeitige sächsische
       Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei den Bundestagswahlen im
       September 2017 hier sein Direktmandat an den AfD-Kandidaten Tino Chrupalla
       verlor. Die AfD hatte darüber hinaus die OB-Wahl zum Stimmungstest für die
       am 1. September anstehende Landtagswahl erklärt.
       
       Die Erleichterung, dass der auf deutsch-polnische Nachbarschaft
       ausgerichteten Europastadt ein AfD-Oberbürgermeister erspart bleibt,
       teilten die CDU-Anhänger mit vielen Passanten in der Görlitzer Innenstadt.
       Dieses „Es hätte schlimmer kommen können“ blieb aber aus zwei Gründen
       verhalten. Zum einen ist der gebürtige Rumäne und ehemalige Solotrompeter
       der Lausitzphilharmonie Ursu nicht gerade ein „Frontschwein“ wie sein
       AfD-Konkurrent. Eher ein Lieber-Papa-Typ, von dem weder in Görlitz noch im
       Dresdner Landtag noch im Sächsischen Kultursenat markante Auftritte bekannt
       sind. „Er hat keine Visionen“, räumen selbst CDU-Freunde auf dem Untermarkt
       ein. Viele haben ihn als das kleinere Übel gewählt.
       
       ## Jeder Vierte hat für die AfD gestimmt
       
       Zum anderen bleibt das 44-Prozent-Ergebnis Wippels nicht ohne Wirkung. Bei
       einer Wahlbeteiligung von 56 Prozent hat also jeder vierte Görlitzer für
       ihn votiert. Im Stadtrat stellt die AfD nach der Kommunalwahl vom 26. Mai
       ohnehin die größte Fraktion. In der Gaststätte „Zeltgarten“ floss deshalb
       das Bier für die AfD-Anhänger reichlich. Landesvorsitzender Jörg Urban
       sieht die AfD „weiter im Aufwind“, verweist darauf, dass man nicht gegen
       die CDU, sondern gegen eine faktische Allianz von CDU über Grün bis Linke
       unterlegen sei. In diesem „Wir gegen alle anderen“ fühlt sich die AfD
       bekanntlich wohl.
       
       Urban sieht der Landtagswahl weiterhin optimistisch entgegen. Es sei nur
       „eine Frage der Zeit“, dass die Wähler der AfD zur Regierungsverantwortung
       verhelfen. Warum die Partei so viele Wähler zieht, je weiter man nach Osten
       kommt, kann man in diesem Biergarten bei Gesprächen auch studieren. Sie
       bedient eine apokalyptische Grundstimmung, das Bild von einem bedrohten
       Vaterland am Abgrund, zu dessen Rettung sie die einzige Alternative
       darstellt. Solche Ängste sind in der wenig prosperierenden grenznahen
       Lausitz leichter zu schüren.
       
       Das Händereiben der AfD hat noch einen anderen Grund. Die Niederlage ihres
       Frontmanns Wippel eröffnet nun die Gelegenheit, ihn am 1.September gegen
       den amtierenden Ministerpräsidenten Kretschmer in seinem Görlitzer
       Wahlkreis ins Rennen zu schicken. Kretschmer habe Wippel gewiss insgeheim
       die Daumen für einen Sieg gedrückt, damit ihm dieser Zweikampf erspart
       bleibe, bemerken AfD-Anhänger spitz.
       
       Demgegenüber erscheint die Äußerung von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak
       gegenüber der dpa reichlich ahnungslos, wenn er von „Rückenwind für die
       sächsische Union unter Ministerpräsident Michael Kretschmer“ spricht.
       
       ## AKK im Fettnäpfchen
       
       Sebastian Wippel gibt sich indessen erstaunlich konziliant, seine künftige
       Rolle als Kontrahent Ursus im Stadtrat betreffend. Er wolle Sacharbeit und
       auch Verbündete in anderen Fraktionen suchen, sagte er der taz. Ähnlich
       verbindliche Worte fand auch der künftige Oberbürgermeister Octavian Ursu
       nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
       
       Er freute sich zwar, dass sich eine Mehrheit „für die offene Gesellschaft,
       für die Europastadt Görlitz entschieden hat“. Zugleich wolle er aber nach
       einem „sehr zugespitzten Wahlkampf“ auch auf alle zugehen, die ihn nicht
       gewählt haben. Er wolle die Stadt „wieder zusammenbringen“.
       
       Einmal mehr ins Fettnäpfchen tappte die CDU-Bundesvorsitzende Anngegret
       Kramp-Karrenbauer. Den Wahlsieg Ursus schrieb sie allein der CDU zu, welche
       „die bürgerliche Kraft gegen die AfD ist“, twitterte sie. Sogar unter ihren
       Unionsfreunden auf dem Görlitzer Untermarkt wurde gewürdigt, dass der
       Verzicht von Grünen und Linken in der zweiten Runde und ihre Unterstützung
       für Ursu eine breite Mehrheit gegen AfD-Wippel erst ermöglicht hat.
       
       17 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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