# taz.de -- Kita-Bericht zeigt vielerorts Defizite: Personal wird Kindern nicht gerecht
       
       > Der Paritätische Gesamtverband hat pädagogische Fachkräfte befragt. Nach
       > ihrer eigenen Einschätzung können sie ihre Arbeit nicht mehr gut machen.
       
       BREMEN taz | Einen Bericht über die Situation in deutschen
       Kindertagesstätten veröffentlichte am Dienstag der Paritätische
       Gesamtverband, ein Wohlfahrtsverband mit über 10.000
       Mitgliedsorganisationen; etwa die Hälfte davon betreibt Einrichtungen der
       Kindertagesbetreuung. Dafür hatten in allen Bundesländern 1.171 Personen
       aus unterschiedlichen Kitas an einer Befragung teilgenommen. Die Ergebnisse
       überraschen niemand, der persönlichen Kontakt zu Erzieher:innen hat
       oder in den vergangenen zehn Jahren Medienberichte über die durch
       Untersuchungen [1][belegte dramatische Personalnot] zur Kenntnis genommen
       hat.
       
       60 Prozent der Befragten gehen demnach davon aus, „dass sie mit dem
       gegenwärtigen Personalschlüssel den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht
       werden können“, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung. Und:
       „Kindertageseinrichtungen in benachteiligten Sozialräumen sind davon
       besonders betroffen.“
       
       Die Einschätzung fällt aber in den Bundesländern sehr unterschiedlich aus –
       auch im Norden gibt es Unterschiede. Während dies in Schleswig-Holstein 71
       Prozent der Teilnehmenden bejahten und in Niedersachsen 72,4 Prozent, waren
       es in Hamburg 56,4 Prozent und in Bremen 38,9 Prozent – so wenig wie in
       keinem anderen Bundesland, aber immer noch über ein Drittel.
       
       Über die individuelle Belastung sagt dies aber noch nichts aus, wie der
       Bericht vermerkt, da während der Pandemie der Krankenstand besonders hoch
       war – weil die Fachkräfte [2][an Corona erkrankt] waren oder aufgrund des
       erhöhten Stresslevels krank wurden und langfristig ausfielen. Zudem kann
       der vorgegebene Personalschlüssel häufig nicht eingehalten werden, weil
       Stellen mangels geeigneter Bewerber:innen unbesetzt bleiben.
       
       Am stärksten wird dieses Problem in Schleswig-Holstein wahrgenommen: 74,2
       Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage zu, in Bremen 58,8 Prozent,
       in Niedersachsen 48,6 Prozent und in Hamburg 42,1 Prozent.
       
       ## Die Pandemie hat an Kräften und Nerven gezehrt
       
       In Schleswig-Holstein berichten auch die meisten Befragten von Überstunden.
       Knapp drei Viertel stimmten dort der Aussage zu: „Pädagogische Fachkräfte
       leisten regelmäßig Überstunden, um eine angemessene Betreuung der Kinder
       sicherzustellen.“ In Niedersachsen und Bremen waren es jeweils um die 60
       Prozent, in Hamburg etwas über die Hälfte der Befragten.
       
       Anfang Mai hatte die Hamburger Erzieherin Jessica Wohlers in der taz
       darüber berichtet. Weil sie regelmäßig so schlecht besetzt seien, würden
       sie und ihre Kolleg:innen alles, was nicht unmittelbar die Arbeit in der
       Gruppe betrifft, häufig in ihrer Freizeit erledigen, wie Elterngespräche
       vorbereiten oder die Entwicklung der Kinder dokumentieren.
       
       „Wenn die Hälfte der Kindern weint, müssen wir priorisieren. Wer hat sich
       wehgetan? Die kommen zuerst dran. Die anderen, die,nur' traurig sind,
       müssen warten“, erzählte sie. „Das finde ich schlimm und seelisch
       belastend. Da kann ich nicht aus dem Raum gehen und sagen, ich schreib’
       jetzt mal einen Entwicklungsbericht oder bereite etwas vor.“
       
       Ein negatives Highlight bildet im Norden Niedersachsen in Bezug auf [3][die
       Erzieher:innen-Ausbildung]. 61,8 Prozent der Befragten verneinten die
       Aussage: „Fertig ausgebildete Erzieher:innen bringen die erforderlichen
       Kenntnisse zur Gestaltung des Kita-Alltages mit.“ In Bremen betrug der Wert
       ein Viertel, Hamburg und Schleswig-Holstein lagen dazwischen.
       
       Was der Bericht nicht erfasst, ist die Zuspitzung der Belastung für die
       Fachkräfte im Jahresverlauf. „Vor Weihnachten und wie jetzt vor den
       Sommerferien ist es besonders schlimm“, sagt die Bremer Erzieherin Mara
       Jansen. „Da gehen alle auf dem Zahnfleisch.“ Das liege daran, dass die
       Kinder, vor allem die, die jetzt in die Schule kommen, „einfach durch“
       seien, erzählt die 32-Jährige. „Die brauchen dann sehr viel
       Aufmerksamkeit.“
       
       In diesem Jahr komme hinzu, dass auch sie und ihre Kolleg:innen am Ende
       ihrer Kräfte seien, weil die zwei Jahre Pandemie so an Kräften und Nerven
       gezerrt hätten. „Ich möchte das nicht noch zehn Jahre machen“, sagt sie.
       Sie studiere deshalb jetzt berufsbegleitend Soziale Arbeit.
       
       14 Jun 2022
       
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