# taz.de -- Klimaexperte über Vertriebswege: „Onlinehandel ist häufig besser“
       
       > Käufe in stationären Läden hätten oft eine schlechtere CO2-Bilanz, sagt
       > Umweltexperte Till Zimmermann. Sie verbrauchten pro Produkt mehr Energie.
       
 (IMG) Bild: Geschäfte sind jetzt eh zu. Aber ist online womöglich generell umweltfreundlicher?
       
       taz: Herr Zimmermann, Vorweihnachtszeit plus Pandemie – es ist jetzt schon
       absehbar, dass deutlich mehr Einkäufe online getätigt werden als in den
       vergangenen Jahren. Was heißt das für die Umwelt? 
       
       Till Zimmermann: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Wenn wir zunächst
       mal auf den Onlinehandel schauen, fallen da zwei große Faktoren negativ ins
       Gewicht. Das ist einerseits der Transport auf der letzten Meile, also DHL,
       Hermes, dpd, die Lieferwagen in den Straßen. Und andererseits die bei
       diesem Transport verwendete Verpackung. Das ist eine zusätzliche
       Verpackung, die wir im stationären Handel nicht haben.
       
       Und beim stationären Handel? 
       
       Da fällt die Fahrt mit dem Pkw zum Laden massiv ins Gewicht. Man kann hier
       tatsächlich die pauschale Aussage treffen: Wenn ich mit dem Pkw einkaufen
       fahre, bin ich in nahezu jedem Fall schlechter als bei einer
       Onlinebestellung.
       
       Gerade in der Pandemie nutzen aber viele Menschen aus
       Infektionsschutzgründen das Auto, wann immer es geht. 
       
       Da wäre dann ein Online-Einkauf vorzuziehen. Wer jetzt aber statt mit dem
       Auto mit dem Fahrrad fährt oder läuft, verbessert die CO2-Bilanz deutlich.
       Der öffentliche Nahverkehr liegt dazwischen, aber deutlich näher am Auto
       als am Fahrrad. Und je länger die mit dem ÖPNV zurückgelegte Strecke, desto
       besser würde in der Bilanz eine Onlinebestellung abschneiden. Für die
       Mehrheit der Fälle kann man aber ohnehin sagen: Wenn wir nur auf die
       CO2-Emissionen gucken, ist der Kauf im Onlinehandel häufig besser als der
       Kauf im stationären Handel.
       
       Für welche Produktgruppen gilt das? 
       
       Beispielsweise für viele Elektronikprodukte sowie einen Großteil der
       Bekleidungsprodukte – zumindest wenn es nicht zu Retouren kommt.
       
       Warum schneidet der stationäre Handel da so schlecht ab? 
       
       Der Händler vor Ort muss sich hier messen mit den Gegebenheiten eines
       Lagers. Und aufs Produkt gerechnet braucht der Händler deutlich mehr an
       Wärme, an Strom, wenn er das T-Shirt schön aufhängt, als wenn es in einem
       hallenhohen Regal liegt. Oder wenn das Smartphone und das Notebook schön
       ausgeleuchtet präsentiert werden. Gerade der kleine Laden um die Ecke, den
       wir besonders gern unterstützen wollen, ist aus Umweltsicht leider meist
       ganz besonders schlecht im Vergleich zum Großlager eines Versandhändlers.
       Weil er auf die Fläche gerechnet verhältnismäßig wenig umsetzt.
       
       Beim Onlinehandel, wo der Transport so stark ins Gewicht fällt, stehen vor
       allem die Retouren in der Kritik. 
       
       Das stimmt. Denn sie verdoppeln die durch den Transport verursachten
       Emissionen. Doch es gibt noch einen weiteren großen Punkt: den Faktor
       Verpackung. Kleine Transporttaschen aus Kunststoff, die häufig beim Versand
       von Textilien eingesetzt werden, fallen zwar nicht so ins Gewicht, ein
       großer, massiver Pappkarton aber schon.
       
       Was ist mit der Vernichtung von zurückgeschickten Waren, wie stark wirkt
       sich das aus? 
       
       Nach aktueller Studienlage findet das nicht in dem riesigen systematischen
       Maß statt, wie das vor einem Jahr mal diskutiert wurde. Über alle
       Produktgruppen hinweg werden demnach etwa 16 Prozent aller Waren
       zurückgeschickt. Und etwa 0,6 Prozent aller Sendungen werden entsorgt. Das
       ist relativ erst mal wenig. Anderseits sind diese 0,6 Prozent, gemessen an
       dem, was Amazon oder Zalando so verschickt, schon ein riesiger Warenwert.
       Wenn man das anhand des insgesamt im Onlinehandel erzielten Umsatzes
       hochrechnet, landet man für die vernichteten Waren etwa bei einem Wert von
       320 Millionen Euro. Und da stecken ja auch Ressourcen und Energie drin. Das
       wäre also ein Minuspunkt für den Onlinehandel – zumindest wenn es diese
       Vernichtung im stationären Handel nicht gibt.
       
       Ist das denn so? 
       
       Umgetauschte oder zurückgegebene Waren werden zwar nicht im gleichen Umfang
       entsorgt. Was wir aber aus dem stationären Handel kennen, ist, dass nicht
       verkaufte Saisonware vernichtet wird, und zwar in großem Maßstab. Doch der
       Handel lässt sich da nicht gern in die Karten schauen.
       
       Beim stationären Händler kaufen Kund:innen auch vermutlich eher mehrere
       Produkte auf einmal, oder? 
       
       Ja, tatsächlich werden einzelne Produkte eher mal online bestellt. Wer zu
       einem stationären Händler fährt, kauft häufiger mehrere Produkte, das senkt
       die Umweltauswirkungen, auf das einzelne Produkt bezogen. Außerdem gibt es
       andere Effekte, wie den, dass Wege kombiniert werden. Beispielsweise wenn
       ein Einkauf auf dem Weg von der Arbeit nach Hause erledigt wird. Und diese
       ganzen Effekte machen es wahnsinnig schwer, eine pauschale Aussage darüber
       zu treffen, ob die Onlinebestellung oder der Einkauf vor Ort besser ist.
       Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir mit dem Handel nur einen ganz
       kleinen Teil des Emissionsgeschehens abbilden.
       
       Inwiefern? 
       
       Wir haben die Ressourcengewinnung, die Herstellung und den Transport der
       Produkte bis zum Einzelhandel. Und nach dem Kauf haben wir dann noch die
       Produktnutzungszeit, die ja auch wieder Umweltauswirkungen hat, zum
       Beispiel wenn wir Kleidung waschen oder ein Elektronikgerät nutzen. Selbst
       die Entsorgung, und sei sie noch so sachgerecht, verursacht Emissionen, zum
       Beispiel der Transport zum Recyclinghof. Bei den meisten Produkten wird der
       Einkauf nur zwischen 0 und 10 Prozent der Auswirkungen auf die Umwelt
       ausmachen, wenn wir uns den gesamten Produktzyklus anschauen. Wenn ich
       wirklich ökologisch einkaufen will, muss ich mich daher weniger fragen:
       Onlinehandel oder stationär? Sondern eher: Muss ich das Produkt wirklich
       kaufen? Verzicht auf Konsum ist der viel größere Hebel. Und wenn ich öfter
       mal auf einen Kauf verzichte, muss ich mir beim nächsten Mal weniger
       Gedanken darüber machen, ob ich online oder im Laden einkaufe.
       
       Für den Rest sollte es ja aber trotzdem das Ziel sein, sowohl den
       stationären als auch den Onlinehandel so ökologisch wie möglich zu
       gestalten. Wo sehen Sie da Potenzial? 
       
       Erster großer Punkt ist die Energiewende. Wenn sich der Anteil der
       erneuerbaren Energien weiter deutlich erhöht, reduzieren sich deutlich die
       Emissionen des stationären Handels. Der zweite große Punkt ist die
       Verkehrswende. Elektrofahrzeuge, betankt mit einem besseren Strommix als
       derzeit, verbessern die Bilanz. Aber auch, und das geht häufig unter: Wir
       brauchen andere Transportwege. Zum Beispiel, dass Waren an wenigen
       zentralen Punkten auf Lastenräder geladen werden. Denn das Problem in den
       Städten sind ja nicht nur die Emissionen, sondern auch die zahlreichen
       Lieferwagen – die übrigens auch den stationären Handel beliefern. Auch
       Packstationen sind ein Ansatz, der die Situation verbessert.
       
       Zumindest wenn die Kund:innen da nicht mit dem Auto hinfahren. 
       
       Das stimmt. Und als dritten großen Punkt haben wir noch die Verpackungen.
       Da lässt sich noch viel verbessern, zum Beispiel mit Mehrwegverpackungen.
       
       Aber die müssen dann noch auch wieder zurück, was wieder eine Retoure
       bedeutet? 
       
       Das wäre dann natürlich nicht so gut. Aber wenn sie sich zusammenfalten
       lassen und an zentralen Punkten, die Lieferwagen sowieso anfahren,
       abgegeben werden, kann die Ökobilanz besser sein. Es gibt eine Firma, deren
       Mehrwegverpackungen lassen sich so klein zusammenfalten, dass sie als Brief
       zurückgeschickt werden können. Und solche Ansätze brauchen wir
       flächendeckend.
       
       21 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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